Thüringische Landeszeitung (Jena)
Soll ich meine Lebensversicherung kündigen?
Die einst beliebteste Geldanlage der Deutschen wird zum Auslaufmodell. Die Renditen sinken kontinuierlich, Versicherer verkaufen Altverträge. Was Experten jetzt raten
HAMBURG. Immer neuer Ärger mit der Lebensversicherung: Nachdem sich Millionen Kunden seit Jahren mit einer sinkenden Verzinsung abfinden müssen, wachsen nun auch Zweifel an der finanziellen Stabilität der Gesellschaften. Der italienische Versicherungskonzern Generali jedenfalls hat seine stillgelegte deutsche Tochter Generali Leben mit rund vier Millionen Kunden an den britischen Lebensversicherungs-Abwickler Viridium verkauft – und interpretiert das als Befreiungsschlag. Auch der Pariser Versicherer Axa hat Medienberichten zufolge Hunderttausende Verträge deutscher Kunden verkauft. Was aber bedeutet das? Welche Leistungen können Kunden noch erwarten? Und lohnt eine Kündigung oder Rückabwicklung des Vertrages?
Warum trennen sich Assekuranz en v on ihren Lebensv ersicherungen? Mit dem Verkauf von mehr als vier Millionen Lebensversicherungen haben mit Generali und Axa erstmals große Gesellschaften von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Sie müssen nun nicht mehr für die hohen Zinsgarantien der Altverträge einstehen. Für die Kunden soll alles beim Alten bleiben.
„Durch einen Unternehmensverkauf darf kein Versicherungsnehmer schlechtergestellt werden“, sagt Frank Grund von der Finanzaufsicht Bafin. Das sieht Verbraucherschützer Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten anders: „Wir befürchten, dass alle Tricks und Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Kunden möglichst schlecht an Überschüssen zu beteiligen.“Sicher ist ohnehin nur der Garantiezins.
Können Kunden einem Verkauf ihrer Police widersprechen?
Nein. Die Bafin muss jedoch prüfen, ob die neuen Unternehmen, die mehrheitlich dem britischen Finanzinvestor Cinven gehören, die Zinsgarantien erfüllen können und verlässlich sind. Allerdings gibt es einen Trick, sich eventuell noch nachträglich von seinem Vertrag zu trennen.
Kunden können prüfen, ob ein Widerruf der Lebens- oder Rentenversicherung möglich ist. Das betrifft Verträge, die zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 geschlossen wurden und in vielen Fällen eine falsche Widerspruchsbelehrung haben. Helfen können hier die Verbraucherberatungen, die gegen Gebühr die Verträge prüfen können. Je nach Aufwand bewegen sich die Kosten dafür zwischen 85 und 200 Euro.
Warum stehen die Anbieter dermaßen unter Druck?
Die Lebensversicherer sind mit ihren Produkten langfristige Zusagen eingegangen. Zum Beispiel, die Sparbeiträge ihrer Kunden mit 4,0, 3,25 oder 2,75 Prozent Zinsen zu vermehren (siehe Grafik). Diese Zusagen wurden für mehrere Jahrzehnte gegeben. Doch angesichts der niedrigen Zinsen für festverzinsliche Wertpapiere fällt es immer schwerer, diese zu erfüllen. Deshalb müssen Jahr für Jahr sogenannte Zinszusatzreserven gebildet werden, die sich inzwischen auf rund 60 Milliarden Euro summieren. In den nächsten Jahren werden weitere Milliarden hinzukommen. Das Geld fehlt dann für die laufende Verzinsung (Überschussbeteiligung) der Verträge, die jedes Jahr neu festgelegt wird.
In diesem Jahr liegt die durchschnittliche Überschussbeteiligung der 40 größten Lebensversicherer bei 2,37 Prozent (Vorjahr: 2,51 Prozent). „Allerdings wird nur der Sparanteil des Kunden verzinst“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Sparanteil entspricht 75 bis 90 Prozent der monatlichen oder jährlichen Beiträge. Der Rest wird für Vertreter, Verwaltungskosten und den Hinterbliebenenschutz benötigt. „Die tatsächliche Verzinsung ist also noch viel niedriger“, sagt die Verbraucherschützerin.
Wie istdie wirtschaftliche Lage der deutschen Lebensv ersicherer?
34 von 84 deutschen Anbietern drohen mittel- bis langfristig finanzielle Schwierigkeiten, wie aus einem Bericht der Bundesregierung hervorgeht. Diese 34 Gesellschaften stehen unter intensiver
Aufsicht der Bafin. „Wir verfolgen genau, was die Versicherer tun und wie das, was sie tun, wirkt“, sagt Chefaufseher Felix Hufeld. Auch bei der Betriebsrente gibt es Probleme. Von 137 Pensionskassen soll die Lage bei 13 Kassen besonders dramatisch sein. Namen sind nicht bekannt.
Soll ich meine alte Lebensv ersicherung jetz t lieber kündigen? Experten raten von einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Vertrag ab. Oft ist ein vorzeitiges Ende der Police mit hohen Verlusten verbunden. „Bei vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossenen Policen rate ich meist von einer Kündigung ab“, sagt Versicherungsberater
Rüdiger Falken. Denn die Auszahlungen aus Kapitallebensversicherungen sind dann noch komplett steuerfrei. „Auch wenn die Verträge mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung gekoppelt sind, sollte man daran nicht rühren“, rät Falken. Das gelte auch für Verträge mit hohem Garantiezins, der sich nach dem Jahr des Abschlusses richtet. Von Juli 1994 bis Juli 2000 etwa lag dieser noch bei 4 Prozent. Seit Januar liegt er nur noch bei 0,9 Prozent.
Grundsätzlich kann nur für jeden Einzelfall beurteilt werden, ob eine vorzeitige Vertragsauflösung sinnvoll ist. Kostenpflichtige Beratungen dazu gibt es bei der Verbraucherzentrale oder einem Versicherungsberater.