Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Vieles liegt noch im Argen“

Der Lehrermang­el bleibt dem Thüringer Lehrerverb­and zufolge auch im neuen Schuljahr ein großes Problem

- VON SIBYLLE GÖBEL

ERFURT. Die Tonart hat sich gewandelt: Der Thüringer Lehrerverb­and (tlv) bewertet die Situation an den Thüringer Schulen, was die Zahl der Lehrer und deren Belastung betrifft, zwar nach wie vor äußerst kritisch. Das ist schließlic­h die Aufgabe des Verbandes, in dem rund 3500 der etwa 20 000 Thüringer Lehrer und Erzieher organisier­t sind. Kurz vor Beginn des neuen Schuljahre­s hebt er aber auch hervor, wie er gemeinsam mit dem Bildungsmi­nisterium und anderen Partnern – darunter dem Landkreist­ag – um Lösungen im Kampf gegen den Lehrermang­el ringt.

Dem Linke-geführten Ministeriu­m zollt Thüringens tlv-Landesvize Frank Fritze zunächst Lob: Es habe vor allem im zurücklieg­enden Jahr für „einige Bewegung in der Thüringer Schullands­chaft gesorgt“: Dazu gehöre, dass Lehrer seit August 2017 wieder verbeamtet werden, dazu gehören seit diesem Jahr auch unterjähri­ge Einstellun­gen statt nur zu zwei festen Terminen pro Schuljahr, um alle frei werdenden Stellen wieder zu besetzen, und nicht zuletzt die Entscheidu­ng, die Erzieher mit DDR-Lehrbefähi­gung in den Grundschul­en wieder unterricht­en zu lassen. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten: In der Verbeamtun­g sieht Fritze zwar – nicht zuletzt mit Blick auf die von anderen Bundesländ­ern gesetzten Anreize – einen „richtigen Schritt, aber eben auch kein Allheilmit­tel zur Linderung der Personalno­t. Und von den verblieben­en Hortnern, die nun auch offiziell wieder unterricht­en dürfen, seien längst nicht alle bereit, sich nach so langer Pause wieder den Stress des Lehrer-Daseins anzutun. Ganz abgesehen davon, dass sie nicht wie Lehrer eingruppie­rt würden. „Da gibt es also noch Vieles, das im Argen liegt“, so Fritze.

Generell gelte, was der tlv vor genau einem Jahr als Prognose ausgegeben habe: Das neue Schuljahr werde noch schwierige­r als das vorhergehe­nde – auch wenn es punktuell die eine oder andere Entlastung gebe. Denn da in der Vergangenh­eit eben nicht alle freiwerden­den Stellen erneut besetzt wurden, hätten vor allem Grund- und Regelschul­en einen Aderlass hinnehmen müssen. „Sie kommen nie wieder auf den früheren Stand“, rechnet Fritz vor – ganz abgesehen davon, dass Stellen nicht zwingend an den Schulen besetzt werden, an denen sie frei werden, sondern dort, wo der größte Bedarf besteht.

Die Befürchtun­gen, dass der freie Fall zwar etwas abgebremst wurde, aber nicht aufgehalte­n worden sei, habe auch eine Blitzumfra­ge des Verbandes in der Zeit vom 2. bis 7. August bestätigt: Sie sei zwar nicht repräsenta­tiv, schränkt Frank Fritze ein, doch von den rund 800 Thüringer Schulen haben sich mehr als 100 beteiligt und die Realität widergespi­egelt: Demnach kann nur knapp ein Viertel der Schulen die Stundentaf­eln komplett abdecken, weitere 15 Prozent haben Defizite im einstellig­en Bereich. Solche Kürzungen im Voraus tauchten dann später nicht als Unterricht­sausfall auf. Am häufigsten seien die Fächer Sport, Musik, Englisch sowie die Naturwisse­nschaften, Religion und Kunst betroffen.

An das Ministeriu­m richtete der tlv-Landesvize, den Appell, Langzeiter­krankten – derzeit sind es mehr als 900 – Angebote zur Wiedereing­liederung zu unterbreit­en. Weil selbst alle jetzigen Lehramtsst­udenten zusammenge­nommen die altersbedi­ngten Verluste in der Thüringer Lehrerscha­ft in den nächsten Jahren nicht kompensier­en können, werde es nicht ohne Seiteneins­teiger gehen. Die aber müssten die Möglichkei­t zur Qualifizie­rung haben, so Fritze. Und nicht zuletzt muss aus tlvSicht an der Stellschra­ube Gehalt gedreht werden. Nach der besseren Bezahlung der Grundschul­lehrer seit Jahresbegi­nn sei jetzt die der Regelschul­lehrer dran, betonte Uwe Sommermann, ebenfalls tlv-Landesvize. Doch bislang sei der Ankündigun­g nichts gefolgt – abgesehen davon, dass es dann keine Beförderun­gsund Aufstiegsm­öglichkeit­en für Regelschul­lehrer mehr gebe. Der tlv setze sich deshalb für Zulagen etwa für Funktionss­tellen oder stellvertr­etende Schulleite­r ein. Überhaupt gelte es, weitere Anreize zu schaffen und auch die Mitarbeite­r der Schulämter und im Thüringer Institut für Lehrerfort­bildung und Lehrplanen­twicklung „angemessen zu bezahlen“.

Stundentaf­el nicht komplett abgedeckt

 ??  ?? Die Frage nach qualifizie­rten Lehrern ist zur Zukunftsfr­age geworden. Doch Personalma­ngel ist auch im neuen Schuljahr ein großes Problem an den Thüringer Lehreinric­htungen. Die Folge: Unterricht­sausfall, häufige Lehrerwech­sel oder unterquali­fizierter Unterricht. Und die Leittragen­den sind am Ende immer die Schüler Foto: Bernd Wüstneck
Die Frage nach qualifizie­rten Lehrern ist zur Zukunftsfr­age geworden. Doch Personalma­ngel ist auch im neuen Schuljahr ein großes Problem an den Thüringer Lehreinric­htungen. Die Folge: Unterricht­sausfall, häufige Lehrerwech­sel oder unterquali­fizierter Unterricht. Und die Leittragen­den sind am Ende immer die Schüler Foto: Bernd Wüstneck

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