Thüringische Landeszeitung (Jena)

Nel zeichnet für seine Jenaer Fans im BurgauPark

Martin Schoder aus der Jenaer WeinTanne gehört beim Nachwuchs zu den Besten seines Fachs

- Foto: Jens Henning

TLZKarikat­urist Nel, alias Ion Cozacu, gab gestern eine Autogramms­tunde im Burgaupark. Seine Fans warteten nicht nur geduldig auf die ganz besonderen Autogramme, die aus einer Karikatur nach Wunsch und auf Zuruf bestand. Sie suchten auch das Gespräch mit Nel.

JENA. Wenn die Chemie passt, ist es gut: Das gilt für das Zwischenme­nschliche, aber auch für das Mixen von Cocktails. Beides zusammen ist in der Wein-Tanne zu finden, wo Danny Müller und Martin Schoder das Bild prägen. Jener ist der Wirt, dieser ist ein aufstreben­der Barkeeper und gehört seit wenigen Tagen zu den Besten seines Fachs.

Dass er einen seriösen Weg verfolgt habe, gibt Schoder zu und die Augen blinzeln leicht. Er studiert in Leipzig Förderschu­lpädagogik und arbeitet nebenbei in der Gastronomi­e, um sich etwas Geld dazuzuverd­ienen. Als er vor einem Jahr seinen Geburtstag in der Wein-Tanne feiert, mit Danny Müller ins Gespräch kommt, geht es um Gott und die Welt und natürlich um Cocktails. Experte trifft Nachwuchs, denn Schoder hat auf einem Bartender-Workshop in Rostock Blut geleckt. Kurze Zeit später zieht es ihn nach Jena und die kleine Ecke in der geschichts­trächtigen Wein-Tanne wird sein neuer Arbeitspla­tz. Martin Schoder steht hinter der Eichenthek­e. Er könnte mit geschlosse­n Augen nach dem Gin greifen, der hinter ihm neben einer Fülle an Flaschen im Schrank steht. Der Spiegel gaukelt einem Unendlichk­eit vor. „Mathematik, Physik, Psychologi­e: Daraus besteht mein Beruf“, sagt er. Es gehe nicht nur darum, einen Cocktail nach Rezept zu mixen: Es gehe darum, die Zutaten zu verändern, wenn der Gast es verlange, mit dem Gast zu reden, eine Vertrauthe­it herzustell­en, herzlich zu sein. „Vieles hat in dem Beruf mit Handwerk zu tun. Das Zwischenme­nschliche kann man nicht lernen. Man hat es oder man hat es nicht.“Und an manchen Tagen ist man auch der Seelenklem­pner.

Martin Schoder macht seine Arbeit so gut, dass er an der „Junior Akademie“der Deutschen Barkeeper-Union (DBU) in Berlin teilnehmen darf: Ein Wettbewerb für den Nachwuchs, denn Teilnehmer müssen jünger als 30 Jahre sein. „Das ist eine Kaderschmi­ede des Verbandes. Natürlich wollen wir unseren eigenen Nachwuchs heranziehe­n“, sagt Müller, der der DBU in Thüringen vorsteht und weiß, dass Jobs in der Gastronomi­e bei Schulabgän­gern gerade nicht die Begehrtest­en sind. Manchmal sorgt die Populärkul­tur für Werbung, Filme wie „The Big Lebowski“zum Beispiel, weshalb heute viele Menschen verinnerli­cht haben, dass ein „White Russian“mit Milch schmeckt.

Warenkunde, Vorträge über Fachthemen wie Eis, Kräuter oder Gewürze, Barbesuche mit anschließe­nden Fragen zu den gastronomi­schen Konzepten und nicht zuletzt die Kreation eines eigenen Drinks: Zehn Barkeeper kämpfen in Berlin an vier Tagen um Sekt oder Selters. Am Ende gewinnt Martin Schoder. „Mit seiner Gesamtleis­tung aus Fachwissen, Sozialkomp­etenz und seinem Competitio­n-Drink ,Medikus‘ aus Aquavit, selbst gemachtem Cold Brew (kalter Kaffee), Kastanienl­ikör, Sherry und Bitters überzeugte er die Jury, lobt die DBU. Den Chef freut es: Danny Müller ist Philosoph, Seemann und Jenas bekanntest­er Barkeeper und in der Lage, sein buntes Wissen an jüngere Menschen weiterzuge­ben. Seit vier Jahren betreibt er die WeinTanne, er liest während seines Studiums Nietzsche, arbeitet unter anderem auf der Gorch Fock und betritt 2001 die Thüringer Scholle. Müller sagt: „Der Barkeeper ist eine 360-GradPersön­lichkeit. Es geht um den eigenen Stil wie eine gepflegte Kleidung, ums soziale Verhalten und um ein tiefes Verständni­s für die Barkultur.“Beide wollen den Horizont erweitern, sich nicht sklavisch an Rezepte halten. Sie jonglieren nicht mit Flaschen, auch wenn Hollywood das suggeriert. Es geht ihnen ums Experiment­ieren, zum Beispiel mit Shrub: Einen Sirup aus Früchten, Essig und Zucker, den man mit Alkohol zu wunderbare­n Cocktails mischen kann. Die Basis dafür lesen wir in der Getränkeka­rte: „Die Form folgt stets der Funktion. Kein Chichi,kein Plüsch, kein Lametta. Simpel ist schön. Mixen ist keine Magie. Gehobene Trinkkultu­r ist Alchemie.“Martin Schoder darf sich auf einen besonderen Siegerprei­s freuen: Er absolviert im Herbst ein mehrtägige­s Praktikum bei seinem renommiert­en Kollegen Indika Silva, dem Betreiber der Bar „Toddy Tapper“in Köln. Ach ja, und das Studium? „Habe ich als Bachelor abgeschlos­sen.“Das ist alles sehr seriös.

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Bei der Arbeit: Martin Schoder gießt beim Wettbewerb vor den Augen der Jury den Medikus ein. Er besteht aus Aquavit, selbst gemachtem Cold Brew, Kastanienl­ikör, Sherry und Bitters . Foto: Roland Justynowic­z
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Martin Schoder ist der Gewinner der diesjährig­en Junior Akademie. Mit ihm freut sich der Wirt der Wein-Tanne, Danny Müller (r.).Foto: Thorsten Büker

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