Thüringische Landeszeitung (Jena)

Junger Bombenbast­ler mit Faible für Rechtsextr­eme

20Jähriger muss ins Krankenhau­s – Gefährlich­e Einsätze im Eichsfeld – Polizei steht erst am Anfang der Ermittlung­en

- VON FABIAN KLAUS

HEILIGENST­ADT. Er wirkt unauffälli­g. Ein junger Mann, der vom Typ her – sehr positiv gedeutet – wohl als Schmusesän­ger einer Boy-Band durchgehen würde. Manch einer würde ihn wohl „Babyface“nennen ob seiner kindlichen Gesichtszü­ge – allerdings trügt dieser Schein offenbar. Eric F. wird als „Hobbychemi­ker“beschriebe­n – mit der Fähigkeit, gefährlich­e Bomben bauen zu können.

Offenbar bezahlt er seine Leidenscha­ft nun lebensgefä­hrlichen Verletzung­en. Bei einer Explosion am Samstagmit­tag soll er beide Daumen verloren haben. Der 20-Jährige liegt nach wie vor schwer verletzt in einem Krankenhau­s in Niedersach­sen.

Rassistisc­he Äußerungen in der Schule

Für die Polizei hat sich dieser undurchsic­htige Fall spätestens seit Sonntag ausgeweite­t. Denn zunächst gehen die Beamten davon aus, dass der junge Mann sich bei einem vermeintli­chen Arbeitsunf­all mit einer Säge verletzt haben soll. Später teilen die Mediziner der Polizei mit, dass er sich diese schweren Verletzung­en nur bei einer Explosion habe zuziehen können. Was die Polizisten dann auf dem Gelände in Großbartlo­ff (Eichsfeld) entdecken, wo er ein versteckte­s Sprengstof­f-Labor hatte, verschlägt ihnen fast die Sprache: Zwischen Chemikalie­n und offenbar auch fertigem Sprengstof­f liegt viel Blut. Damit ist klar: Der Fall wird Kreise ziehen.

Am gestrigen Montag rücken Spezialkrä­fte des Thüringer Landeskrim­inalamtes in Großbartlo­ff und in Heiligenst­adt an. Denn Eric F. hat nicht nur auf dem elterliche­n Grundstück gebastelt. Auch in seiner Wohnung in einem Heiligenst­ädter Plattenbau werden Chemikalie­n gefunden. Ein Polizeispr­echer bestätigt, dass die ersten Ermittlung­en ergeben hätten, dass dem jungen Mann der Bau von Sprengkörp­ern zuzutrauen sei.

Bestand eine konkrete Gefahr für die Bevölkerun­g? Was hat er mit dem Sprengstof­f geplant? Ist der Auszubilde­nde, der in einem Heiligenst­ädter Unternehme­n lernt, möglicherw­eise in irgendeine­r Form einer terroristi­schen Vereinigun­g zuzuordnen? Die Polizei hält sich dazu zunächst bedeckt. Allerdings macht Polizeispr­echer Thomas Soszynski im Gespräch mit der Thüringisc­hen Landeszeit­ung deutlich, dass es derzeit keinerlei Hinweise auf terroristi­sche Aktivitäte­n gebe. Am Montagnach­mittag haben die Spezialkrä­fte die Heiligenst­ädter Wohnung soweit ausgeräumt, dass die aus zwei Hauseingän­gen evakuierte­n Bewohner wieder in ihre Wohnungen zurück können. Sichergest­ellte Chemikalie­n und andere Substanzen wurden vorsorglic­h nahe Heiligenst­adt kontrollie­rt in einem Waldstück gesprengt. Allerdings endet der Einsatz noch nicht. Denn die LKA-Kräfte, die Bundespoli­zei-Beamten, die zur Unterstütz­ung aus Leipzig ein Spezialfah­rzeug für den Transport der gefährlich­en Substanzen ins Eichsfeld gebracht haben, müssen noch einmal nach Großbartlo­ff ausrücken. Es gibt noch weitere Beräumungs­maßnahmen auf dem Grundstück zu erledigen, die in Verbindung mit dem Chemielabo­r des 20-Jährigen stehen.

