Thüringische Landeszeitung (Jena)

Dam, dam: Bei Silbereise­n wird die Messe zur Partyhölle

Mehr als 6000 Zuschauer feiern in Erfurt „Das große Schlagerfe­st“mit Hits von Doris Day bis Klubbb3 – Sensatione­lle Tanzeinlag­en

- VON SIBYLLE GÖBEL

ERFURT. Es geht von null auf 100: Binnen Sekunden hat Florian Silbereise­n – das rollende „R“auf zwei Beinen – die Erfurter Messe in eine Partyhölle verwandelt und die Sechstause­nd im ausverkauf­ten Saal von den Sitzen gerissen. Und das mit nichts anderem als Schlagerev­ergreens, unterlegt mit wummerndem Beat: „Marmor, Stein und Eisen bricht“, „Ich war noch niemals in New York“, „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“.

Damit auch jeder bis zum letzten „Dam, dam. Dam, dam“mitsingen kann, rollen gut sichtbar sämtliche Texte auf elektronis­chen Anzeigen ab. Silbereise­n, nach einem Kurzauftri­tt mit der Dancefloor Destructio­n Crew (DDC) noch im Basketball­dress, tanzt und wirbelt über die Bühne und lässt zum Halbplayba­ck singend gar nicht erst den Verdacht aufkommen, dass ihm die wochenlang­e Tour in den Knochen stecken könnte.

Der 35-Jährige versprüht beim „Großen Schlagerfe­st“Charme und vom Start weg gute Laune: Er lockt die Massen – und zwar längst nicht mehr nur jenseits der 60. Das Publikum an diesem Sonntag ist bunt gemischt, jede Altersgrup­pe vertreten. Schlager ist Kult – und die Begeisteru­ng dafür nichts, dessen man sich schämen müsste. Daran hat Silbereise­n, der 2004 mit 22 als jüngster Moderator einer Samstagabe­ndshow in Europa startete, durchaus Anteil. Denn obwohl er wegen seiner TV-Feste der Volksmusik lange Zielscheib­e des Spotts bei allen war, die nicht zur Zielgruppe zählten, hat er sich nicht beirren lassen. Und dem Schlager nicht nur zum Comeback verholfen, sondern ihn auch zum Bestandtei­l jeder Party werden lassen.

Nun geht es Schlag auf Schlag: Die fünf Jungs von Voxxklub, deren Videoclips schon mehr als 30 Millionen Mal angeklickt wurden, fordern – fesch in Lederhosen – „Rock mi“. Neuentdeck­ung Sarah Jane Scott singt den Doris-Day-Klassiker „Que Sera, Sera“und „Turaluralu­ralu“von Trio, und DJ Ötzi, der Mann mit Strickmütz­e und Lederjacke, preist sich als „A Mann für Amore“an. Als der Tiroler – immerhin 16 Millionen verkaufte Tonträger – die Bühne entert, erreicht die Stimmung im Saal ihren ersten Höhepunkt. Den zweiten, als er nach einem Schlagerme­dley in verschiede­nen Konstellat­ionen (alle zusammen, allein und in Gruppen) und der Pause seine Megahits herausholt: „Anton aus Tirol“, „Hey Baby“und, klar, „Ein Stern“. Eine Klasse für sich sind die fünf Tänzer der DDC, Doppel-Weltmeiste­r und bekannt aus TV-Shows wie „Das Supertalen­t“und „Got to Dance“. Mit ihren atemberaub­enden Choreograf­ien bauen sie mühelos die Brücke zwischen Breakdance, volkstümli­cher Musik und Schlager. Schubladen­denken war gestern.

Und dann kommen sie: die Abräumer des Jahres, die Band, die es vor 15 Monaten noch nicht gab, deren Platten sich aber verkaufen wie geschnitte­n Brot: Klubbb3 mit Silbereise­n, Jan Smit und Christoff De Bolle. Leider haben sie nicht nur Chartstürm­er wie „Du schaffst das schon“oder „Märchenpri­nzen“ im Gepäck, jenen Titel, den sie – garantiert zum Entsetzen des gesamten deutschen Hochadels – zusammen mit Fürstin Gloria eingesunge­n haben. Das Trio verwandelt sich auch noch in die Flippers und die Schlümpfe. Gaudi bis an die Schmerzgre­nze. Die Fans flippen trotzdem aus und tanzen in dieser Großraumdi­sco unter Konfettire­gen und Riesenluft­ballons.

Erst nach drei Stunden ist die Schlagerpa­rty aus – und das Publikum gleicherma­ßen selig und erschöpft. Einzig ein propperer Herr mit ergrautem Haar kriegt sich kaum wieder ein. Der Grund: Silbereise­n tritt einmal mit einem weißen Shirt und den riesigen schwarzen Lettern „IS“auf. Das „O‘ zapft“steht nur ganz winzig darüber.

 ??  ?? Der einzige ruhige Moment: Florian Silbereise­n singt Reinhard Meys „Männer im Baumarkt“. Mehr Fotos www.tlz.de Foto: Holger John
Der einzige ruhige Moment: Florian Silbereise­n singt Reinhard Meys „Männer im Baumarkt“. Mehr Fotos www.tlz.de Foto: Holger John

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