Thüringische Landeszeitung (Jena)
Familie muss sich Jena leisten können
Sommergespräch: Die Linke hofft darauf, dass sich in der koalitionsfreien Zeit viel für Jena auf den Weg bringen lässt
JENA. Beim Sommergespräch mit zwei Vertretern der Jenaer Linkspartei gab es zum Glück für die Presse etwas Zoff. Freundschaftlicher Art natürlich zwischen Martina Flämmich-Winckler, Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, und Ralph Lenkert, Stadtrat und zugleich Bundestagsmitglied. Es ging um Schwimmhallenneubau und Stadionneubau, wo beide Kommunalpolitiker unterschiedliche Auffassungen haben trotz gleicher Parteibücher.
Er hätte sich die neue Schwimmhalle in Jena-Nord oder stadtzentral gewünscht, um die bestehende Schwimmhalle in Lobeda-West vielleicht zusätzlich zu erhalten. Sie ist klar für eine neue Schwimmhalle in Lobeda und wäre froh gewesen, wenn das Fußball-Stadion über die Jahre erhalten und saniert worden wäre, um jetzt nicht das teure Neubauprojekt angehen zu müssen, das er gut findet. Ansonsten waren sich beide Politiker ziemlich einig.
Die Linkspartei hatte im Jenaer Stadtrat in den vergangenen Jahren das Problem, dass sie der Opposition angehörte. Ideen und Anregungen konnten so gut sein, wie sie wollten. Eine Mehrheit fand die Linke zumeist nicht. Mit der Oberbürgermeister-Wahl ist das anders geworden. Die Koalition von CDU, SPD und Grünen gibt es nicht mehr, so dass die Linke bei wechselnden Mehrheiten eher zum Zuge kommen könnte, wenn sie mit ihren Themen durchdringt.
Koalitionsfrei bis zur Stadtratswahl 2019? Die Linke hofft darauf. Die Debatte um den Stadthaushalt für die kommenden beiden Jahre könnte eine erste Bewährungsprobe sein.
Viele linke Themen beinhalten das Wörtchen sozial, zum Beispiel der soziale Wohnungsbau. Flämmich-Winckler hat es in der Nachbarschaft selbst erlebt, dass eine Familie den mit drei Kindern wachsenden Wohnraumbedarf nur dadurch erfüllen kann, dass sie aus Lobeda nach Stadtroda zieht. „Das kann‘s doch nicht sein“, sagt Flämmich-Winckler. Neben neuen Wohnbauflächen gelte es, Gewerbeflächenbedarf im Blick zu haben. Natürlich gebe das mitunter Gesprächsbedarf mit den Bürgern. Dann gelte es, diese zeitiger mitzunehmen als jüngst bei Bauvorhaben in Burgau und Zwätzen geschehen. Im Prinzip gehe es um eine Weiterentwicklung der Strategie, wie sie früher beim Gehwegbau in den Großwohngebieten gefahren wurde: warten, bis die Leute Trampelpfade geschaffen haben, und dann dort Gehwegplatten verlegen.
Martina Flämmich-Winckler, die im April eine der OB-Kandidaten war, hofft, dass die Partei- en der Mitbewerber dran bleiben an Themen, die sie seinerzeit aufriefen. Bei der SPD erinnert sie dabei besonders an das Thema kostenloser Schülernahverkehr, bei CDU und FDP sieht sie vor allem die Ankündigung einer besseren Kooperation mit dem Umland.
Mehr Busse zwischen Apolda und Jena
Ralph Lenkert nennt Letzteres „bessere Vernetzung“, er richtet dabei besonders den Blick nach Nordwesten. Ja, es gehe um Infrastruktur. Mehr Busse zwischen Apolda und Jena seien ein erster, wichtiger Schritt, wie es auch die Anbindung auf der Schiene deutlich zu verbessern gelte. Von einer Verlängerung der Pfefferminzbahn von Sömmerda über den derzeitigen Endpunkt Buttstädt nach Bad Sulza und Jena würde die gesamte Region profitieren. Das könnte auch Entspannung auf dem Jenaer Wohnungsmarkt bringen, wenn ein verdichteter ÖPNVTakt Wohngebiete im Umland attraktiver macht. „Wir selbst können gar nicht so viele Wohnungen bauen“, sagt Lenkert.
Angesichts der vor Jena liegenden Aufgaben wächst bei den Linken die Sorge, ob dies mit den vorhandenen Stadtstrukturen überhaupt so geht. Schon im Kleinen, etwa beim Denkmal für die Opfer des Faschismus am Heinrichsberg, gebe es Probleme, wenn der eine Eigenbetrieb Flächeneigentümer, der andere aber für den Unterhalt zuständig ist.
Ralph Lenkert zählte am Donnerstag um die 20 Großprojekte auf, bei denen Jena in den kommenden Jahren dicke Bretter bohren müsse – und die Liste war bei Weitem nicht vollständig. Die bisher oft gefahrene Strategie „Schau mer mal, wie‘s läuft“, sei nicht der richtige Ansatz. Flämmich-Winckler setzt vor allem darauf, dass Entscheidungen Optionen für die Zukunft offen halten, später womöglich nötige Veränderungen nicht erschweren. Überhaupt wünscht sich Ralph Lenkert, dass die Stadt einige Dinge grundsätzlicher betrachtet. Ein Konzept entwickelt, in welche Richtung sie sich wo entwickeln will. Da sei natürlich auch das Entschuldungskonzept eines, über das man reden müsse.
Für auf Zukunft und Wachstum gerichtete Stadtentwicklungsprojekte seien neue Schulden daher legitim. Also etwa für eine neue Schule, Schwimmhalle, eine Bahn-Station oder ein Stadion – „und dabei nicht die Leichtathletik vergessen“, ergänzte Martina FlämmichWinkler, woraufhin sich das eingangs beschriebene Sommergespräch entwickelte.