Thüringische Landeszeitung (Jena)
Das liegen gelassene Portemonnaie
Warum ein Rentner so erleichtert ist und sich bei einem jugendlichen Flüchtling bedanken möchte
JENA. Glück gehabt! Bernd Stumpf kann tief durchatmen. Er hatte sein Portemonnaie liegen lassen – mit 130 Euro, Girokarte, Visacard, Gesundheitskarte, Führerschein und mehreren Mitgliedskarten. Doch die Geschichte ging gut aus, er hat alles zurück.
Wie es dazu kam, erzählt Bernd Stumpf am Schauplatz des Geschehens, am Stand mit den Einkaufswagen vor dem Norma-Markt im Westviertel. Dorthin war er am Montagabend vergangener Woche noch einmal für einen schnellen Einkauf gefahren. Es war schon 20 Uhr, gleich schloss der Markt. Schnell hinein, an der Kasse bezahlt, wieder hinaus. Doch beim Herausholen der Waren aus dem Einkaufswagen dämmerte es ihm: Das bisschen Zeug kann doch nicht so viel gekostet haben. Und er rannte wieder hinein, um das zu korrigieren.
In der Eile ließ er den Geldbeutel auf einem der Wagen liegen. Das merkte er jedoch erst, als er an den Kasse tatsächlich bestätigt bekam, dass er 12 Euro zu viel bezahlt hatte und demzufolge Geld zurück erhielt. Er konnte das Geld nicht einstecken, weil das Portemonnaie nicht mehr da war. Also rasch wieder hinaus, doch das Portemonnaie war weg.
Zuhause angekommen überlegte er hin und her, sprach auch mit einem Bekannten, der einmal bei der Kriminalpolizei war, was alles zu regeln sei, wenn man seine Papiere und Geld verloren hat oder bestohlen wurde. Also Anzeige erstatten und eine Tippel-Tappel-Tour für das Wiederbeschaffen der Karten beginnen. So fuhr er noch einmal hin und suchte alles ab, unter mehreren Einkaufswagen und daneben. Aber nichts zu entdecken. Bei all den Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, fiel ihm auch ein, dass er einen jungen Ausländer gesehen hatte, der nach 20 Uhr noch etwas einkaufen wollte, aber weil es schon fast 20.15 Uhr war, keinen Einlass mehr gefunden hatte. Doch noch mehr beschäftigte ihn die Sorge, dass er nun am nächsten Tag eine große Lauferei wegen dieses Verlustes starten müsste.
Doch plötzlich, es muss an jenem Abend so gegen 21.45 Uhr gewesen sein, klingelte es an der Haustür. Es war Andreas Schmöller. Er stellte sich als Erzieher von der Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Jena vor und fragte Stumpf, ob er denn etwas vermisse. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als Schmöller ihm tatsächlich sein Portemonnaie überreichte. Ein erster Blick hinein: Alles war noch vorhanden, das Geld und die Dokumente.
Er erfuhr von dem Überbringer, dass die Geldbörse wirklich durch den von Stumpf gesehenen jungen Ausländer gefunden worden war und der es mitgenommen habe in das Heim für unbegleitete junge Flüchtlinge in der August-Bebel-Straße, wo er derzeit wohne. Dort habe er es der Heimleitung gegeben.
Klare Sache, dass sich der glückliche Rentner bedanken wollte. Gern hätte er dem jungen Mann einen Finderlohn gegeben, doch Schmöller verwies darauf, dass das Heim eine städtische Einrichtung sei und man Geld nicht annehmen dürfe.
Der junge Mann gehört zu den minderjährigen Flüchtlingen, die von der Jugendhilfe der Stadt betreut werden. Da er nicht volljährig sei und auch einen Vormund habe, müsse er geschützt bleiben, hieß es. Daher kann er auch nicht in der Zeitung vorgestellt werden.
In der Heimleitung zeigte man sich froh über das beherzte Verhalten des Jungen. Ebenso Andreas Amend, Integrationsmanager für geflüchtete Menschen bei der Stadt Jena. Er war ja in letzter Zeit nicht immer mit positiven Nachrichten im Zusammenhang mit jungen Flüchtlingen konfrontiert gewesen. Gerade die Vorfälle in der Goethe-Galerie und im Stadtzentrum, bei denen eine Gang von jungen Straftätern aus dem Flüchtlingsmilieu durch Diebstähle und Schlägereien negative Schlagzeilen gemacht hatte, ist ihm in nicht so guter Erinnerung. Es sei erfreulich, dass es auch andere Nachrichten gebe.
Bernd Stumpf möchte wenigstens auf diesem Wege dem jungen Flüchtling ein herzliches Dankeschön sagen und wünscht ihm viel Glück auf seinem weiteren Weg. Wünschen, denen sich die Redaktion gern anschließt.