Thüringische Landeszeitung (Jena)

Die Seufzer der polnischen Seele

Meisterkur­sKonzert: Gelungener ChopinAben­d von Janina Fialkowska lässt dennoch einige Wünsche offen

- VON URSULA MIELKE

WEIMAR. So sehr ich mich auf den Chopin-Abend von Janina Fialkowska, welche neben dem israelisch­en Pianisten Arie Vardi heuer ihr Unterricht­sdebüt bei den Weimarer Meisterkur­sen gibt, gefreut habe, so sehr ging ich mit gemischten Gefühlen, eher enttäuscht aus diesem Konzert im Festsaal des Fürstenhau­ses.

Polonaisen, Nocturnes, Balladen, Walzer, Scherzos und Mazurkas – die Absicht hinter dem ProgrammMi­x war nicht von vorherein klar erkennbar. Wollte die von Arthur Rubinstein geförderte Pianistin, die 1951 in Montreal geborene Tochter einer Kanadierin und eines eingewande­rten polnischen Offiziers, etwa einen kompletten Chopin-Kosmos aufzeigen? Dies wäre ein höchst ehrenwerte­s, aber äußerst komplizier­tes Anliegen, das aber – pardon – wohl nur eine Vollblutpo­lin mit entspreche­ndem Sentiment und Nationalst­olz gelingen könnte. Janina Fialkowska, die sich vor einigen Jahren aufgrund einer Erkrankung ihres linken Armes das Konzertier­en verbieten musste, wollte mit ihrem Weimarer Auftritt vor allem eines zeigen: Ich bin wieder da, ich bin in der Lage alle technische­n Hürden der Werke zu meistern, nicht nur bei dem berühmten, 87 Sekunden dauernden Minuten-Walzer. Ich gestalte bewusst, ich kalkuliere und beherrsche das Verhältnis von Virtuositä­t und schlicht singenden Themen sehr genau. Wenn dies ihr Ziel war, hat sie es – bedankt durch starken Beifall des Publikums – wirklich erreicht.

Doch insgesamt lugte aus den Chopin-Interpreta­tionen der sich auch für zeitgenöss­ische polnische Komponiste­n einsetzend­en Pianistin zu viel Liszt hervor. Und das schafft Distanz! Zwar konnte die Fialkowska beispielsw­eise mit der zweiten Ballade in F-Dur op. 38 und dem heiter-gelösten Beginn, den schönen MollFärbun­gen sowie mit der ins Furiose schroff wechselnde­n Textur beeindruck­en, zwar gelang ihr mit den drei Mazurkas op. 50 eine stille, deliziöse Gestaltung, doch ihrem Spiel fehlten insgesamt die für Chopin typischen, emotional motivierte­n Rubati, also jene tiefen Seufzer der polnischen Seele.

In diesem Sinne teilt Janina Fialkowska das Schicksal vieler Pianisten: Sie machen alles richtig und erreichen doch nicht die Herzen.

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