Thüringische Landeszeitung (Jena)
Im Heimathafen
Wenn früher bei Capri die rote Sonne im Meer versank und die Fischer in ihren Booten hinausfuhren zu schwerem Fang, dann standen ihre Frauen am Ufer und blickten ihnen lang undbangnach.Dashaben Fischerfrauen an allen Ufern der Welt so gemacht, aber nirgends sonst ist es so hübsch besungen worden. Die Härte des Existenzkampfes spiegelt sich darin, die Gefahren & Tücken der See und natürlich die Liebe.
Das ist bis heute so, wenngleich die Abschiede des Fischers von sin Fru auf der Schleizer Seenplatte nie so herzzerreißend gewesen sind. Auf den Nordseeinseln aber ist es bis heute so, dass deren Bewohner, wenn sie die Fähre hinüber zum Festland nehmen, um Behördenwege zu erledigen oder sich bei Ikea umzusehen ... also dann verabschieden sie sich von ihren Liebsten und Freunden mit der Mitteilung: Ich fahre nach Deutschland, moin!
Die Fähre hat noch gar nicht abgelegt, da zittert in ihrer Stimme schon das alte Wissen, dass wir auf See – und vor Gericht! – alle in Gottes Hand sind. Vor allem aber haben sie Heimweh. Sie hängen an ihrem Eiland. So viele es von ihnen aus Gründen der Sehnsucht oder wirtschaftlichen Erwägungen auch in die Ferne zieht, etwa jeder Vierte kehrt irgendwann dorthin zurück. Im Eichsfeld geht es sogar fast jedem dritten so, wie die aktuelle DeutschlandKarte des ZeitMagazins herausgefunden hat. Es ist schon eine merkwürdige Sache mit der Sehnsucht nach der Sehnsucht und der Heimat und dem Heimweh. Bei manchen fliegen dabei schon mal die Sicherungen ’raus.
Die durchgeknallten „Reichsbürger“zum Beispiel suchen ihre Heimat in einem längst untergegangenen Phantom. Das ist ungefähr so, als wollte man aus dem Ungeheuer von Loch Ness ein schwarzweißrotes Kuscheltier mit KaiserWilhelmBart machen.
Dagegennehmensichdie 22 Prozent der Thüringer, die sich laut Erhebung eines Meinungsforschungsinstituts die Unabhängigkeit des Freistaates von der Bundesrepublik Deutschland wünschen, in ihrer kleinteiligen Vaterlandsliebe fast schon liebenswert aus.
Natürlich ließe sich auch dagegen etwas einwenden, aber es wäre immerhin noch die konsequenteste Variante der immer noch anstehenden Gebietsreform. Und wenn Thüringen dann Mitglied der Europäischen Union ist und mit dem Vorsitz im Europarat dran – also das kann einen auf seine engere Heimat schon stolz machen.
Welch ein Bild: Am Ufer der Saale hellem Strande steht Frau Fischer und singt dem Dienstwagen nach Brüssel wie einst Freddy Quinn bang hinterher: Junge komm bald wieder...