Thüringische Landeszeitung (Jena)

Neuer Kollege Roboter

Auf der Hannover Messe zeigen Firmen Lösungen für die Arbeit der Zukunft. Maschinen kooperiere­n mit Menschen

- VON GUIDO WALTER

HANNOVER. Scheu vor Robotern kennt die Naturwisse­nschaftler­in Angela Merkel offenbar nicht. Auf ihrem Rundgang zum Start der Hannover Messe jedenfalls lässt die Kanzlerin beim Hersteller Festo ihren Arm von der tentakelar­tigen Extremität eines Roboters greifen. Bei Siemens bestaunt sie nicht nur die Beweglichk­eit eines Spinnenbot­s, sondern auch eine ihr nachempfun­dene Figur aus dem 3-D-Drucker. „Was kann der so?“, fragt die CDU-Politikeri­n dann am Stand des Hersteller­s Kuka und zeigt dabei auf einen Roboterarm.

Mensch und Roboter kommen sich auf der größten Industries­chau der Welt viel näher als bisher. Die Mensch-Maschinen werden geradezu kuschelig, etwa der Ironman von Magnetbau Schramme, der Besucher umarmt. Festo zeigt neben dem Krakenarm auch einen pneumatisc­hen Leichtrobo­ter, der feinfühlig­e Bewegungen ausführt.

„Unser Roboter kann gemeinsam mit einem Menschen am gleichen Werkstück arbeiten, weil er sehr sicher und nachgiebig gestaltet ist“, sagt Elias Knubben, Leiter Corporate Bionic Projects bei Festo. Der große Unterschie­d zu anderen Robotern sei die Verwendung von komprimier­ter Luft als Antriebsme­dium. „Durch die stufenlose Einstellun­g der Kraft kann sich der Roboter ganz ähnlich wie ein Mensch bewegen“, glaubt Knubben. Befehle des mitarbeite­nden Menschen nimmt der Cobot („collobarat­ive robot“, mitarbeite­nder Roboter) über die grafische Oberfläche eines Tablets entgegen.

Ein Anblick, der in einigen Jahren in deutschen Industrieu­nternehmen nach Vorstellun­g der Entwickler die Regel sein sollte. „In der Fabrik der Zukunft werden Menschen und Roboter Hand in Hand arbeiten“, sagt Stefan Aßmann, Leiter Bosch Connected Industry, auf der Hannover Messe. „Schon heute können intelligen­te Assistente­n selbststän­dig lernen und dem Menschen eintönige, gefährlich­e und anstrengen­de Arbeiten abnehmen.“

Dass die Cobots besonders achtsam und feinfühlig agieren, demonstrie­rt Bosch mit einem Roboterarm, dessen Sensoren die Nähe eines Menschen erfassen und der seine Bewegung schon vor dem Kontakt abbricht. Das ist neu, denn Industrier­oboter halten gewöhnlich erst bei direkter Berührung inne.

Festo entwickelt­e in einem von der EU-Kommission geförderte­n Forschungs­projekt bereits einen Ernte-Roboter. Die Greifer erkennen mithilfe von Kameras und weiterer Sensorik nicht nur die Position der Früchte, sondern auch ihren Reifegrad. Halbreife und überreife Früchte lässt Kollege Ernterobot­er hängen.

Die Angst, ihr Job könnte in Zukunft von einem Roboter übernommen werden, ist bei Deutschlan­ds Beschäftig­ten noch nicht verbreitet. Bei einer Umfrage von TNS Infratest im Auftrag der EU-Kommission gaben 72 Prozent der Befragten an, „überhaupt keine Angst“davor zu haben. Nur sieben Prozent erwarteten, dass Roboter ihren Job in der Zukunft „vollständi­g“oder „größtentei­ls“erledigen.

Das wird sich wahrschein­lich ändern. Denn in der gerade laufenden Welle der industriel­len Revolution (Industrie 4.0) soll es auch Angestellt­e treffen. Sieben Millionen Stellen stehen zur Dispositio­n, wobei einer Umfrage zufolge im Gegenzug bis 2020 allerdings auch zwei Millionen neue Stellen für Computersp­ezialisten und Techniker geschaffen werden sollen. Deutschlan­d mit seiner starken Autoindust­rie ist von diesem Umbruch besonders betroffen.

Deutlich zeigt sich der Boom beim weltweiten Absatz von Industrier­obotern. Wurden 2009 weltweit 60 000 Industrier­oboter verkauft, waren es 2015 bereits 254 000. Für 2018 wird ein weltweiter Bestand von rund zwei Millionen Industrier­obotern vorhergesa­gt. Und die Preise fallen. Die kuschelige­n Zeiten mit den netten Cobots am Arbeitspla­tz gehören dann wohl der Vergangenh­eit an.

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Foto: dpa/Friso Gentsch Ein „Ironman“-Roboter von Magnetbau Schramme umarmt einen Messebesuc­her.
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Auf ihrem Rundgang hielt Kanzlerin Angela Merkel auch beim Druckluft-Spezialist­en Kaeser an, der unter anderem ein Werk in Gera betreibt. Foto: Kaeser

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