Thüringische Landeszeitung (Jena)
Das wünscht man seinem Feind nicht
Die Stadt Pößneck und ihr Kampf gegen den Riesenbärenklau
Einer Legende zufolge, soll Zar Alexander I. im Jahre 1815 auf dem Wiener Kongress seinem gastgebenden politischen Gegenspieler Fürst Metternich Samen des kaukasischen Doldenkrauts Heracleum mantegazzianum geschenkt haben. Der arglose österreichische Staatsmann soll die Körner auf seine Sommerresidenz in Böhmen geschickt haben, wo sie dem Boden anvertraut wurden. Es sprossen beeindruckende Stauden, die nach und nach Einzug in Parks und Gärten und sonstige Ecken auf dem Kontinent hielten. Ob nun bewusst oder unbewusst – es war, wie wir heute wissen, ein vergiftetes Geschenk, eine Zeitbombe – schleppte doch der russische Herrscher die als Herkulesstaude und Riesenbärenklau bekannte Pflanze nach Europa ein.
„Eine Plage!“, schimpft der Pößnecker Stadtgrünverantwortliche Lutz Wagner auf einem Landwirtschaftsweg hinter dem Ortsteil Schweinitz und kurz vor der Kleindembacher Gemarkung. Dabei stehen wir vor prächtig blühenden, bis zu drei Meter hohen Gewächsen am Ufer der Orla. „Man darf sich nicht täuschen lassen und vor allem darf der Saft der Pflanze nicht auf die Haut kommen, denn sonst gibt es Verbrennungen, die man seinem Feind nicht wünscht“, sagt der Bauamtsmitarbeiter. So ist es kein Wunder, dass Landschaftspflege-Dienstleister Jan Krause, der von der Stadt Pößneck seit ein paar Jahren mit der professionellen Bekämpfung des Riesenbärenklaus beauftragt ist, die Stauden zwar nicht im Vollschutzanzug, wie man es manchmal im Fernsehen sieht, aber aus sicherer Entfernung zunächst mit einer Stangensäge niederstreckt. Auf wenigen Metern Länge stehen etwa dreißig dieser Schmuckstücke der Flora in Reih und Glied – man könnte denken, sie seien bewusst gepflanzt worden. Das glaubt Lutz Wagner nicht. Die Samen des Pflanzen-Eindringlings seien von der Orla angespült worden, ist er sich sicher.
Jan Krause läuft Riesenbärenklau-Verdachtsstellen regelmäßig ab, gibt er zu verstehen. Den Bereich, in welchem er im Beisein der OTZ den Terminator macht, habe er vor einem Jahr extra abgesucht, aber nichts feststellen können im Gestrüpp.
Die zähen mehrjährigen Gewächse mit den zackigen Blättern und haarigen Stängeln breiten sich auch mitten in der Stadt aus, weist Lutz Wagner später entlang der Kotschau am Viehmarkt nach. Und es wird klar, dass man ein geschultes Auge haben beziehungsweise sensibilisiert muss, um im allgemeinen Grün den jungen Riesenbärenklau zu erkennen. Nicht nur in Auen, auch an Wegesrändern oder auf Brachflächen mache sich die gefährliche Schönheit breit, die scheinbar mit jedem Boden klarkomme.
Es koste vier bis fünf Jahre Zeit, bis das Problem an einer Stelle nachhaltig erledigt sei, lauten die Erfahrungswerte von Krause und Wagner. Dabei könne man nur hoffen, dass man alle Herkulesstauden vor der Geschlechtsreife erwische, dass die hinterlistigen Pflanze dann keine Notblüte bilde, dass Wind oder Wasser keine frischen Samen verbreiten. Mal 200, mal 500 Exemplare vernichte er pro Jahr, überschlägt Jan Krause, während Lutz Wagner die Zahl der bekannten Riesenbärenklau-Nester im Gebiet der Stadt mit „einigen zig“angibt. Pößneck stecke jährlich bis zu die 1000 Euro in die Ausrottung dieses Neophyten, wobei man vom anderenorts in Deutschland gepflegten Pflanzengiftoder gar Flammenwerfer-Einsatz absehe. Und welches ist das Ergebnis dieses Aufwands? „Wir kriegen‘s langsam in den Griff“, sagt Wagner.
Er betont, dass sich die Stadt freiwillig aller gemeldeten oder amtsbekannt werdenden Herkulesstauden in Pößneck annehme, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit betroffenen Grundstückseigentümern, die selbst daran interessiert sein müssten, solche Probleme gründlich zu beseitigen. Streng genommen stünden Grundstückseigentümer allein in der Verantwortung. Im Zweifel sei die Naturschutzbehörde gefragt. Wobei es „leider“keine klaren gesetzlichen Vorschriften zur Riesenbärenklau-Bekämpfung gebe, so Wagner. Allerdings habe man keine Zeit zu verlieren. Dieser Pflanze könne man, wenn überhaupt, nur unbürokratisch, in konzertierter und konsequenter Aktion Herr werden. Eigentlich müsste es einen abgestimmten regionalen Maßnahmenplan geben, stellt Wagner in den Raum. Denn den tausenden und jahrelang keimfähigen Samen, die eine einzige Pflanze dieser Art abwerfen könne, seien Grundstücksund Gemarkungsgrenzen egal. Neben dem Riesenbärenklau gelten in Thüringen derzeit sechzehn weitere Blütenpflanzen als invasive Arten. Mehrere davon seien auch auf dem Gebiet der Stadt und vor allem auf privaten Grundstücken belegt. So hält Lutz Wagner auf der Rückfahrt aus Schweinitz vor einem Grundstück an der Jenaer Straße in Pößneck-Köstitz mit auffallend hohen Gewächsen an, die quasi als grüne Grundstückseinfriedung dienen. „Staudenknöterich“, sagt der Bauamtsmitarbeiter. „Für den Menschen zwar unschädlich, verdrängt aber sämtliche weitere Flora, hebt das Gelände an und hat schon mal Gartenteichfolien durchbrochen“, lautet der Steckbrief. Die Pflanze sei praktisch unkaputtbar, gibt Wagner zu verstehen, „es sei denn, man mäht die Büsche sechs-, acht-, zwölfmal pro Jahr ab und das lange Zeit“.
Geduld und Hoffnung