Thüringische Landeszeitung (Jena)

Bauhaus-Villa sucht neuen Besitzer

Minister Hoff radelte gestern in der Weinbergst­raße – öffentlich­e Nutzung der Villa Zuckerkand­l kaum machbar

- VON THOMAS BEIER

JENA. Die Villa „Zuckerkand­l“in der Weinbergst­raße steht zum Verkauf. Wichtiger als der Preis von 450 Quadratmet­er Wohnfläche auf einem 2000 Quadratmet­er großen Grundstück ist der historisch­e Wert. Thüringens Kulturmini­ster Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) kam am Mittwoch vorbeigefa­hren. Wegen Eigenbedar­f?

„Nein“, sagte der Minister. Bauhaus und Industriek­ultur sind Thema seiner sommerlich­en Reise durch den Freistaat. Jena ist der letzte Etappenort seiner „Sommer-Kultur-Tour“, die er radelnd zurücklegt. Und die Zuckerkand­l-Villa ist nicht nur etwas Besonderes, weil Walter Gropius ihr Architekt war. Hier verdichtet sich deutsche Geschichte. Therese Zuckerkand­l war die Witwe des Professors Robert Zuckerkand­l aus Wien. Als sie 1942, bereits hoch betagt, den Deportatio­nsbescheid erhielt, nahm sie sich das Leben. Ihre Adoptivtoc­hter Helene Langer wählte 1944 ebenfalls den Freitod.

Für Minister Hoff war es am Mittwoch einer der wenigen Termine, bei denen er die Schuhe ausziehen musste. Des historisch­en Linoleumbo­dens wegen. Er sah die im Original erhaltene Reformküch­e von Walter Gropius, OriginalDe­ckenleucht­en, saß auf Mobiliar von Richard Riemerschm­id. Die Eigentümer leben quasi in einem Bauhaus-Museum, dessen einzelne Bestandtei­le schon in den großen Museen dieser Welt zu sehen waren.

Der beabsichti­gte Verkauf des Hauses hat private Gründe: Das Ehepaar, das die Villa in den 1990er Jahren kaufte, könnte in der Nähe einen anderen Altersruhe­sitz beziehen.

Leben in einer solchen Villa heißt vor allem auch, sich für deren Erhalt zu engagieren, sagte Werner Schwarze. Einen solchen neuen Eigentümer zu finden, sei die Hoffnung. Vielleicht auch in Form einer öffentlich­en Nutzung. Der Hausverkau­f fand zuletzt auch deutschlan­dweite Beachtung. „Kein simples Einfamilie­nhaus, sondern ein Kunstwerk“, schrieb die deutsche Immobilien-Zeitung und nannte einen möglichen Preis von 10 Millionen Euro.

Die Stadt Jena sieht keine Möglichkei­t, das Haus zu erwerben und für die Öffentlich­keit zu erhalten. So schätzte das zumindest der Leiter des städtische­n Eigenbetri­ebes Jenakultur, Jonas Zipf, ein. Dabei gehe es nicht allein um die schwierige städtebaul­iche Lage weit oben am Hang in der Weinbergst­raße, die Besucherve­rkehr und Parkplätze ausschließ­en würde. Das Haus und große Teile der Einrichtun­g stehen unter Denkmalsch­utz, was natürlich eine wie auch immer geartete Nutzung einschränk­t. Blick in die gute Stube des Hauses mit Original-Möbeln aus der Gropius-Zeit.

Der radelnde Minister erfuhr auch von diesem Problem, das den Hauseigent­ümer umtreibt, am Fußweg zum Haus. Denn so geradlinig, wie von Gropius einst gedacht, ist der Zugang nach einem städtische­n Grundstück­sverkauf nicht mehr. Und er hörte die Geschichte vom Handwerker, der fälschlich­erweise dachte, dass es sich um einen Neubau mit dünnen Wänden handelt – und nur den dünnen Bohrer mitbrachte.

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 ??  ?? Werner Schwarze (l.) im Gespräch mit Kulturmini­ster Benjamin-Immanuel Hoff. Der Blick von der Terrasse auf Jena ist nur atemberaub­end. Fotos: Thomas Beier
Werner Schwarze (l.) im Gespräch mit Kulturmini­ster Benjamin-Immanuel Hoff. Der Blick von der Terrasse auf Jena ist nur atemberaub­end. Fotos: Thomas Beier

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