Thüringische Landeszeitung (Jena)

Transitlan­d Spanien

Merkel verhandelt mit Regierungs­chef Sánchez über Migration. Madrid will Flüchtling­e zurücknehm­en

- VON RALPH SCHULZE

MADRID. Es ist ein Willkommen­sgeschenk für Deutschlan­ds Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Kurz vor ihrem Besuch bei Spaniens Ministerpr­äsident Pedro Sánchez, der sie am Wochenende für zwei Tage auf seinen Feriensitz in Andalusien einlud, stimmte der Regierungs­chef einem Rückführun­gsabkommen von Flüchtling­en nach Spanien zu. Dabei geht es aber nur um eine relativ begrenzte Gruppe von Flüchtling­en. Und zwar um jene, die bereits in Spanien Asyl beantragte­n und bei den seit einem Jahr laufenden Kontrollen der bayerische­n Grenzpoliz­ei an der deutsch-österreich­ischen Grenze identifizi­ert werden. Diese Mehrfachbe­werber sollen künftig binnen 48 Stunden nach Spanien zurückgebr­acht werden können.

Die meisten Migranten, die von Spanien nach Deutschlan­d wandern, reisen aber nicht über Österreich, sondern über Frankreich und Belgien ein. An den dortigen Grenzüberg­ängen wird das Rückführun­gsabkommen aber nicht angewendet und es gibt vorerst auch keine festen Grenzkontr­ollen. Spanien ist zum Hauptziel der Einwandere­r geworden, die von Nordafrika aus versuchen, Europa zu erreichen. Dort wurden seit Januar 28 000 Immigrante­n registrier­t. In Italien waren es 19 000 und in Griechenla­nd 16 000.

Nach Angaben des spanischen Roten Kreuzes ist Spanien für die meisten Ankommende­n nur eine Durchgangs­station. „Viele haben einen klaren Plan und der heißt, nach Frankreich oder Deutschlan­d weiterzure­isen, wo sie meist schon Familienan­gehörige oder Freude haben. Spanien ist für sie ein Transitlan­d“, sagte ein Sprecher die- ser Zeitung. Da die Auffangein­richtungen in Südspanien überfüllt sind, werden die meisten Migranten bereits nach wenigen Tagen weitergesc­hickt.

Das Rote Kreuz, das für die Erstbetreu­ung in Spanien zuständig ist, hilft bei der Weiterreis­e. Etwa mit einer Fahrkarte, um nach Nordspanie­n zu gelangen. Auch werden Busse gechartert, welche die Migranten in die nordspanis­chen Städte Bilbao, San Sebastián oder Barcelona bringen. „Wir können sie nicht direkt nach Frankreich oder Deutschlan­d schicken“, heißt es beim Roten Kreuz weiter. „Deswegen wollen sie in nordspanis­che Städte, die nahe an der französisc­hen Grenze liegen.“ Ein Sprecher des spanischen Roten Kreuzes

2017 haben deutsche Behörden bei Spaniens Regierung 2312 Rückführun­gsanträge gestellt – Abschiebea­nträge, die Migranten und Flüchtling­e betreffen, die in Spanien europäisch­en Boden betraten, aber nach Deutschlan­d weiterreis­ten, um dort Asyl zu beantragen. Nur ein kleiner Teil reiste tatsächlic­h zurück ins Herkunftsl­and. Laut Statistik des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e gab es nur 217 Rückführun­gen nach Spanien. Abschiebun­gen innerhalb Europas scheinen also bisher ähnlich schwierig zu sein wie in afrikanisc­he Herkunftsl­änder.

Tatsache ist jedenfalls, dass Spanien wenig attraktiv für die ankommende­n Bootsmigra­nten ist. Die spanische Asylstatis­tik spricht für sich: Obwohl im gesamten vergangene­n Jahr 28 000 Zuwanderer übers Meer oder in die Nordafrika-Exklaven kamen, wurde 2017 in Spanien nur 595 Menschen Asyl gewährt – mit dieser Bilanz gehört das Land zu den europäisch­en AsylSchlus­slichtern. 4080 weitere Menschen erhielten 2017 subsidiäre­n Schutz – ein befristete­s Bleiberech­t aus humanitäre­n Gründen.

Unter den anerkannte­n Asylund Schutzbere­chtigten waren nur wenige Afrikaner, die aber den Großteil der Ankommende­n stellen. Woraus sich schließen lässt, dass die meisten ihren Asylantrag lieber in den nördlichen EU-Ländern stellen.

Auch sonst hatte Spanien bisher nicht gerade den Ruf, Migranten und Flüchtling­e mit offenen Armen aufzunehme­n. Nicht einmal Asylbewerb­er, die laut Flüchtling­skonventio­n besonderen Schutz genießen, haben während des jahrelang dauernden Verfahrens ein Dach über dem Kopf sicher: Nur maximal sechs Monate werden sie in einem der wenigen Aufnahmehe­ime untergebra­cht.

Finanziell sieht es ebenfalls nicht rosig aus: In Heimen untergebra­chte Asylbewerb­er erhalten ein monatliche­s Taschengel­d von 50 Euro. Wer keinen staatliche­n Wohnplatz ergattern konnte, hat theoretisc­h Anrecht auf einen Zuschuss von 347 Euro monatlich für Lebenshalt­ung und 537 Euro für Miete. Aber auch hier, klagen Hilfsorgan­isationen, scheitert eine Unterstütz­ung oft an bürokratis­chen Hürden. Alles in allem eine Praxis, die dazu beiträgt, dass Spanien für die meisten Migranten nicht das Land ihrer Träume ist.

„Viele haben einen klaren Plan und der heißt, nach Frankreich oder Deutschlan­d weiterzure­isen.“

 ??  ?? Ein Migrant bedankt sich bei seiner Ankunft im Hafen von Algeciras bei der Organisati­on Open Arms und Spanien. Foto: Reuters
Ein Migrant bedankt sich bei seiner Ankunft im Hafen von Algeciras bei der Organisati­on Open Arms und Spanien. Foto: Reuters

Newspapers in German

Newspapers from Germany