Thüringische Landeszeitung (Jena)
Spuren der östlichen Vorstadt
Bauarbeiten für neuen Campus am Jenaer Inselplatz haben begonnen – Als erste sind die Archäologen dran
JENA. Die Sonne knallt auf die große freie Fläche des Inselplatzes. Kleine Sonnenschirme bieten wenigstens etwas Schatten für die jungen Leute, die hier zurzeit Spuren der Geschichte freilegen. Seit vergangener Woche ist ein Team des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie auf dem Inselplatz aktiv – sozusagen als erste Stufe für den Bau des neuen Campus‘, der hier entstehen soll.
Doch bevor es ernst wird mit dem Campus-Bau, sind Ausgrabungen angesagt – zunächst an der Seite zum Löbdergraben, später auch am Steinweg, wo das neue Firmengebäude von Intershop gebaut werden soll. Außerdem sind an der östlichen Seite des Inselplatzes in Richtung Anger erste Grabungsschnitte gemacht worden, bei denen man auf Spuren aus dem 13. Jahrhundert gestoßen ist.
Was erwarten die Archäologen um Tim Schüler, Abteilungsleiter für archäologische Fachaufgaben des Landesamtes, hier in der Erde? „Viel ist ja leider zerstört worden, als in den 1980er Jahren hier das Kaufhaus gebaut wurde.“
Schade, meint Schüler, denn hier habe sich wohl das im 14. Jahrhundert errichtete Nikolaus-Spital befunden. „Auf diesem Areal des einstigen Kaufhauses werden wir nicht mehr graben. Unser Ziel ist es, ein Profil über die Entwicklung dieses Gebiets zu erstellen. Vermutlich werden wir auf Spuren mittelalterlicher und neuzeitlicher Besiedlung stoßen. Aber die Nähe zur Saale könnte auch Überraschungen bringen.“So seien durchaus Spuren bronzezeitlicher Siedlungen oder sogar noch ältere nicht auszuschließen.
Die Mitarbeiter der Grabung, darunter Studenten der Ur- und Frühgeschichte der Jenaer Universität, haben schon einige Mauerreste der einst hier stark Zeichnerisch hält Mirjam Kastner am Inselplatz einzelne Grabungssegmente fest.
vorhandenen Bebauung freigelegt. Auch alte Keller werde man sicher noch einige finden, meint Schüler. Er rechnet wie bei vorherigen Grabungen in diesen Gebieten mit dem Finden von alten Bottichen der einst hier wirkenden Gerber und Färber. Solche Gewerke seien wegen Geruchsbelästigungen und Umweltbelastungen zumeist außerhalb der Stadtmauern angesiedelt worden.
Auf dem Inselplatz floss einst auch die Lache, einer der wahrscheinlich einst mehreren Nebenarme der Saale, der später von den Menschen vergrößert Mauerreste eines offenbar kleinen Gebäudes werden hier freigelegt. Saku Konrad und Niels Brzoska gehören zum Team der Archäologen, die sich am Inselplatz auf die Spuren der Stadtgeschichte gemacht haben.
worden sei. Überhaupt haben Untersuchungen ergeben, dass sich die hier lebenden Menschen oft mit Hochwasser auseinandersetzen mussten. So habe man ermitteln können, dass das Höhenniveau dieses Gebiets auf
dem heutigen Inselplatz immer mal wieder künstlich angehoben worden sei, um sich vor dem Hochwasser besser zu schützen.
Durch den recht hohen Grundwasserpegel rechnet Schüler auch mit erhaltenen Holzbalken, die Aufschluss erlauben auf frühere Bebauungen.
Etwas Wertvolles ist auch die Müllgrube, die man an den ersten Grabungstagen entdeckt habe. Sie sei noch abgedeckt und werde später genauer untersucht. Hier erhoffen sich die Archäolo-
gen Hinweise darauf, was die Menschen einst gegessen haben, welches Geschirr sie nutzten oder auch, was sie für Handwerk betrieben. Unter den Alltagsgegenständen könnten auch Reste einfacher Musikinstrumente und Spielsachen sein.
Bei den Ausgrabungen kommt übrigens moderne Technik zum Einsatz. Tim Schüler verweist auf die GPS-Technik, mit deren Hilfe er das Gelände vermessen und genaue Daten ermitteln könne. Ansonsten müssen die Mitarbeiter natürlich sehr manuell zu Werke gehen. Nachdem der Bagger ihnen das Erdreich bis etwa 1,60 Meter Tiefe freigeschaufelt hat, bearbeiten sie mit Spaten und Händen einzelne Untersuchungsfelder. Fachmännischer Blick und geschickte Hände sind da gefragt. Außerdem wird vieles fotografisch und auch zeichnerisch festgehalten.
Der Plan ist, bis zum Oktober auf dem Inselplatz zu graben.
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