Thüringische Landeszeitung (Jena)

Szenenappl­aus bei Kulissenwe­chsel

Gothas EkhofFesti­val neigt sich dem Ende zu – Größter Star ist das Theater selbst

- VON WOLFGANG HIRSCH

„In der Hauptsache wollen die Leute die Kulissenve­rwandlung sehen. Der Hauptakteu­r ist unsere alte Bühnenmasc­hinerie aus dem 17. Jahrhunder­t.“

Marco Karthe, Organisato­r des EkhofFesti­vals

GOTHA.

Ohne großen Aplomb, beinahe unbemerkt tritt eines der kleinsten, schönsten und merkwürdig­sten Thüringer Festivals dieses Wochenende in die Schlusspha­se ein: das Ekhof-Festival in Gotha. Fast 3500 Besucher – wie jedes Jahr – wird es am Ende zählen, und doch – wie kaum irgendwo anders – wird nahezu jede Veranstalt­ung ausverkauf­t gewesen sein. Das rechnet sich Marco Karthe, der den musischen Reigen organisier­t, nicht zuförderst als Verdienst seines Marketings an. Denn das Ekhof-Theater auf Schloss Friedenste­in bietet lediglich 165 Sitzplätze an.

15 Mal wird dann „Marc‘ Antonio e Cleopatra“von Johann Adolph Hasse über die Bühne gegangen sein. Hasse (1699-1783) gilt als einer der wichtigste­n Komponiste­n im deutschen Hochbarock und das wiederentd­eckte Werk – eigentlich keine Oper, sondern „nur“eine Serenata – als sein musiktheat­ralischer Erstling in italienisc­her Sprache. Die Mitteldeut­sche Barockmusi­k (MBM) und die Hasse-Gesellscha­ft, Hamburg, haben die Produktion mit dem recht unbekannte­n Ensemble gl‘anancronis­ti deshalb finanziell gefördert.

Trotzdem weiß Marco Karthe nur zu gut, dass viele Besucher, die vom ersten Vorverkauf­stag, dem 1. November, an um die Tickets gefeilscht haben, als ginge es um PremiumEve­nts in Bayreuth oder Salzburg, gar nicht wegen des Werks und der Interprete­n – zu Preisen zwischen 40 und 80 Euro – gebucht haben. Der Star des Festivals ist vielmehr das Theater selbst: wegen seines authentisc­h barocken Gepränges. Das Ekhof-Theater, in den Westflügel der Schlossanl­age eingebaut, firmiert als weltweit älteste Barockbühn­e mit Schnellver­wandlungsm­aschinerie. Karthe: „Manchmal gibt‘s sogar Szenenappl­aus, wenn das Glöckchen ertönt und die Kulissen wechseln.“

Das barocke Publikum ließ sich gern mit Exotik, mit exaltiert vorge- tragenen Gefühls-Affekten und mit allerlei Theater-Effekten fasziniere­n. Dieser Zauber hat offenbar auch nach 300 Jahren nichts an seiner Wirkmacht verloren. Bei der Planung kann Karthe für Theaterauf­füh-

rungen mit stets voll ausverkauf­ten Häusern kalkuliere­n; die anderen Festival-Intendante­n im Lande werden ihn darum beneiden. Nur für Konzerte setzt er vorsichtsh­alber eine 40-Prozent-Marge an. Dann liegen die Eintrittsp­reise zwar mit 15 bis 30 Euro deutlich günstiger, aber es soll schon vorgekomme­n sein, dass mal ein Plätzchen frei blieb. Auch für die beiden letzten Musikauffü­hrungen gab es gestern noch Restkarten. Der einfache Grund: Sobald Kulissen und -schieber dienstfrei haben, fehlt mit dem szenischen Aufwand auch der besondere Reiz.

Selbstvers­tändlich bemüht man sich im Ekhof-Theater um eine authentisc­he Aufführung­spraxis und wählt auch die Stücke aus dem Barock-Repertoire. Dieses Jahr Hasse, nächstes Jahr wieder Schauspiel von Molière, „Die Schule der Ehemänner“. Der Erfolg scheint regelrecht programmie­rt zu sein, so dass Karthe mit dem eigentlich schmalen Festi- val-Etat von 150 000 Euro leidlich auskommt. Nur eines bereitet ihm Sorgen: Steigen die Mindestlöh­ne weiter, könnten die Kosten für die heimlichen Hauptakteu­re – die Kulissensc­hieber – Probleme bereiten. Anderersei­ts leisten gerade sie Schwerstar­beit; diesen Sommer haben die Temperatur­en in der Obermaschi­nerie die 40-Grad-Marke überschrit­ten, und unter der Bühne, wo ein eichener Wellbaum die Kulissen bewegt, ist es kaum kühler.

Am Ende des achtwöchig­en Ekhof-Festivals steht stets ein Barockfest, dieses Jahr am 25. August. Dann locken Kutschfahr­ten im Park, ein Markt im Hof und Veranstalt­ungen und Musik – mit der Thüringen Philharmon­ie Gotha-Eisenach – in der gesamten Schlossanl­age. Ticketsorg­en bestehen dann nicht, und Marco Karthe kommt – angesichts üblicherwe­ise rund 7000 Gästen – beim Abrechnen in Schweiß.

 ??  ?? Um möglichst authentisc­h barocke Aufführung­spraxis bemüht man sich für Hasses Oper „ Marc‘ Antonio e Cleopatra“im Ekhof-Theater zu Gotha. Foto: Lutz Ebhardt
Um möglichst authentisc­h barocke Aufführung­spraxis bemüht man sich für Hasses Oper „ Marc‘ Antonio e Cleopatra“im Ekhof-Theater zu Gotha. Foto: Lutz Ebhardt
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany