Thüringische Landeszeitung (Jena)
Junger Bombenbastler mit Faible für Rechtsextreme
20Jähriger muss ins Krankenhaus – Gefährliche Einsätze im Eichsfeld – Polizei steht erst am Anfang der Ermittlungen
HEILIGENSTADT. Er wirkt unauffällig. Ein junger Mann, der vom Typ her – sehr positiv gedeutet – wohl als Schmusesänger einer Boy-Band durchgehen würde. Manch einer würde ihn wohl „Babyface“nennen ob seiner kindlichen Gesichtszüge – allerdings trügt dieser Schein offenbar. Eric F. wird als „Hobbychemiker“beschrieben – mit der Fähigkeit, gefährliche Bomben bauen zu können.
Offenbar bezahlt er seine Leidenschaft nun lebensgefährlichen Verletzungen. Bei einer Explosion am Samstagmittag soll er beide Daumen verloren haben. Der 20-Jährige liegt nach wie vor schwer verletzt in einem Krankenhaus in Niedersachsen.
Rassistische Äußerungen in der Schule
Für die Polizei hat sich dieser undurchsichtige Fall spätestens seit Sonntag ausgeweitet. Denn zunächst gehen die Beamten davon aus, dass der junge Mann sich bei einem vermeintlichen Arbeitsunfall mit einer Säge verletzt haben soll. Später teilen die Mediziner der Polizei mit, dass er sich diese schweren Verletzungen nur bei einer Explosion habe zuziehen können. Was die Polizisten dann auf dem Gelände in Großbartloff (Eichsfeld) entdecken, wo er ein verstecktes Sprengstoff-Labor hatte, verschlägt ihnen fast die Sprache: Zwischen Chemikalien und offenbar auch fertigem Sprengstoff liegt viel Blut. Damit ist klar: Der Fall wird Kreise ziehen.
Am gestrigen Montag rücken Spezialkräfte des Thüringer Landeskriminalamtes in Großbartloff und in Heiligenstadt an. Denn Eric F. hat nicht nur auf dem elterlichen Grundstück gebastelt. Auch in seiner Wohnung in einem Heiligenstädter Plattenbau werden Chemikalien gefunden. Ein Polizeisprecher bestätigt, dass die ersten Ermittlungen ergeben hätten, dass dem jungen Mann der Bau von Sprengkörpern zuzutrauen sei.
Bestand eine konkrete Gefahr für die Bevölkerung? Was hat er mit dem Sprengstoff geplant? Ist der Auszubildende, der in einem Heiligenstädter Unternehmen lernt, möglicherweise in irgendeiner Form einer terroristischen Vereinigung zuzuordnen? Die Polizei hält sich dazu zunächst bedeckt. Allerdings macht Polizeisprecher Thomas Soszynski im Gespräch mit der Thüringischen Landeszeitung deutlich, dass es derzeit keinerlei Hinweise auf terroristische Aktivitäten gebe. Am Montagnachmittag haben die Spezialkräfte die Heiligenstädter Wohnung soweit ausgeräumt, dass die aus zwei Hauseingängen evakuierten Bewohner wieder in ihre Wohnungen zurück können. Sichergestellte Chemikalien und andere Substanzen wurden vorsorglich nahe Heiligenstadt kontrolliert in einem Waldstück gesprengt. Allerdings endet der Einsatz noch nicht. Denn die LKA-Kräfte, die Bundespolizei-Beamten, die zur Unterstützung aus Leipzig ein Spezialfahrzeug für den Transport der gefährlichen Substanzen ins Eichsfeld gebracht haben, müssen noch einmal nach Großbartloff ausrücken. Es gibt noch weitere Beräumungsmaßnahmen auf dem Grundstück zu erledigen, die in Verbindung mit dem Chemielabor des 20-Jährigen stehen.
Wer mit Mitschülern spricht, der erfährt über den Eichsfelder, dass er in der Schule eher unauffällig gewesen sei. Dennoch: Es gibt Hinweise darauf, dass er zumindest gegenüber rechtsextremen Tendenzen nicht abgeneigt gewesen ist. So soll zum Beispiel zu Schulzeiten die Aussage, dass man eine „Synagoge abfackeln“solle, von ihm stammen. Daran erinnern sich Mitschüler noch. Für die Polizei bleibt indes die Annahme, dass es sich bei F. um einen Hobbychemiker handelt, der seine Leidenschaft mit den schweren Verletzungen bezahlt hat. Dass sich diese Erkenntnisse bis zum Montagabend nicht geändert haben, dafür spricht, dass nach wie vor die Kriminalpolizei Nordhausen die Ermittlungen führt und nicht etwa das Landeskriminalamt den Fall übernommen hat. Kräfte des LKA seien lediglich zur Unterstützung ins Eichsfeld beordert worden, sagt LKA-Sprecherin Tina Büchner auf Anfrage.
Aus Ermittlerkreisen wird indes deutlich gemacht, dass die Untersuchungen zu den beiden Sprengstoff-Laboren erst am Anfang stehen. Die wirklichen Ermittlungen könnten erst beginnen, wenn die Orte und die dort befindlichen gefährlichen Substanzen gesichert seien. Eine Spurensuche im Umfeld des Bastlers zeigt aber bereits, dass er dem rechtsextremen Milieu durchaus zugeneigt ist. Auch wenn seine Bekannten über ihn eindeutig sagen, dass er kein Nazi sei, so hört man doch den Satz: „Ja, ja, der ...“. Die Sympathien für die neue Rechte waren bekannt. Was damit gemeint sein könnte? Das Profil des jungen Mannes auf dem sozialen Netzwerk Facebook gibt ein wenig mehr Aufschluss. Dort hat er unzählige Bücher, Musik und Filme als seine Favoriten markiert – alles kaum bewegend und eher passend zu einem jungen Mann, der von Anblick her an den eingangs beschriebenen Schmusesänger erinnert. Politisch geht auf seinem Profil jedoch alles in eine Richtung – nach rechts: Die als verfassungsfeindlich eingestufte NPD hat er sogar zweimal mit „Gefällt mir“markiert, ebenso findet sich die rechte Kampfsportvereinigung Deutsch-Russische Bruderschaft auf der Liste. Darüber hinaus werden von ihm auch die rechtspopulistische AfD und da konkret der AfD-Nachwuchs-Vorsitzende Markus Frohnmaier favorisiert. Erst am Wochenende war bekannt geworden, dass es zwischen dem AfD-Nachwuchs und der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung engere Beziehungen gibt, als bisher bekannt.
Hinweise darauf, dass sich der junge Mann in organisierten Strukturen der rechtsextremen Szene bewegt hat, finden sich allerdings bisher nicht. Dass er im Umfeld bekannter Rechtsextremisten
Vorliebe für Kampfsportvereinigung
in Heiligenstadt wohnt, lässt diesen Rückschluss dennoch nicht zu. Die Polizei hält sich weiterhin bedeckt mit Blick auf die Gesinnung des Mannes.
Klar ist: Bisher ist in diese Richtung offenbar nicht ermittelt worden. Auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse haben die ermittelnden Polizisten jedenfalls noch nicht geschaut. Das Amt für Verfassungsschutz sei von dem Fall noch nicht berührt, sagt eine Sprecherin.
In Großbartloff, wo am Samstagmittag das Drama als vermeintlicher Säge-Unfall seinen Anfang nahm, bleibt es gestern indes ruhig. Zumindest auf den Straßen, die menschenleer sind. Die Familie ist in dem Ort kaum bekannt – denn sie zog erst vor ein paar Monaten hierher. Aus einem nur wenige Kilometer entfernten Nachbarort.