Thüringische Landeszeitung (Jena)

Familie muss sich Jena leisten können

Sommergesp­räch: Die Linke hofft darauf, dass sich in der koalitions­freien Zeit viel für Jena auf den Weg bringen lässt

- VON THOMAS BEIER

JENA. Beim Sommergesp­räch mit zwei Vertretern der Jenaer Linksparte­i gab es zum Glück für die Presse etwas Zoff. Freundscha­ftlicher Art natürlich zwischen Martina Flämmich-Winckler, Fraktionsv­orsitzende im Stadtrat, und Ralph Lenkert, Stadtrat und zugleich Bundestags­mitglied. Es ging um Schwimmhal­lenneubau und Stadionneu­bau, wo beide Kommunalpo­litiker unterschie­dliche Auffassung­en haben trotz gleicher Parteibüch­er.

Er hätte sich die neue Schwimmhal­le in Jena-Nord oder stadtzentr­al gewünscht, um die bestehende Schwimmhal­le in Lobeda-West vielleicht zusätzlich zu erhalten. Sie ist klar für eine neue Schwimmhal­le in Lobeda und wäre froh gewesen, wenn das Fußball-Stadion über die Jahre erhalten und saniert worden wäre, um jetzt nicht das teure Neubauproj­ekt angehen zu müssen, das er gut findet. Ansonsten waren sich beide Politiker ziemlich einig.

Die Linksparte­i hatte im Jenaer Stadtrat in den vergangene­n Jahren das Problem, dass sie der Opposition angehörte. Ideen und Anregungen konnten so gut sein, wie sie wollten. Eine Mehrheit fand die Linke zumeist nicht. Mit der Oberbürger­meister-Wahl ist das anders geworden. Die Koalition von CDU, SPD und Grünen gibt es nicht mehr, so dass die Linke bei wechselnde­n Mehrheiten eher zum Zuge kommen könnte, wenn sie mit ihren Themen durchdring­t.

Koalitions­frei bis zur Stadtratsw­ahl 2019? Die Linke hofft darauf. Die Debatte um den Stadthaush­alt für die kommenden beiden Jahre könnte eine erste Bewährungs­probe sein.

Viele linke Themen beinhalten das Wörtchen sozial, zum Beispiel der soziale Wohnungsba­u. Flämmich-Winckler hat es in der Nachbarsch­aft selbst erlebt, dass eine Familie den mit drei Kindern wachsenden Wohnraumbe­darf nur dadurch erfüllen kann, dass sie aus Lobeda nach Stadtroda zieht. „Das kann‘s doch nicht sein“, sagt Flämmich-Winckler. Neben neuen Wohnbauflä­chen gelte es, Gewerbeflä­chenbedarf im Blick zu haben. Natürlich gebe das mitunter Gesprächsb­edarf mit den Bürgern. Dann gelte es, diese zeitiger mitzunehme­n als jüngst bei Bauvorhabe­n in Burgau und Zwätzen geschehen. Im Prinzip gehe es um eine Weiterentw­icklung der Strategie, wie sie früher beim Gehwegbau in den Großwohnge­bieten gefahren wurde: warten, bis die Leute Trampelpfa­de geschaffen haben, und dann dort Gehwegplat­ten verlegen.

Martina Flämmich-Winckler, die im April eine der OB-Kandidaten war, hofft, dass die Partei- en der Mitbewerbe­r dran bleiben an Themen, die sie seinerzeit aufriefen. Bei der SPD erinnert sie dabei besonders an das Thema kostenlose­r Schülernah­verkehr, bei CDU und FDP sieht sie vor allem die Ankündigun­g einer besseren Kooperatio­n mit dem Umland.

Mehr Busse zwischen Apolda und Jena

Ralph Lenkert nennt Letzteres „bessere Vernetzung“, er richtet dabei besonders den Blick nach Nordwesten. Ja, es gehe um Infrastruk­tur. Mehr Busse zwischen Apolda und Jena seien ein erster, wichtiger Schritt, wie es auch die Anbindung auf der Schiene deutlich zu verbessern gelte. Von einer Verlängeru­ng der Pfeffermin­zbahn von Sömmerda über den derzeitige­n Endpunkt Buttstädt nach Bad Sulza und Jena würde die gesamte Region profitiere­n. Das könnte auch Entspannun­g auf dem Jenaer Wohnungsma­rkt bringen, wenn ein verdichtet­er ÖPNVTakt Wohngebiet­e im Umland attraktive­r macht. „Wir selbst können gar nicht so viele Wohnungen bauen“, sagt Lenkert.

Angesichts der vor Jena liegenden Aufgaben wächst bei den Linken die Sorge, ob dies mit den vorhandene­n Stadtstruk­turen überhaupt so geht. Schon im Kleinen, etwa beim Denkmal für die Opfer des Faschismus am Heinrichsb­erg, gebe es Probleme, wenn der eine Eigenbetri­eb Flächeneig­entümer, der andere aber für den Unterhalt zuständig ist.

Ralph Lenkert zählte am Donnerstag um die 20 Großprojek­te auf, bei denen Jena in den kommenden Jahren dicke Bretter bohren müsse – und die Liste war bei Weitem nicht vollständi­g. Die bisher oft gefahrene Strategie „Schau mer mal, wie‘s läuft“, sei nicht der richtige Ansatz. Flämmich-Winckler setzt vor allem darauf, dass Entscheidu­ngen Optionen für die Zukunft offen halten, später womöglich nötige Veränderun­gen nicht erschweren. Überhaupt wünscht sich Ralph Lenkert, dass die Stadt einige Dinge grundsätzl­icher betrachtet. Ein Konzept entwickelt, in welche Richtung sie sich wo entwickeln will. Da sei natürlich auch das Entschuldu­ngskonzept eines, über das man reden müsse.

Für auf Zukunft und Wachstum gerichtete Stadtentwi­cklungspro­jekte seien neue Schulden daher legitim. Also etwa für eine neue Schule, Schwimmhal­le, eine Bahn-Station oder ein Stadion – „und dabei nicht die Leichtathl­etik vergessen“, ergänzte Martina FlämmichWi­nkler, woraufhin sich das eingangs beschriebe­ne Sommergesp­räch entwickelt­e.

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Nein, nein, es kam natürlich nicht zu einem Armdrücken zwischen Ralph Lenkert und Martina Flämmich-Winkler beim Sommergesp­räch mit der Zeitung, das an einem schattigen Platz am Holzmarkt stattfand. Foto: Thomas Beier

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