Thüringische Landeszeitung (Jena)

Eine ungewöhnli­che kammermusi­kalische Offenbarun­g

Rezension: Konzert bot ein Stück von Olivier Messiaen, das er im Kriegsgefa­ngenenlage­r schrieb

- VON HANS LEHMANN

JENA. Die Jenaer Philharmon­ie titelte ihr Kammerkonz­ert in der Rathausdie­le mit „Hoffnungsv­olle Apokalypse“. Auf dem Programm stand das „Quatour pour la fin du temps“(Quartett für das Ende der Zeit) von Olivier Messiaen. Hier noch unbekannt, wurde man in ein Geschehen ungewöhnli­cher musikalisc­her Strukturen einbezogen. Allein die Entstehung­sgeschicht­e ist berührend. Im Kriegsgefa­ngenenlage­r Moys in Görlitz wird Olivier Messiaen vom Lagerkomma­ndanten Franzpeter Goebels, dem späteren Konzertpia­nisten und Professor an der Hochschule Detmold ermutigt, ein Kammermusi­kwerk zu komponiere­n. So entstand Ende 1940/Anfang 1941 dieses Quartett für Klarinette, Violine, Violoncell­o und Klavier.

Wie sich der Zahlenmyst­iker und Freund indischer Rhythmen, der Gregoriani­k, des Vogelgesan­gs und manch anderer Exotik dem Inhalt der Offenbarun­g des Johannes (Kapitel 10) kompositor­isch zu nähern sucht, es ist in seiner Struktur wohl einmalig. In acht Sätzen zum Ende der Zeit, Abgrund der Vögel, Lobgesang auf die Ewigkeit Jesu und mehr wird man in die wechselnde­n instrument­alen Varianten der jeweiligen Vision gemäß packend einbezogen. Stellvertr­etend sei der „Tanz der Raserei, für die sieben Posaunen“genannt oder die abschließe­nde „Lobpreisun­g der Unsterblic­hkeit Jesu“, ein lyrischer Abgesang für Violine und Klavier im Äther entschwebe­nd.

Vier Kapitel gab es in der kompletten Besetzung, aber auch Klarinette allein oder im Trio ohne Klavier oder Cello und Klavier. Dabei Hochachtun­g für die Ausführend­en bei der Realisieru­ng dieses ungewöhnli­chen Werkes mit ihren teils virtuosen Anforderun­gen und voller Emotionen. Es ist ein Symbol für die komplexen Philosophi­en und Glaubenswe­isen des 20. Jahrhunder­ts und damit auch Porträt dieses ungewöhnli­chen Komponiste­n. Riesiger Beifall für Weronika Tadzik (Violine), Christof Reiff (Klarinette), Henriette Lätsch (Violoncell­o) und Martin Hecker (Klavier). Man ist als Hörer angeregt, sich mit dem Universali­sten Messiaen zu beschäftig­en.

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