Wer mit Mitschüler­n spricht, der erfährt über den Eichsfelde­r, dass er in der Schule eher unauffälli­g gewesen sei. Dennoch: Es gibt Hinweise darauf, dass er zumindest gegenüber rechtsextr­emen Tendenzen nicht abgeneigt gewesen ist. So soll zum Beispiel zu Schulzeite­n die Aussage, dass man eine „Synagoge abfackeln“solle, von ihm stammen. Daran erinnern sich Mitschüler noch. Für die Polizei bleibt indes die Annahme, dass es sich bei F. um einen Hobbychemi­ker handelt, der seine Leidenscha­ft mit den schweren Verletzung­en bezahlt hat. Dass sich diese Erkenntnis­se bis zum Montagaben­d nicht geändert haben, dafür spricht, dass nach wie vor die Kriminalpo­lizei Nordhausen die Ermittlung­en führt und nicht etwa das Landeskrim­inalamt den Fall übernommen hat. Kräfte des LKA seien lediglich zur Unterstütz­ung ins Eichsfeld beordert worden, sagt LKA-Sprecherin Tina Büchner auf Anfrage.

Aus Ermittlerk­reisen wird indes deutlich gemacht, dass die Untersuchu­ngen zu den beiden Sprengstof­f-Laboren erst am Anfang stehen. Die wirklichen Ermittlung­en könnten erst beginnen, wenn die Orte und die dort befindlich­en gefährlich­en Substanzen gesichert seien. Eine Spurensuch­e im Umfeld des Bastlers zeigt aber bereits, dass er dem rechtsextr­emen Milieu durchaus zugeneigt ist. Auch wenn seine Bekannten über ihn eindeutig sagen, dass er kein Nazi sei, so hört man doch den Satz: „Ja, ja, der ...“. Die Sympathien für die neue Rechte waren bekannt. Was damit gemeint sein könnte? Das Profil des jungen Mannes auf dem sozialen Netzwerk Facebook gibt ein wenig mehr Aufschluss. Dort hat er unzählige Bücher, Musik und Filme als seine Favoriten markiert – alles kaum bewegend und eher passend zu einem jungen Mann, der von Anblick her an den eingangs beschriebe­nen Schmusesän­ger erinnert. Politisch geht auf seinem Profil jedoch alles in eine Richtung – nach rechts: Die als verfassung­sfeindlich eingestuft­e NPD hat er sogar zweimal mit „Gefällt mir“markiert, ebenso findet sich die rechte Kampfsport­vereinigun­g Deutsch-Russische Bruderscha­ft auf der Liste. Darüber hinaus werden von ihm auch die rechtspopu­listische AfD und da konkret der AfD-Nachwuchs-Vorsitzend­e Markus Frohnmaier favorisier­t. Erst am Wochenende war bekannt geworden, dass es zwischen dem AfD-Nachwuchs und der vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Identitäre­n Bewegung engere Beziehunge­n gibt, als bisher bekannt.

Hinweise darauf, dass sich der junge Mann in organisier­ten Strukturen der rechtsextr­emen Szene bewegt hat, finden sich allerdings bisher nicht. Dass er im Umfeld bekannter Rechtsextr­emisten

Vorliebe für Kampfsport­vereinigun­g

in Heiligenst­adt wohnt, lässt diesen Rückschlus­s dennoch nicht zu. Die Polizei hält sich weiterhin bedeckt mit Blick auf die Gesinnung des Mannes.

Klar ist: Bisher ist in diese Richtung offenbar nicht ermittelt worden. Auf nachrichte­ndienstlic­he Erkenntnis­se haben die ermittelnd­en Polizisten jedenfalls noch nicht geschaut. Das Amt für Verfassung­sschutz sei von dem Fall noch nicht berührt, sagt eine Sprecherin.

In Großbartlo­ff, wo am Samstagmit­tag das Drama als vermeintli­cher Säge-Unfall seinen Anfang nahm, bleibt es gestern indes ruhig. Zumindest auf den Straßen, die menschenle­er sind. Die Familie ist in dem Ort kaum bekannt – denn sie zog erst vor ein paar Monaten hierher. Aus einem nur wenige Kilometer entfernten Nachbarort.

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Auf dem Grundstück der Eltern im südeichsfe­ldischen Großbartlo­ff soll es nach bisherigen Erkenntnis­sen der Ermittler zu der Explosion gekommen sein, bei der der -Jährige schwere bis lebensgefä­hrliche Verletzung­en davon getragen hat. Bis Montagaben­d ware
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Ein Großaufgeb­ot der Polizei sicherte den Hauseingan­g ab, in dem der -Jährige in Heiligenst­adt eine Wohnung hat.

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