Thüringische Landeszeitung (Jena)
Genug Klassenräume: eine Gratwanderung
Zahl der Jenaer AbcSchützen hat sich abermals erhöht – SchulverwaltungsChef verweist auf permanente Netzplanung
JENA. Wo führt das noch hin? Neuerlich hat sich die Zahl der Schulanfänger in Jena gegenüber dem Vorjahr erhöht – um 17 auf 1072. Im Schuljahr 2009/2010 waren es noch 779 Abc-Schützen. Somit sei die 2016 erstellte Fünf-Jahre-Prognose bereits um etwa vier Schulklassen überschritten worden, sagt im Zeitungsgespräch Jenas Schulverwaltungs-Chef René Ehrenberg. „Mindestens auf dem hohen Level wird das so bleiben“, indessen die Landesregierung einen enormen Anstieg vorausgesagt habe. Die 22 Grundschulen beziehungsweise Häuser mit eingeschlossener Grundschul-Offerte angeschaut, sind die West-, HeinrichHeine- und Saaletalschule die Einrichtungen mit den meisten neuen Erstklässlern: 100, 98 und 93 Schüler in jeweils vier Klassen. „Aktuell reichen unsere Kapazitäten aus“, sagt Ehrenberg. Folgerichtig zeigt der Zahlenstrahl bei den weiterführenden Schulen ebenfalls nach oben: 998 Mädchen und Jungen – 2009/2010 waren es 779 – werden am Montag in Jenas Schulen als neue Fünftklässler begrüßt, davon 554 an Gemeinschaftsschulen und 444 an Gymnasien. Nach Ehrenbergs Einschätzung wird das typische Jenaer Nachfrage-Übergewicht pro Gemeinschaftsschule (56 zu 44 Prozent gegenüber Gymnasien) auch in Zukunft fortbestehen.
Einige Details: Für das AdolfReichwein-Gymnasium, das seinen Status nach Jahren unterm Segel einer Kooperativen Gesamtschule rückerstattet bekommen hat, stehe jetzt die Aufgabe, ein starkes Konzept zu erstellen. Das „sehr engagierte Kollegium“wäge noch ab, wie sich die Orientierung als „digitalisierte Schule“und ein musikalisch-künstlerischer Schwerpunkt etablieren lassen; dazu der Versuch, neben dem achteinen neunjährigen Weg zum Abi anzubieten. „Wir brauchen ein starkes Konzept, so dass sich mehr Eltern interessieren“, sagte René Ehrenberg. Eine neue fünfte Klasse mit 24 Schülern startet am Montag. Nicht zuletzt solle Exklusion vermieden werden. Heißt: „Kinder, die dort angemeldet werden, sollen auch zum Abschluss geführt werden.“Das möge den 10-Klassen-Abschluss einschließen, weshalb Ehrenberg kein Schwarz-Weiß bei den modernen gymnasialen Aufgaben sieht, sondern auch „Grautöne“, wie er sagt. Freilich müssten die Lehrer bei „lernzielungleichen Perspektiven“auch die Methodenvielfalt vermittelt bekommen. So stehe im September der Besuch des mit dem Deutschen Schulpreis geehrten Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Lüdenscheid an. „Es bietet gute Unterstützungssysteme, um Exklusion zu vermeiden.“
Zu den weiteren aktuellen Aufgaben gehört es, in der Janisschule einen zusätzlichen Förderbereich für Kinder mit Nachteilen bei der geistigen Entwicklung einzurichten; dafür stünden zusätzliche Räume im Domizil Breitscheidstraße (Lobeda-Ost) zur Verfügung. Indessen soll die andere Förder-Einrichtung – die Kastanienschule – als „Schule ohne Schüler“fungieren: Die sonderpädagogischen Ressourcen würden an allen „normalen“Schulen genutzt, um dort nach dem Inklusionsgrundsatz unterrichtete Kinder mit Handicap zu begleiten, erläutert René Ehrenberg. „Das greift dann im Schuljahr 2019/2020.“
Aber nicht nur inhaltlich-personell bedingt – Stichwort: neue berufsorientierte Gemeinschaftsschule vom kommenden Schuljahr an in Lobeda-West –, sondern auch wegen der puren baulichen und materiellen Planungen dampfen die Köpfe. So muss die Stadtverwaltung zusätzlich zur 25-Millionen-Bauleistung für die neue Gemeinschaftsschule Wenigenjena (Jenzigweg) noch für 2,1 Millionen Euro Medientechnik, Möbel, Lehr- und Unterrichtsmaterial besorgen. Zieht doch die Schule von ihrem externen Start-Ort im ehemaligen Domizil des SchottGymnasiums, Erlanger Allee, zum nächstjährigen Schuljahresbeginn in den Neubau ein, der auf eine Kapazität von 850 Schülern ausgelegt ist.
Damit einher gehen dann Planungen für den Umbau des alten Schottgymnasiums. Es wird als Heimstatt für die kommunale Kulturanum-Schule maßgeschneidert, die am derzeitigen Sitz in der Karl-Marx-Allee 7 bald zu beengt ist.
Grundsätzliches: Seit Monaten wird in Jena geredet über die Prognosen der kommunalen Entwicklung bis 2030, zumal der Stadt in den nächsten Jahren Riesen-Investitionen wie der neue Zeiss-Campus, die Inselplatz-Bebauung der Uni oder die 100-Millionen-Spritze der Firma Everpharma beschert sind. Entspricht denn die Schulnetzplanung dem erwartbaren Einwohner-Zuwachs? Von wegen „Aktuell reichen die Kapazitäten aus“! – „Uns ist bewusst, dass das eine Gratwanderung ist“, sagt Ehrenberg. Die Schulen müssten nach den hohen Investitionen natürlich zunächst ausgelastet werden. Klar sei aber zum Beispiel auch, dass die Ganztagsschulen mehr Kapazitäten benötigten, als sie jetzt haben. Gerade um auf Stadtentwicklung mit Schulangeboten flexibel zu reagieren, sei festgelegt worden, die Netzplanung jährlich anzuschauen und fortzuschreiben. Es gebe „permanent Abgleiche und Szenarien“.
So habe die Schulverwaltung etwa den Wohnbau im Norden der Stadt im Blick, den dort wachsenden Bildungsbedarf werde die Rautalschule nicht ewig allein stemmen können. Und wer zum Beispiel im künftigen Zwätzener Wohngebiet Oelste lebt, dem bringe der Verweis auf die Nordschule wegen der beträchtlichen Distanz „nicht die große Freude“.
Am Ball bleiben möchte die Schulverwaltung auch bei der konkret inhaltlichen Alltagsarbeit der Schulen. Dazu werde es Zielvereinbarungsgespräche mit jeder Schule und nach zwei Jahren jeweils ein Folgetreffen geben, berichtet Ehrenberg. Beispiel: Die Schule könne vorgeben, die Anzahl der MittagessenTeilnehmer zu erhöhen. „Nach zwei Jahren würde dann geschaut, ob das geklappt hat.“– Passt im Übrigen zum „Modellprojekt Mittagessen“, mit dem die Qualität der Speisenangebote in elf Schulen evaluiert wurde.