Thüringische Landeszeitung (Jena)
Politik: Autoindustrie muss Kartellvorwürfe aufklären
Der SPDKanzlerkandidat und die Grünen befürchten einen „ungeheuerlichen Vorgang“und machen Druck. EUKommission und Bundeskartellamt ermitteln
BERLIN. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz fordert wegen des Verdachts rechtswidriger Absprachen Aufklärung von den deutschen Autoherstellern. „Wenn sich die Kartellvorwürfe bestätigen sollten, wäre das ein ungeheuerlicher Vorgang. Es wäre ein gigantischer Betrug zulasten der Kunden und der oftmals mittelständischen Zulieferunternehmen“, sagte Schulz am Sonntag. „In diesem Fall müssen die verantwortlichen Manager die Konsequenzen tragen. Deshalb ist jetzt eine rasche Aufklärung gefragt.“Keinesfalls dürfe das Problem zulasten der Arbeitnehmer gehen. Diese hätten weder Kartellabsprachen getroffen noch den Dieselbetrug zu verantworten.
Dem Magazin „Spiegel“zufolge haben sich die fünf führenden deutschen Marken – VW, Audi, Porsche, BMW und MercedesBenz – seit den 90er-Jahren in geheimen Zirkeln über die Technik ihrer Fahrzeuge, über Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abgesprochen. Dies betraf offenbar auch die Abgasreinigungssysteme, bei denen man sich auf eine kleine Auslegung geeinigt habe, um Geld bei der Herstellung zu sparen. Treffen die Vorwürfe zu, könnte es sich um eines der größten Kartelle der deutschen Wirtschaftsgeschichte handeln. Die EU-Kommission zeigte sich alarmiert und prüft den Fall.
Die Grünen fordern eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses im Bundestag. Das Gremium müsse noch vor dem „Nationalen Forum Diesel“in Berlin am 2. August informiert werden, sagte GrünenVerkehrsexperte Oliver Krischer. Bei dem Treffen wollen Bund, Länder und Autokonzerne über konkrete Schritte gegen zu hohe DieselAbgaswerte beraten. Beantragt werde angesichts der weiterreichenden Kartellvorwürfe nun „eine kurzfristig einzuladende Sondersitzung für Ende Juli“, kündigte Krischer an. Man wolle so Klarheit über die möglichen „Machenschaften des Autokartells“bekommen, die – sollten sie sich bestätigen – „ungeheuerlich“seien, wie auch Krischer sagte. „Das Ganze entwickelt sich zur Fortsetzung des Abgasskandals in neuer Dimension.“Der VW-Betriebsrat will angesichts der Berichte über Kartellabsprachen in der Autobranche möglichst rasch die Mitglieder des Aufsichtsrats zusammenrufen. (rtr/dpa)