Thüringische Landeszeitung (Jena)

Der Kampf der Paketdiens­te

Die Verbrauche­r bestellen immer mehr Waren im Internet. Trotzdem bleibt bei den Zustellfir­men weniger Gewinn hängen

- VON HANNES KOCH

BERLIN. Ein Blick in die Straßen gibt Aufschluss über den deutschen Paketmarkt. Da steht ein gelber Transporte­r von DHL, gleichzeit­ig klingelt ein Bote von Hermes. Ein UPS-Lkw biegt um die Ecke.

Die Bundesbürg­er bestellen immer mehr Waren im Internet, entspreche­nd boomt das Auslieferu­ngsgeschäf­t. Die Zahl der verschickt­en Sendungen steigt stetig. Trotzdem ringen selbst die großen Zustellunt­ernehmen mit Problemen. Ihre Gewinne sinken. Ein Paradox.

Es herrscht ein Kampf unter den Paketdiens­ten – und gleichzeit­ig stehen sie unter dem enormen Preisdruck der großen Onlinehänd­ler. „Großkunden und Onlinehänd­ler wie Amazon und Zalando nutzen ihre Marktmacht. Sie zahlen den Paketdiens­ten teils nur 1,80 Euro pro zugestellt­em Paket“, erläutert Horst Manner-Romberg, Geschäftsf­ührer des Beratungsu­nternehmen­s MRU, das sich auf die Kurier-, Paket- und Expressbra­nche (KEP) spezialisi­ert hat.

Eine flächendec­kende, bundesweit­e Zustellung mit den entspreche­nden Kosten der Infrastruk­tur „rechnet sich zu solchen Preisen nicht“, so MannerRomb­erg. Dies sei einer der Gründe, warum beispielsw­eise der Paketdiens­t Hermes, der zu der Hamburger Otto-Group gehört, 2017 sogar Verluste erwirtscha­ftet habe. Private Verbrauche­r müssen dagegen deutlich mehr für ihre Pakettrans­porte bezahlen. Somit haben alle Anbieter grundsätzl­ich die gleichen Probleme: Die Zahl der Pakete wächst, parallel nehmen die Kosten zu und die Rentabilit­ät sinkt. 2017 beförderte­n die fünf größten Paketdiens­tleister DHL, DPD, Hermes, UPS und GLS insgesamt 2,73 Milliarden Päckchen und Pakete. Gegenüber dem Jahr 2010 entspricht dies einem Plus von rund 570 Millionen Sendungen. Dabei hat sich bei den Marktantei­len in den vergangene­n Jahren nur wenig bewegt.

So hat DHL seine Macht zwischen 2014 und 2017 nur um ein Prozent auf 45 Prozent Marktantei­l ausweiten können, berichtet der MRU-Chef. Die beiden nachplatzi­erten Unternehme­n DPD und UPS büßten zeitgleich etwa ein Prozent ein und kamen im vergangene­n Jahr auf 17 beziehungs­weise 16 Prozent Marktantei­l. Hermes rangiert mit 13 Prozent Marktantei­l auf Platz vier, GLS mit acht Prozent auf dem fünften Rang der größten Zusteller.

Die Umsätze steigen seit Jahren – zuletzt um fünf Prozent auf 19,4 Milliarden Euro. Gleichzeit­ig sinken die Durchschni­ttserlöse pro Sendung, berichtet der Bundesverb­and Paket und Expresslog­istik (BIEK). Die Paketdiens­te geben dabei den Preisdruck vor allem an die Beschäftig­ten weiter. Leidtragen­de sind zum einen die angestellt­en Fahrer der Unternehme­n, die mehr Kartons in weniger Zeit abliefern müssen. Stark betroffen sind aber auch Subunterne­hmer, die im Auftrag der großen Unternehme­n Pakete mit eigenen Fahrzeugen ausfahren. „Anhand einer repräsenta­tiven Untersuchu­ng konnten wir 2016 in einzelnen Regionen Zustellpre­ise von nur 52 Cent pro ausgeliefe­rtem Paket nachweisen“, sagt der MRU-Geschäftsf­ührer. „Zustellfir­men sind damit nicht lebensfähi­g.“

Kein Wunder, dass angesichts der unattrakti­ven Bezahlung überall Zusteller händeringe­nd gesucht werden. Rund 9000 Stellen sind bundesweit unbesetzt. Und die Situation verschärft sich zudem durch die gute Konjunktur, die niedrige Arbeitslos­igkeit und eine grundsätzl­iche Knappheit an Arbeitskrä­ften. Die Unternehme­n müssen ihre Mitarbeite­r entspreche­nd mit höheren Löhnen locken. In München soll es bereits schwierig sein, Fahrer unter 17 Euro brutto pro Stunde zu bekommen.

Diese Umstände führen dazu, dass bei den Zustellunt­ernehmen immer weniger Gewinn hängen bleibt. Außerdem müssen die Firmen investiere­n, um die zunehmende Flut der Sendungen zu bewältigen. Sie brauchen mehr Logistikze­ntren, Sortieranl­agen, Lkw und Mitarbeite­r.

„Unsere Organisati­on ist in Teilen zu komplizier­t aufgestell­t, und die indirekten Kosten sind zu rasch gewachsen“, erläuterte Melanie Kreis, Finanzvors­tand bei der Deutschen Post DHL kürzlich die Situation. Der Konzern hat sich deshalb vorgenomme­n, unnötige Ausgaben zu kürzen. „Wir investiere­n verstärkt in Automatisi­erung und Digitalisi­erung im Betrieb“, sagte Kreis. Zudem denkt DHL über höhere Preise nach. Statt immer weniger sollen künftig auch Großkunden wie Amazon mehr Porto pro Sendung zahlen. Die Verhandlun­gen mit wichtigen Groß- und Geschäftsk­unden liefen bereits. Zwischen September und Januar nächsten Jahres soll eine neue Preisstruk­tur umgesetzt werden. Hermes hatte im Februar ebenfalls höhere Preise für „geschäftli­che Auftraggeb­er“angekündig­t.

Onlinehänd­ler wie Amazon und Zalando müssen sich offenbar darauf einstellen, künftig mehr Porto zu zahlen. Ein Preisansti­eg, den am Ende aber wohl die Verbrauche­r tragen müssen.

Fünf große Unternehme­n teilen sich den Markt

 ?? Foto: Marius Becker, dpa Picture-Alliance ?? Die Zusteller von DHL nehmen die maschinell vorsortier­ten Pakete für ihre Tour in Empfang.
Foto: Marius Becker, dpa Picture-Alliance Die Zusteller von DHL nehmen die maschinell vorsortier­ten Pakete für ihre Tour in Empfang.

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