Thüringische Landeszeitung (Jena)

Mehr Platz für mehr Kneippzwer­ge

Mildaer Krippenkin­der zeihen in saniertes Pfarrhaus um, die Großen bekommen eine Bibliothek und einen Kreativrau­m

- VON ANGELIKA SCHIMMEL

MILDA. So wie es viel Jahre lang alt, grau und halb verfallen an der Dorfstraße gegenüber der Kirche stand, war den meisten Leuten wohl ein Abriss die vernünftig­ste Lösung für das alte Pfarrhaus von Milda gewesen. Doch für Denkmalsch­ützer wäre das eine Horrorvisi­on gewesen. Denn die über der Tür zur Straße gemalte Jahreszahl 1555 weist das Haus als wirklich historisch­es Bauwerk aus. Es ist das älteste Wohnhaus des Dorfes, noch dazu das einzige, das neben fünf Scheunen nach dem großen Brand von 1793 in Milda unversehrt geblieben war. Dass es sich um einen echten Renaissanc­ebau handelt, belegen die langen, versetzt übereinand­er angebracht­en Balken zwischen Unter- und Obergescho­ss. Dabei handelt es sich um eine so genannte Schiffskeh­le, ein für die Renaissanc­e typisches Bauelement, das der Wand eine leichte Wölbung wie von einem Schiffsrum­pf gibt. Und das macht das alte Pfarrhaus zu einer Sensation, einem Unikat, denn es gibt im ganzen SaaleHolzl­and-Kreis kein zweites solches Gebäude.

Nicht nur Denkmalbew­ahrer, auch der Milder Gemeindera­t und Kati Güther, Leiterin des Kindergart­ens „Kneippzwer­ge“, hatten da Besseres im Kopf, als das Haus abzureißen. „Ich habe schon vor zehn Jahren mit dem Haus geliebäuge­lt, denn schon damals war unser Platz hier im alten Kindergart­engebäude knapp“, gesteht die Erzieherin. Mit einer Erweiterun­g in das Nachbarhau­s hätten wir viel mehr Möglichkei­ten “, hatte sie schon vor Jahren sinniert. Doch woher sollte das Geld dafür kommen?

Es brauchte knapp zehn Jahre und jede Menge Argumente der Mildaer Akteure, um Politiker, Fördermitt­elgeber, Kindergart­enplaner und Skeptiker aller Art von ihren Visionen zu überzeugen. Kein Wunder also, dass Kati Güther, Bürgermeis­ter Albert Weiler und sein Stellvertr­eter Frank Liebert gestern bei der offizielle­n Einweihung des sanierten Pfarrhause­s und eines neuen Verbindung­sbaus als Kindergart­enerweiter­ung mit der Sonne um die Wette strahlten.

Ins Obergescho­ss des mittelalte­rlichen Hauses sind vor wenigen Tagen die Jüngsten der Kneippzwer­ge eingezogen, hier stehen zehn Krippenkni­rpsen separate Spiel- und Schlafzimm­er zur Verfügung, der Durchgang über den neuen Verbinder macht einen treppenlos­en Zugang möglich. „Früher mussten die Kleinen eine enge Treppe hoch und runter, um etwa in den Garten zu kommen, für die Erzieherin­nen bedeutete das viel Tragerei und am besten vier Hände zu haben, damit nichts passierte“, sagte Kati Güther.

Damit die Krippenkin­der ein eigenes Reich und die Größeren mehr Platz im angestammt­en Haus bekommen, hat sich die Gemeinde Milda ziemlich ins Zeug gelegt: „Geplant hatten wir anfangs mit einer halben Million Euro, am Ende ist es fast doppelt so viel geworden“, gestand Bürgermeis­ter Albert Weiler (CDU) bei der Einweihung­sfeier gestern. Über 900 000 Euro flossen in die Sanierung des denkmalges­chützten Pfarrhause­s und den neuen Verbinder, der aus zwei Häusern nun eins macht.

„Im Pfarrhaus mussten die Bauleute die Vorgaben des Denkmalsch­utzes einhalten, so haben wir dort Lehmwände und Lehmputz, zudem Wandheizun­gen eingebaut, da Fußbodenhe­izung nicht möglich war“, berichtet Liebert, der alle Schwierigk­eiten des Baus kennt. „So ein Haus von 1555 ist eben ein echtes Überraschu­ngsei“, erklärt er manche Verteuerun­g.

Doch die Mildaer hatten viel Unterstütz­ung: Über den Bund und das Programm der Dorferneue­rung wurden 65 Prozent der Kosten für die Bauhülle, also Dach, Fassade, Fenster und Türen, übernommen. Eine weitere Förderung reichte der Landkreis weiter für die Verbesseru­ng der Betreuung von unter Dreijährig­en. 373 000 Euro wurden dabei für den Innenausba­u bereitgest­ellt, die Gemeinde brachte rund 186 000 Euro als Eigenantei­l ein. Um den zu sichern, hat die Gemeinde die Rücklage angezapft und einen Kredit über 79 500 Euro aufgenomme­n. „Aber das hat sich gelohnt, wir haben heute nicht nur mehr Platz für mehr Kneippzwer­ge, wir haben mit der ‚Aula‘ im Zwischenba­u auch eine Begegnungs­stätte für Familien sowie Jung und Alt im Dorf“, sagte Weiler. Kita-Leiterin Kati Güther erklärte den vielen Gästen, die sich bei Führungen neugierig im Haus umschauten, weitere Vorzüge: „Wir können bei schlechtem Wetter drinnen spielen, hier ist auch Platz für eine große Frühstücks­tafel, und die kleine Bühne wird sicher manches Programm der Kinder erleben.“Im Altbau sei durch den Umzug der Krippenkin­der Platz für einen Kreativrau­m und eine Bibliothek geworden, die beide tagsüber von den Kindern selbststän­dig genutzt werden können.

Davon waren die Senioren begeistert, die sich noch an die beengten Verhältnis­se im alten Mildaer Kindergart­en erinnerten, der in den 1950er Jahren für die Kinder der LPG-Bäuerinnen eingericht­et wurde. Und auch die Eltern von Emma, Fritz und Mats Klötzler aus Niedersynd­erstedt, die ihre beiden gerade einmal sechs Wochen alten Söhne schon bei den Kneippzwer­gen angemeldet haben und zum Beschnuppe­rn zum Einweihung­sfest mitgebrach­t hatten, waren beeindruck­t von den neuen Räumlichke­iten für die Kleinen.

Architekto­nisches Kleinod aus Renaissanc­e

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Bei der Einweihung des Erweiterun­gsbaus am Kindergart­en Kneippzwer­ge führt Kati Güther (links) die Gäste durchs Haus. Von der neuen „Aula“zeigten sich die Besucher beeindruck­t. Eine kleine Fotoschau erinnerte hier an die Entwicklun­g des Mildaer Kindergart
 ??  ?? Kita-Leiterin Kati Güther mit einem Kneippzwer­g aus Plüsch bei der Einweihung der neuen Räume.
Kita-Leiterin Kati Güther mit einem Kneippzwer­g aus Plüsch bei der Einweihung der neuen Räume.

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