Thüringische Landeszeitung (Jena)
Die Universität hatte eine eigene Fähre
„Jena hat neuerdings Spielplätze von einer Ausdehnung und Schönheit erhalten, wie sie in Deutschland ihresgleichen suchen“
JENA. Die gegenwärtig laufende Ausstellung „Jena und die Saale im Wandel der Zeit“beinhaltet eine Vielzahl von interessanten historischen Themen, darunter auch zum „Sport“auf der Saale. Rudern, Kanu fahren, Schwimmen und manchmal Eislauf werden dabei mit angesprochen. Für Jenas Sportlandschaft ist aber noch bedeutender, dass die meisten „Sportplätze“sich in der Saaleaue entwickelt haben. Sie liegen fast alle auf der östlichen Seite des Flusses. Die dortigen Wiesen gehörten um 1900 nicht zur Stadt Jena. Das hatte den Vorteil, dass die Grundstückpreise hier weitaus niedriger lagen. Das war ein Hauptgrund für Hermann Peter, dass er mit seinem „Spielplatzverein“ab 1893 gegenüber dem Rasenmühlenwehr schrittweise mehrere Hektar Land erwarb. Ein Problem dabei war, dass man, um zu den Sportplätzen zu kommen, die nächste verfügbare Brücke, die nach Camsdorf/Wenigenjena führte, nutzen musste. So waren von der Stadtmitte bis zu den Plätzen ca. drei Kilometer zu laufen. Schon früher stand Jenas „Schützenverein“vor einem ähnlichen Problem, hatte er doch Ende des 19. Jahrhunderts seinen Schießplatz in die Nähe des Geländes der heutigen Reichweinschule verlegt. Der Saale-Übergang zu den Schießplätzen wurde erst durch einen Kahn und dann mit einer Fähre gesichert. Ähnliche Überlegungen hatte auch Hermann Peter, der 1896 seinem Spielplatzverein vorschlug, eine Fähre in Höhe des Rasenmühlenwehrs in Betrieb zu nehmen. Wann die erste Fahrt der Fähre stattfand ist noch nicht gefunden worden. 1898 schrieb Hermann Peter aber in einer kleinen Anzeige in der Jenaischen Zeitung: „Die diesjährigen Schlüssel zur Fähre können am Platze von unserem Verwalter Herrn Günther in Empfang genommen werden, an den wir auch die alten Schlüssel zurückzugeben bitten.“
Beim Kauf der Spielplätze durch die Universität im Jahre 1914 wurde auch die Fähre mit übernommen. Mit dem Bau der Schützenbrücke um 1900, etwa dort, wo sich heute die Paradiesbrücke befindet, verkürzte sich der Fußweg von der Stadt etwas. Die Fähre an der Rasenmühle blieb aber weiter bestehen. Sie war damals vermutlich „kostenpflichtig“, denn aus den 1920er Jahren ist überliefert, dass sie verpachtet wurde. Die jährliche Pacht lag bei 180,00 Mark (M).
Den Zustieg zur Fähre auf der Sportplatzseite findet das sachkundige Auge noch heute, dicht beim Zaun, welcher das Bootshausgelände abgrenzt, wo gegenwärtig das neue Ruderbootshaus der Universität gebaut wird. Auf dem westlichen Ufer befand sich der Zugang auf dem heutigen USV-Kanubootshausgelände.
1929 gab es beim Thüringer Volksbildungsministerium Überlegungen zur Einstellung des Fährbetriebes an den Universitätssportplätzen. Der Universitätsturnund Sportlehrer Hermann Eitel schlug daraufhin vor, die Fähre im Interesse der regelmäßigen Einnahme weiter an den Arbeiter Stöhr zu verpachten. Stöhr war Platzwart und betrieb nebenbei die Fähre. Da die Kosten für das „Übersetzen“bei 0,10 Mark pro Person lag und er 180 später 190 Mark jährliche Pacht zahlte, müssen damals über 2000 Nutzer zusammengekommen sein, damit sich die Sache für ihn lohnte.
Stöhrs Aufenthaltsort, wenn er nicht auf den Plätzen zu arbeiten hatte, war der Geräte- und Maschinenraum im Tennishaus. 1903 wurde das vom Architekt Ludwig Hirsch entworfenen Gebäudes fertiggestellt. In einer Werbebroschüre für die Universität um diese Zeit kann man lesen: „Mitten auf den Tennisplätzen ist ein Klubhaus mit Geräteund Kleiderschränken, Umkleideräumen, Büfett, Wärterwohnung, großem Balkon und Maschinenräumen erbaut und i. J. 1903 in Gebrauch genommen (worden).“Für die anderen Sportarten standen als Geräteund Umkleideräume ausrangierte Eisenbahnwagen zur Verfügung, die auf dem Gelände aufgestellt wurden.
Die Spiel- und Sportplätze in der Oberaue dienten nach 1900 als wichtiger Werbefaktor für ein Studium in Jena. „Jena hat neuerdings Spielplätze von einer Ausdehnung und Schönheit erhalten, wie sie in Deutschland ihresgleichen suchen. Etwas oberhalb der Stadt, in herrlichen, mit Weiden und Erlen bestandenen Wiesen an der Saale, ist ein Platz im Umfang von fünf Hektar für Sportzwecke eingerichtet. Es werden daselbst Fußball, Croquet, Schlagball, Faustball usw., Hockey und Tennis (32 Tennisplätze) gespielt…Auf den Tennisplätzen wird im Winter eine künstliche Eisbahn hergestellt, die durch einen Motor mit elektrischem Antrieb bewässert wird. Auf der Saale, an deren Ufer die Spielplätze liegen, wird eifrig Rudersport betrieben ...“, heißt es ebenfalls in dem besagten Werbematerial.
Die Verwaltung des gesamten Geländes gehörte spätestens ab 1919 zum Tätigkeitsfeld des UniversitätsTurn- und Sportlehrers Hermann Eitel, der 1914 im Status eines Verwaltungsbeamten eingestellt worden war. Dafür erhielt er ab 1919 ein jährliches Gehalt von 2900 Mark mit Steigerungen alle drei Jahre um 200 Mark und Zulagen für die Buchführung bei der Platzverwaltung. Der erste Platzwart, der nach dem Ersten Weltkrieg nachgewiesen ist, war ein Herr Bauer, der die Einnahmen aus dem Schank- und Speisebetrieb im Tennishaus erhielt, dazu die Universitätswohnung im ersten Stock des Tennishauses, die Gartennutzung, die Nutzung des „abgängig werdenden Gras und Holzes“und aus der Sportplatzkasse monatlich 92 Mark und Überstunden bezahlt bekam.
Die Fähre war bis Anfang der 1950er Jahre mit Unterbrechungen in Betrieb, und 1957 stellte der Betreiber der Gaststätte des „Fährhauses“bei der Stadt den Antrag, die Fähre wieder in Betrieb zu nehmen, was aber eine andere Geschichte ist.