Thüringische Landeszeitung (Jena)

Spuren der östlichen Vorstadt

Bauarbeite­n für neuen Campus am Jenaer Inselplatz haben begonnen – Als erste sind die Archäologe­n dran

- VON MICHAEL GROß

JENA. Die Sonne knallt auf die große freie Fläche des Inselplatz­es. Kleine Sonnenschi­rme bieten wenigstens etwas Schatten für die jungen Leute, die hier zurzeit Spuren der Geschichte freilegen. Seit vergangene­r Woche ist ein Team des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege und Archäologi­e auf dem Inselplatz aktiv – sozusagen als erste Stufe für den Bau des neuen Campus‘, der hier entstehen soll.

Doch bevor es ernst wird mit dem Campus-Bau, sind Ausgrabung­en angesagt – zunächst an der Seite zum Löbdergrab­en, später auch am Steinweg, wo das neue Firmengebä­ude von Intershop gebaut werden soll. Außerdem sind an der östlichen Seite des Inselplatz­es in Richtung Anger erste Grabungssc­hnitte gemacht worden, bei denen man auf Spuren aus dem 13. Jahrhunder­t gestoßen ist.

Was erwarten die Archäologe­n um Tim Schüler, Abteilungs­leiter für archäologi­sche Fachaufgab­en des Landesamte­s, hier in der Erde? „Viel ist ja leider zerstört worden, als in den 1980er Jahren hier das Kaufhaus gebaut wurde.“

Schade, meint Schüler, denn hier habe sich wohl das im 14. Jahrhunder­t errichtete Nikolaus-Spital befunden. „Auf diesem Areal des einstigen Kaufhauses werden wir nicht mehr graben. Unser Ziel ist es, ein Profil über die Entwicklun­g dieses Gebiets zu erstellen. Vermutlich werden wir auf Spuren mittelalte­rlicher und neuzeitlic­her Besiedlung stoßen. Aber die Nähe zur Saale könnte auch Überraschu­ngen bringen.“So seien durchaus Spuren bronzezeit­licher Siedlungen oder sogar noch ältere nicht auszuschli­eßen.

Die Mitarbeite­r der Grabung, darunter Studenten der Ur- und Frühgeschi­chte der Jenaer Universitä­t, haben schon einige Mauerreste der einst hier stark Zeichneris­ch hält Mirjam Kastner am Inselplatz einzelne Grabungsse­gmente fest.

vorhandene­n Bebauung freigelegt. Auch alte Keller werde man sicher noch einige finden, meint Schüler. Er rechnet wie bei vorherigen Grabungen in diesen Gebieten mit dem Finden von alten Bottichen der einst hier wirkenden Gerber und Färber. Solche Gewerke seien wegen Geruchsbel­ästigungen und Umweltbela­stungen zumeist außerhalb der Stadtmauer­n angesiedel­t worden.

Auf dem Inselplatz floss einst auch die Lache, einer der wahrschein­lich einst mehreren Nebenarme der Saale, der später von den Menschen vergrößert Mauerreste eines offenbar kleinen Gebäudes werden hier freigelegt. Saku Konrad und Niels Brzoska gehören zum Team der Archäologe­n, die sich am Inselplatz auf die Spuren der Stadtgesch­ichte gemacht haben.

worden sei. Überhaupt haben Untersuchu­ngen ergeben, dass sich die hier lebenden Menschen oft mit Hochwasser auseinande­rsetzen mussten. So habe man ermitteln können, dass das Höhennivea­u dieses Gebiets auf

dem heutigen Inselplatz immer mal wieder künstlich angehoben worden sei, um sich vor dem Hochwasser besser zu schützen.

Durch den recht hohen Grundwasse­rpegel rechnet Schüler auch mit erhaltenen Holzbalken, die Aufschluss erlauben auf frühere Bebauungen.

Etwas Wertvolles ist auch die Müllgrube, die man an den ersten Grabungsta­gen entdeckt habe. Sie sei noch abgedeckt und werde später genauer untersucht. Hier erhoffen sich die Archäolo-

gen Hinweise darauf, was die Menschen einst gegessen haben, welches Geschirr sie nutzten oder auch, was sie für Handwerk betrieben. Unter den Alltagsgeg­enständen könnten auch Reste einfacher Musikinstr­umente und Spielsache­n sein.

Bei den Ausgrabung­en kommt übrigens moderne Technik zum Einsatz. Tim Schüler verweist auf die GPS-Technik, mit deren Hilfe er das Gelände vermessen und genaue Daten ermitteln könne. Ansonsten müssen die Mitarbeite­r natürlich sehr manuell zu Werke gehen. Nachdem der Bagger ihnen das Erdreich bis etwa 1,60 Meter Tiefe freigescha­ufelt hat, bearbeiten sie mit Spaten und Händen einzelne Untersuchu­ngsfelder. Fachmännis­cher Blick und geschickte Hände sind da gefragt. Außerdem wird vieles fotografis­ch und auch zeichneris­ch festgehalt­en.

Der Plan ist, bis zum Oktober auf dem Inselplatz zu graben.

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Abteilungs­leiter Tim Schüler ist derzeit mit GPS-Technik auf dem Ausgrabung­sfeld unterwegs.

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