Thüringische Landeszeitung (Jena)

Mehr Gewalt, weniger Einbrüche

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière sieht in der polizeilic­hen Kriminalst­atistik für 2016 „Licht und Schatten“

- VON CHRISTIAN KERL

BERLIN. Mehr Mord und Totschlag in Deutschlan­d, auch andere Gewaltdeli­kte und politisch motivierte Straftaten nehmen zu – aber anderersei­ts werden weniger Wohnungsei­nbrüche, Ladendiebs­tähle und Betrugsdel­ikte gemeldet: Die bundesweit­e Bilanz der Polizei für das vergangene Jahr ist durchmisch­t. Als Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag die polizeilic­he Kriminalst­atistik für 2016 vorstellte, sprach er von „mehr Licht und Schatten“bei der Kriminalit­ätslage als in früheren Jahren.

De Maizière machte aus seiner Besorgnis über die steigende Zahl der Gewaltdeli­kte allerdings keinen Hehl: Er wertete diese Zahlen als „Weckruf an uns alle“– die gesamte Gesellscha­ft, nicht nur Polizei und Justiz, müsste der zunehmende­n Verrohung entgegentr­eten. Dennoch: Insgesamt habe die Zahl der Straftaten trotz eines Anstiegs der Bevölkerun­g im vergangene­n Jahr nur geringfügi­g um 0,7 Prozent auf 6,37 Millionen zugenommen. Zieht man ausländerr­echtliche Verstöße (unerlaubte Einreise, illegaler Aufenthalt) ab, ergibt sich sogar ein Rückgang um 0,7 Prozent. Die wichtigste­n Trends:

Gewaltkrim­inalität: Die Gewalt in Deutschlan­d nimmt deutlich zu, die Statistik weist ein Plus von 6,7 Prozent auf insgesamt 193 000 Fälle aus. Am häufigsten kam es zu gefährlich­er und schwerer Körperverl­etzung (plus zehn Prozent). Aber auch die Fälle von Mord und Totschlag nahmen zu, sogar um 14 Prozent auf 2418 – jedoch blieb es hier in der Mehrzahl beim Versuch, 876 Opfer kamen ums Leben. Auch die Fälle von Vergewalti­gung und sexueller Nötigung stiegen um fast 13 Prozent auf 7919. Die Entwicklun­g „muss uns allen Sorge bereiten“, sagte de Maizière. „Wir müssen Respekt, Maß und Gewaltlosi­gkeit in unserer Sprache und unserem Handeln wieder mehr zur Geltung bringen.“Es sei etwas „ins Rutschen geraten“, wie auch die wachsende Zahl von Übergriffe­n auf Polizisten und Rettungskr­äfte zeige.

Einbruch und Diebstahl: Die Zahl der Wohnungsei­nbrüche ging zum ersten Mal seit vielen Jahren zurück – um 9,5 Prozent auf 151 000 Fälle. Auch die Diebstahls­kriminalit­ät, die über ein Drittel aller Straftaten ausmacht, sank um mehr als vier Prozent, bei Taschendie­bstählen macht der Rückgang zwei Prozent aus. De Maizière sah die Entwicklun­g als Bestätigun­g polizeilic­her Bemühungen und verbessert­er Vorbeugung: Immer mehr Einbrüche scheitern beim Versuch.

Betrug: Hier gab es einen deutlichen Rückgang um sieben Prozent auf 899 000 Fälle. Besonders stark gingen der Überweisun­gsbetrug (minus 24 Prozent) und der Tankbetrug (minus zehn Prozent) zurück. Auch bei der Wirtschaft­skriminali­tät melden die Behörden eine Abnahme um 5,6 Prozent.

Internetkr­iminalität: Die Polizei registrier­te fast 108 000 Fälle, eine Steigerung um über ein Drittel – allerdings ist der Vergleich wegen Änderung der Statistik ungenau. Besonders stark nahm Computersa­botage zu, aber auch das Ausspähen und Abschöpfen von Daten.

Politische Kriminalit­ät: Die Zahl der rechten Straftaten hat mit 23 555 Fällen (plus 2,6 Prozent) einen neuen Höchststan­d erreicht, wobei Propaganda­delikte das häufigste Delikt waren. Die Kriminalit­ät von links sank demnach 2016 um 2,2 Prozent auf 9389 Straftaten. Jedoch lagen die Zahlen der politisch motivierte­n Gewalttate­n im rechten und linken Spektrum bei jeweils rund 1700. Eine massive Steigerung um 66,5 Prozent registrier­te die Polizei bei politisch motivierte­r Ausländerk­riminalitä­t, hinter der „importiert­e Ideologien“stünden – hier wurden 3372 Straftaten gezählt. Zudem verzeichne­ten die Behörden mit 10 751 mehr Fälle von Hasskrimin­alität, vor allem mit fremdenfei­ndlichem Hintergrun­d. Eine Entspannun­g sei schon wegen der Wahlen in diesem Jahr nicht zu erwarten, hieß es.

Drogen: Die Zahl der Rauschgift­delikte ist gestiegen, rund 300 000 Fälle (plus sieben Prozent) wurden registrier­t. Bei über der Hälfte ging es um Cannabis (plus 8,5 Prozent).

Regionen: Rechnet man Verstöße gegen das Ausländerr­echt heraus, ist Bayern das sicherste Bundesland mit 4785 Straftaten je 100 000 Einwohner. In Thüringen sind es 6767 Fälle auf 100 000 Einwohner (Platz sechs). Am anderen Ende der Rangliste liegt Berlin (16 126 Straftaten), gefolgt von Bremen und Hamburg. Nordrhein-Westfalen ist neben Sachsen-Anhalt das Flächenlan­d mit der höchsten Kriminalit­ät mit jeweils mehr als 8000 Fällen auf 100 000 Einwohner. Die zweithöchs­te Aufklärung­squote hat Thüringen mit 63,8 Prozent.

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Raubüberfa­ll auf eine Filiale der Deutschen Bank in Berlin im vergangene­n Jahr: Die Polizei rückt vor. Foto: imago stock

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