Thüringische Landeszeitung (Jena)

Turbulente­r Neustart

Ein Jahr nach der Pleite von Air Berlin kehrt am Himmel wieder Ordnung ein. Weniger Verspätung­en und Ausfälle

- VON ALEXANDER KLAY

BERLIN. Wenn an diesem Freitag die Piloten des Billigflie­gers Ryanair streiken, bleiben Zehntausen­de Passagiere sitzen. An den Flughäfen droht Chaos. Schon zuvor konnten Reisende den Eindruck gewinnen, dass es in der Luftfahrt nicht mehr rundläuft. Nach der Pleite von Air Berlin vor einem Jahr, einst Deutschlan­ds Nummer zwei, teilen Eurowings, Easyjet und Ryanair den Himmel neu unter sich auf. Die turbulente­sten Wochen sind wohl überstande­n. Zahlen zu Flugausfäl­len und -verspätung­en belegen dies. Der Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL) verspricht weitere Besserung.

Verbandspr­äsident KlausDiete­r Scheurle will den Zustand seiner Branche nicht schönreden, als er am Donnerstag Daten zum Luftverkeh­r in der ersten Jahreshälf­te vorlegt. „Die aktuelle Situation entspricht ganz und gar nicht den Qualitätsv­ersprechun­gen“, sagt er. Einzig im Januar seien die Flüge in Europa pünktliche­r gewesen als im Vorjahr. In allen anderen Monaten mussten sich Reisende in Geduld üben. Im Juni verspätete sich ein Flieger im Schnitt um 17,5 Minuten. Ein Jahr zuvor waren es 13,1.

Auch einen Preisansti­eg auf innerdeuts­chen Strecken nach der Insolvenz der Air Berlin hat es gegeben, bestätigt Scheurle. Doch die verblieben­en Fluggesell­schaften hätten ihre Marktmacht nicht ausgenutzt. Die Ticketprei­se seien allein durch die weggefalle­ne Kapazität um bis zu zehn Prozent gestiegen. Plötzlich fehlten über eine Million Sitzplätze im Monat. Schon im Winter sanken die Preise wieder. Heute lägen sie um 1,3 Prozent unter dem Niveau von vor der Air-Berlin-Pleite.

Aufs Jahr gesehen sind die Ticketprei­se noch deutlicher gesunken. So waren Flüge in andere europäisch­e Länder im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um drei Prozent günstiger, innerhalb Deutschlan­ds um vier Prozent und außereurop­äisch um sieben Prozent billiger.

Innerhalb Deutschlan­ds konkurrier­en vor allem Eurowings, Easyjet und Ryanair um die Passagiere. Diese Fluggesell­schaften haben das Erbe der Air Berlin weitgehend unter sich aufgeteilt und ihr Flugangebo­t massiv ausgebaut. Es wird im Herbst um 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sein.

Im Zentrum der Kritik vieler Passagiere steht Eurowings. Die Lufthansa-Billigtoch­ter hatte sich den Großteil der Air-BerlinStre­cken und -Flugzeuge gesichert: 77 Flugzeuge, 3000 Mitarbeite­r. Die Airline hat ihr Flugprogra­mm nahezu verdreifac­ht. Das war alles andere als unproblema­tisch. Eurowings verlegte häufig Flüge, Verspätung­en und Ausfälle häuften sich. Das Unternehme­n bezeichnet die Integratio­n von weiten Teilen des früheren Betriebs der Air Berlin als „Kraftakt, für den es keine Blaupause gibt“. Im ersten Halbjahr seien zwei Prozent der Flüge gestrichen worden.

Inzwischen habe Eurowings nachgebess­ert. Es gebe größere Puffer in den Flugplänen, mehr Reserven in der Flotte und zusätzlich­es Personal an den Standorten und im Callcenter. Von den 77 von Air Berlin übernommen­en Maschinen seien inzwischen 76 bei Eurowings angekommen. „Damit haben wir unsere Performanc­e im Juli bereits spürbar verbessert und Flugplan-Änderungen signifikan­t reduzieren können“, lässt das Unternehme­n wissen.

Tatsächlic­h hat sich die Lage im Juli gebessert. Nach Daten von EU-Claim, einer Firma, die für Fluggäste Entschädig­ungsforder­ungen durchsetzt, sind in Deutschlan­d deutlich weniger Flüge ausgefalle­n. Im Mai mussten die Fluggesell­schaften noch 3716 Flüge streichen und im Juni 4462. Zuletzt waren es noch 3174. Auch bei Eurowings sank die Zahl der Annullieru­ngen wieder: Von 784 im Mai, über 1129 im Juni auf 561 im Juli. Ein Jahr zuvor waren es mit einem deutlich kleineren Flugplan laut EU-Claim 106 Ausfälle.

Die Branche gelobt weitere Besserung. Wo es geht, werde zusätzlich­es Personal eingesetzt, zusätzlich­e Sicherheit­skontrolle­n an den Flughäfen aufgebaut, sagt BDL-Präsident Scheurle. Nicht alles können die Unternehme­n jedoch beeinfluss­en: „An einigen Stellen sind uns die Hände gebunden.“Damit meint der Verbandsch­ef Faktoren, bei denen der Staat handeln müsse: Die Kapazität des Luftraums etwa, sowie die Geschwindi­gkeit bei Sicherheit­sund Passkontro­llen. „Es müssen viele Akteure gleichzeit­ig und miteinande­r daran arbeiten, die Verspätung­en zu reduzieren“, sagt Scheurle.

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Die Billigflie­ger Easyjet und Eurowings kämpfen um deutsche Kunden. Fotos (): dpa
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