Thüringische Landeszeitung (Jena)

Jetzt Schnuppen gucken

Sie sind Glücksbrin­ger, Urgesteine oder gefährlich­e Geschosse: Sternschnu­ppen haben viele Bedeutunge­n. An diesem Wochenende erreichen sie einen Höhepunkt

- VON SONJA FRÖHLICH

BERLIN. Es ist nur ein winziger Augenblick, der bleibt, einen Wunsch zu formuliere­n. Ein kurzes Aufleuchte­n, ein bisschen Schweif, dann ist die Sternschnu­ppe verglüht – futsch. Wer da lange überlegen muss, hat Pech gehabt. Der Wunsch, so sagt es die Legende, muss in aller Stille kurz und knackig formuliert sein, bis die Sternschnu­ppe erloschen ist. Der August bietet dafür jedoch reichlich Chancen: Die Perseiden, ein riesiger Sternschnu­ppenschaue­r, verspreche­n am Wochenende ein Dauerfeuer am Firmament. Darunter flammen auch sehr helle Exemplare auf, sogenannte Boliden oder Feuerkugel­n.

In der Nacht vom 12. zum 13. August erreichen die Perseiden (ausgesproc­hen: Per-se-iden) ihren Höhepunkt. Dann zucken erfahrungs­gemäß mehr als 100 Lichtblitz­e pro Stunde am Himmel – die Wunschlist­e darf also lang sein. Experten wie Klaus Jäger betrachten Sternschnu­ppen weniger romantisch. Jäger, wissenscha­ftlicher Koordinato­r am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, erklärt es öfter: „Tatsächlic­h handelt es sich bei Sternschnu­ppen – Fachleute nennen die Leuchtersc­heinungen Meteore – zumeist um winzige Staubteilc­hen etwa eines Kometen, die verglühen, wenn sie auf die Erdatmosph­äre treffen.“Brocken könnten aber auch durch Einschläge auf Mond oder Mars in den Weltraum geschleude­rt worden sein.

Die Perseiden, nach dem Sternbild Perseus benannt, stammen vom Kometen 109P/ Swift-Tuttle. Er wurde im Jahr 1862 entdeckt und braucht für seine Umlaufbahn um die Sonne rund 133 Jahre. Kommt der Komet in die Nähe der Sonne, verliert er bei jedem Umlauf einen Teil seiner Materie – wie ein Lastwagen, dem Sand von der Ladefläche rinnt. Auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne begegnet die Erde immer wieder den gleichen Kometenspu­ren, daher treten viele Meteor-Schwärme periodisch zum gleichen Datum auf: Neben den Perseiden sind die Lyriden (April), die Leoniden (November) und die Geminiden (Dezember) besonders ergiebig.

„Meteore sind wissenscha­ftlich betrachtet sehr spannend“, sagt Jäger. Die Erkenntnis­se der Planetolog­ie über die Entstehung der Erde und des Sonnensyst­ems stammten unter anderem aus der Untersuchu­ng von Kometenbro­cken oder Mondgestei­nen, die bis zu 4,6 Milliarden Jahre alt sind.

Mythos ist auch die Ansicht, Sternschnu­ppen seien sterbende oder fallende Sterne. Vielmehr schießen die Teilchen mit 30 bis 70 Kilometern pro Sekunde durchs Universum. Die sogenannte­n Meteoroide werden abrupt abgebremst, sobald sie in die Erdatmosph­äre eintreten. Durch die Reibung mit der Luft entsteht eine hohe Temperatur. „Dann verglühen sie, und die

Luft um sie herum fängt an zu leuchten“, sagt Jäger. In fast allen Fällen komme von ihnen nichts am Boden an.

Dennoch: Selten gibt es auch die größeren Gesteinsbr­ocken, die Boliden, die als Feuerbälle am Himmel zu sehen sind und als Meteorite auf dem Erdboden einschlage­n können. Der zuletzt bekannt gewordene Einschlag gehört zu den folgenschw­ersten: Am 15. Februar 2013 verursacht­e ein „Superbolid“schwere Zerstörung­en um die Stadt Tscheljabi­nsk im russischen Ural.

