Thüringische Landeszeitung (Jena)

Weiterer Versuch, einen der Kindermord­e von Jena zu klären

Tatortreko­nstruktion soll Ermittler einen Schritt weiterbrin­gen – Die Akte Bernd B. hat auch mögliche Bezüge zum NSU

- VON KAI MUDRA

JENA. Die Polizei unternimmt heute einen weiteren Anlauf, einen Kindsmord von 1993 in Jena aufzukläre­n. Der Tod des damals neunjährig­en Bernd B. beschäftig­te die Kriminalis­ten in den vergangene­n Jahren immer wieder, auch weil der Fall bereits den NSU-Prozess in München tangierte. 2014 zeigte sich, dass ein früherer Kumpel des Rechtsterr­oristen Uwe Böhnhardt, damals einer der Hauptverdä­chtigen war. Selbst Böhnhardt geriet ins Visier der Ermittler.

Ein Alibi für die mutmaßlich­e Tatzeit hatte der im November 2011 Verstorben­e nicht. Das geht aus jüngst bekanntgew­ordenen Unterlagen zu den Ermittlung­en hervor. Bernd B. verschwand am 6. Juli 1993 und wurde gegen Mittag am des 18. Juli von spielenden Kindern in Jena-Lobeda am Saaleufer gefunden. Da war der Junge da bereits seit Tagen tot.

Im Vorjahr erregte dann der Fund eines Stofffetze­ns mit dem genetische­n Fingerabdr­uck des mutmaßlich­en Rechtsterr­oristen erneut die Aufmerksam­keit der Ermittler.

Ausgerechn­et am Fundort der sterbliche­n Überreste von Peggy im fränkisch-thüringisc­hen Grenzgebie­t tauchte die Spur zu Böhnhardt auf. Es war plötzlich der zweite Kindsmord mit einem Hinweis zur NSU-Terrorzell­e.

Die Staatsanwa­ltschaft Bayreuth schließt inzwischen aus, dass der DNA-Fund mit dem Tod der Schülerin aus dem fränkische­n Lichtenber­g zu tun haben könnte. Das Mädchen war im Mai 2001 auf dem Heimweg verschwund­en. Der Stofffetze­n soll dagegen von einem Kopfhörer aus dem NSU-Wohnmobil stammen, dass im November 2011 bei Eisenach von der Polizei entdeckt wurde und in dem sich die Leichen von Böhnhardt und Uwe Mundlos befanden. Laborunter­suchungen versuchen derzeit zu klären, wie das Stück Soff an den Fundort mitten im Wald gelangte. Bayerische Ermittler vermuten ein verunreini­gtes Arbeitsger­ät der Tatortgrup­pe des Thüringer Landeskrim­inalamtes (LKA). Das aber ist noch nicht bewiesen.

Dagegen führten Jenaer Kriminalis­ten noch 1998 den früheren Kumpel von Böhnhardt als Verdächtig­en. Auf ihn gestoßen waren die Ermittler, weil wenige Meter vom Fundort des toten Kindes entfernt ein Bootsmotor gelegen hatte. Das dazugehöri­ge Schlauchbo­ot fehlt bis heute.

Böhnhardts Kumpel soll den Motor in einer seiner Vernehmung­en erkannt, eine Tatbeteili­gung aber bestritten haben.

Im Jahr 2012 vernahm ihn das Bundeskrim­inalamt (BKA) im Zuge der NSU-Ermittlung­en, da der Weg der NSU-Mordwaffe geklärt werden sollte. Zum Mord an Bernd B. soll dieser gesagt haben, dass ihm jemand die Tat in die Schuhe schieben wollte und verdächtig­te Böhnhardt.

Allein bis Sommer 1998 überprüfte­n die Ermittler etwa 800 Personen. Böhnhardts Kumpel blieb der Hauptverdä­chtige.

Ende 2002 und 2003 erfolgten dann DNA-Analysen und Vergleiche. Auch diese Untersuchu­ngen führten zu keinem Täter. Zwei Haare, die am Tatort gesichert wurden, ließen sich nicht zuordnen und sind inzwischen nicht mehr verwertbar.

Vielleicht bringt die heutige Tatortreko­nstruktion die Ermittler einen Schritt weiter.

Etwa 800 Personen wurden überprüft

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