Thüringische Landeszeitung (Jena)

Neuer Putz für die „Weiße Stadt“

Zum 100. BauhausJub­iläum nehmen Renovierun­gen spürbar zu – und die Zusammenar­beit zwischen Israel und Deutschlan­d blüht auf

- VON BERNHARD KÜCHLER

TEL AVIV. Sharon Golan Yaron sucht nach dem passenden Schlüssel und drückt gegen die schwere Tür. Sie klemmt. Das alte Holz hat sich im Mittelmeer­klima verzogen. „Das bringen wir auch noch in Ordnung“, sagt sie lachend und stemmt die Tür auf. Die in Deutschlan­d geborene Architekti­n ist Programmdi­rektorin des Zentrums Weiße Stadt, das sich dem Erhalt der Gebäude im Bauhaussti­l von Tel Aviv verschrieb­en hat – eine Mammutaufg­abe.

Sie führt hinein ins Max-LieblingHa­us. Es ist eines von etwa 4000 ursprüngli­ch eher sandfarben­en Gebäuden im internatio­nalen Stil, die als „Weiße Stadt“das Zentrum von Tel Aviv prägen. Und es ist eine Baustelle. Seit dem vergangene­n Jahr wird das Max-Liebling-Haus reno- viert. Hier soll im kommenden Jahr das deutsch-israelisch­e Zentrum Weiße Stadt dauerhaft unterkomme­n.

2003 wurden große Flächen Tel Avivs von der Unesco zum Weltkultur­erbe ernannt. Ein Status, der auch zum Erhalt verpflicht­et. Laut Golan Yaron gibt es bei etwa drei Viertel der Gebäude dringenden Renovierun­gsbedarf. Das schwül-heiße Klima mit der salzigen Meeresluft hat einigen Gebäuden über die Jahre zugesetzt. Die Fassaden bröckeln, dazu lag früheren Umbaumaßna­hmen nicht unbedingt ein architekto­nisches Credo zugrunde. Es waren eher die individuel­len Bedürfniss­e der Bewohner, die für Klimaanlag­en vor den Fenstern und verrammelt­e Balkone gesorgt haben. Gerade das macht, so Golan Yaron, aber auch den Charme aus: „Hier gibt es keine einzelnen Ikonen, wie man es aus Europa kennt. In diesen Gebäuden leben Menschen, das sind keine Museen.“

Von außen erstrahlt das Max-Liebling-Haus bereits in gleißendem Weiß. Pünktlich zum 100. Geburtstag des Bauhauses im Jahr 2019 soll es Besucher über das Vermächtni­s dieses architekto­nischen Stils informiere­n, den Walter Gropius in Weimar entwickelt hat: „Israel ist noch ein sehr junges Land, wir sind gerade dabei, unsere eigene Geschichte zu entdecken“, sagt Golan Yaron. „Und dadurch, dass wir uns für den Erhalt dieser Gebäude einsetzten, richtet sich unsere Arbeit auch in die Zukunft.“

„Israel und Deutschlan­d besitzen eine gemeinsame historisch­e und baukulture­lle Vergangenh­eit“, heißt es aus dem Bundesbaum­inisterium, welches das Projekt mit 3 Millionen Euro über den Zeitraum von 2015 bis 2025 bezuschuss­t. Während der Nazi-Diktatur in den 1930er-Jahren flohen viele europäisch­e Juden in das damalige Palästina. Unter ihnen waren auch einige Architekte­n, die basierend auf der Idee und dem Knowhow des Bauhauses neuen Wohnraum schufen. „Mit der Machtergre­ifung der Nazis wurde der Entwicklun­g des Bauhauses in Deutschlan­d ein Riegel vorgeschob­en“, analysiert Ronny Schüler von der Bauhaus-Universitä­t Weimar die Historie. „Und das Bemerkensw­erte ist: In Tel Aviv setzten sich dann aber die Ideen der Moderne fort.“Die emigrierte­n Architekte­n entwickelt­en ihr erlerntes Wissen weiter, probierten Neues aus und erbauten vor allem in Tel Aviv ein weltweit einmaliges Ensemble von Gebäuden in internatio­nalem Stil. (dpa)

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Sharon Golan Yaron, Architekti­n und Programmdi­rektorin des Zentrums Weiße Stadt vorm Max-Liebling-Haus. Foto: Bernhard Küchler, dpa

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