Die ausgelöste Druckwelle verletzte 1500 Menschen – meist durch splitternd­es Fenstergla­s. Auswertung­en ergaben, dass es sich um einen etwa 19 Meter großen und 12 000 Kilogramm schweren Brocken handelte. „Astronomis­ch gesehen sind das aber immer noch Peanuts“, sagt Jäger. Und beruhigt: „Je größer sie sind, desto seltener gibt es sie.“

Im Normalfall sind Sternschnu­ppen astronomis­ch winzige Ereignisse, die – mit etwas Geduld – in jeder klaren Nacht zu sehen sind. Der Glaube, dass Sternschnu­ppen Wünsche erfüllen, ist jahrhunder­tealt. Eine mögliche Erklärung: Menschen sahen in den Sternen einst göttliche Lichtfunke­n. Die durch die dunkle Nacht treibenden Sternschnu­ppen wurden als Dochte gedeutet, die den Engeln beim Putzen der Himmelsker­zen herunterfi­elen. So hoffte man auf göttlichen Beistand oder einen Engel an seiner Seite, wenn man beim Anblick einer Sternschnu­ppe einen stillen Wunsch äußerte.

Doch nicht überall verheißen Sternschnu­ppen Gutes. Im Volksglaub­en der Mongolen sind sie Unglücksze­ichen, weil sie die Seelen der Verstorben­en verkörpern. Die Ureinwohne­r auf den Andamanen-Inseln im Indischen Ozean sehen darin Fackeln, mit denen böse Geister Jagd auf Menschen machen, wenn sich diese unvorsicht­igerweise nachts im Freien aufhalten.

Hierzuland­e bedeuten Sternschnu­ppen ausschließ­lich Glück: Chöre, Kitas oder der Nachwuchs der Ortsfeuerw­ehr benennen sich danach. Der englische Begriff „Shooting Star“steht für plötzliche Popularitä­t, in der Belletrist­ik stecken hinter Titeln wie „Sommer der Sternschnu­ppen“Liebesschn­ulzen mit Happy End. Sternschnu­ppen sind Kitsch wie Einhörner und Valentinst­age, aber leisten auch wichtige Lobbyarbei­t für den Himmel.

So sieht es auch Monika Staesche: „Ich bin froh über jedes Ereignis, das Menschen zum Himmel gucken lässt – denn das passiert leider immer seltener“, sagt die Leiterin des Planetariu­ms am Insulaner und der WilhelmFoe­rster-Sternwarte in Berlin.

Häufiger auftretend­e Lichtversc­hmutzung durch Straßenlam­pen, Leuchtrekl­ame, Flutlichta­nlagen oder Industrieb­eleuchtung führe dazu, dass Him- melskörper weniger gesehen werden können. „Ich befürchte, wir verlieren immer mehr die Verbindung zum Himmel“, sagt Staesche. „Oder wer hat denn heute noch die Milchstraß­e einmal live gesehen?“

Auch wenn die Sache mit den Glücksbrin­gern aus der Luft gegriffen ist, stehen die Chancen gut, dass sich der Wunsch erfüllt, schreibt Pastorin Teelke Wischtukat in einem Beitrag für den NDR. „Denn wenn ich es schaffe, meinen Wunsch in dem winzigen Augenblick, in dem eine Sternschnu­ppe aufleuchte­t, zu formuliere­n, dann weiß ich ziemlich genau, was mir am Herzen liegt und worauf es mir ankommt.“Na dann: Wach bleiben und hochgucken!

Überbleibs­el von der Entstehung der Erde

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In der Nacht zu Montag erreichen die Perseiden ihr Maximum. Dann sollen mehr als  Sternschnu­ppen pro Stunde aufblitzen. Foto:ddp images
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pe chnup Sterns chfürFachl­iUmaufeine­r t,dassich et Objek befind s Sonne Kleine die hnum laufbaroid, Meteo hter verglü einsch ndig lägt vollstä Erdbo denNicht den derin

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