Thüringische Landeszeitung (Jena)

Dehoga lässt Sterne-Hotel überprüfen

Klassifizi­erung gilt für drei Jahre. Bei Mängelhinw­eisen von Gästen kann das Qualitätsz­eichen vorzeitig entzogen werden

- VON SIBYLLE GÖBEL

ERFURT. Das Hotel in Nordthürin­gen hat seine besten Tage lange hinter sich. Über die aus den 90er-Jahren stammende Einrichtun­g kann der Gast des DreiSterne-Hauses wegen der guten Lage mitten im Stadtzentr­um zwar durchaus noch hinwegsehe­n. Nicht aber über den ungepflegt­en Zustand. Mit einem Staubsauge­r scheint der Teppichbod­en schon lange nicht mehr in Berührung gekommen zu sein – und auch das winzige Bad erweckt nicht den Eindruck, als seien die Spuren früherer Gäste mehr als nur oberflächl­ich entfernt worden.

Doch am miserabels­ten ist das Frühstück: Wurst, Käse und Obst – lieblos auf Anrichtete­ller geschichte­t – welken ungekühlt in der Sommerhitz­e vor sich hin, die Auswahl ist mager, der Kaffeeauto­mat ständig außer Betrieb. Der Gast ist auf ganzer Linie enttäuscht und fragt sich: Ist dieses Haus wirklich drei Sterne wert?

Beantworte­n kann diese Frage nur die Klassifizi­erungsstel­le des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga) Thüringen. Denn sie ist es, die die Häuser einstuft und auch im Nachgang auf Hinweise von Gästen reagiert. Flattert ihr beispielsw­eise eine Beschwerde ins Haus, schreibt sie das Hotel unverzügli­ch an und informiert es über die Kritik, erklärt eine Sprecherin. Ein Prüfer kontrollie­re zudem vor Ort, was beanstande­t wurde, und setze Fristen zur Beseitigun­g der Mängel. Sind diese verstriche­n, prüfe er erneut, ob die Mängel behoben wurden.

Für potenziell­e Gäste ist die Klassifizi­erung eines Hotels neben Bewertunge­n im Internet ein wichtiger Anhaltspun­kt bei der Buchung: Schließlic­h gibt es in jeder Kategorie Mindestvor­gaben, die erfüllt sein müssen. Legt ein Gast zum Beispiel Wert auf eine Minibar oder Roomservic­e, kommt für ihn ein Haus mit weniger als vier Sternen nicht infrage.

Trotzdem bietet eine Klassifizi­erung – wie im eingangs geschilder­ten Fall – nicht in jedem Fall eine verlässlic­he Qualitätsa­ussage: Dass könnte zum einen damit zusammenhä­ngen, dass die Prüfung nicht inkognito erfolgt, sondern zu einem gemeinsam mit dem Betreiber vereinbart­en Termin, weil „sonst nicht alle relevanten Kriterien geprüft werden könnten“, wie die Dehoga-Sprecherin sagt. Zum anderen damit, dass die Klassifizi­erung für jeweils drei Jahre gilt und es nicht allen Betreibern gelingt, das zertifizie­rte Niveau über den gesamten Zeitraum hinweg zu halten.

Liegen Dehoga keine Beschwerde­n vor, schreibt er erst sechs Monate vor Ablauf der Klassifizi­erung die Hotels wieder an. Vier und noch einmal zwei Monate vor Ablauf meldet er sich abermals und macht den Betreiber darauf aufmerksam, dass nun die Wiederholu­ngsklassif­izierung ansteht und erneut der Erhebungsb­ogen auszufülle­n ist. Liegt diese Selbstausk­unft vor, erfolgt erneut eine Prüfung durch neutrale Fachleute vor Ort, um die Angaben zu kontrollie­ren und gegebenenf­alls Auflagen zu erteilen.

In Thüringen sind derzeit 254 Hotels klassifizi­ert, wobei der Anteil der Drei-Sterne-Häuser am höchsten, der der Fünf-Sterne-Häuser am geringsten ist. Es fehlt im Freistaat an Hotels der gehobenen Kategorie – gäbe es mehr davon, könnte Thüringen auch deutlich mehr Besucher anlocken.

Das Sterne-System des Dehoga ist ein geschützte­s Markenzeic­hen. Trotzdem ist der Verband nicht davor gefeit, dass sich Hotels ab und zu eigenmächt­ig mit Sternen schmücken. „Erfahren wir davon, fordern wir die Unternehme­n schriftlic­h auf, die Werbung mit Sternen zu unterlasse­n. Leisten sie dem nicht Folge, schalten wir unseren Anwalt ein“, sagt die Dehoga-Sprecherin, die eine genaue Zahl solcher Vorfälle aber nicht nennen möchte.

Das Hotel in Nordthürin­gen hat sich seine Sterne zwar nicht erschwinde­lt, sondern bei der Prüfung redlich verdient, doch inzwischen haben Klagen über die aktuellen Mängel auch den Dehoga und seine Klassifizi­erungsstel­le erreicht. Einer ihrer derzeit zehn Prüfer wird sich demnächst vor Ort umschauen. Gästen empfehlen Experten deshalb auch, nach einer Vorauswahl anhand der Hotelklass­ifizierung­en bei der finalen Entscheidu­ng zusätzlich Online-Bewertunge­n zurate zu ziehen. Denn dann hätte man auch im Fall des Nordthürin­ger Hotels erkennen können: In den vergangene­n beiden Jahren kam das Haus bei den Gästen immer schlechter weg...

 ??  ?? Ein von Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga mit drei Sternen klassifizi­ertes Hotel lässt den Gast „Komfort“erwarten. Experten empfehlen, zusätzlich Online-Bewertunge­n zu Rate zu ziehen. Archiv-Foto: Susann Fromm
Ein von Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga mit drei Sternen klassifizi­ertes Hotel lässt den Gast „Komfort“erwarten. Experten empfehlen, zusätzlich Online-Bewertunge­n zu Rate zu ziehen. Archiv-Foto: Susann Fromm

Newspapers in German

Newspapers from Germany