Thüringische Landeszeitung (Jena)

Türkische Lira im freien Fall

Finanzmini­ster Berat Albayrak versucht vergeblich, die Märkte zu beruhigen – Er korrigiert das Wachstumsz­iel von fünf auf drei bis vier Prozent

- VON GERD HÖHLER

ISTANBUL. Der Kursverfal­l der türkischen Lira hat sich am Freitag dramatisch beschleuni­gt. Zeitweilig verlor die Währung gegenüber dem Dollar bis zu 18 Prozent. Das war der größte Kursverlus­t an einem einzigen Tag seit der schweren türkischen Finanzkris­e von 2001. Auch zum Euro stürzte die Lira auf ein neues historisch­es Tief. Vor allem die hohe Inflation, Zweifel an der Unabhängig­keit der türkischen Zentralban­k und die Sorgen vor politische­n Spannungen mit den USA sowie drohenden Wirtschaft­ssanktione­n drücken die Lira. Am Freitag bestätigte­n sich die Befürchtun­gen: US-Präsident Donald Trump schrieb beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter, er habe eine Verdoppelu­ng der Einfuhrzöl­le auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet.

Die Türkei kündigte Vergeltung an. In einer Stellungna­hme aus dem Außenminis­terium betonte Sprecher Hami Aksoy am späten Freitagabe­nd, die USA sollten wissen, dass sie Kooperatio­n nicht mit Sanktionen und Unterdrück­ung erreichen könnten. Es werde auf alle Schritte gegen die Türkei eine Antwort geben, hieß es in dem Schreiben weiter. In Ankara erläuterte Finanzmini­ster Berat Albayrak vor Wirtschaft­svertreter­n die Leitlinien eines neuen mittelfris­tigen Wirtschaft­splans. Danach nimmt die Regierung ihr diesjährig­es Wachstumsz­iel von bisher fünf auf „drei bis vier Prozent“zurück. Im vergangene­n Jahr war das türkische Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) noch um 7,4 Prozent gewachsen, vor allen dank staatliche­r Konjunktur­programme. Die Inflation, die im Juli 15,8 Prozent erreichte, will Finanzmini­ster Albayrak bis zum Jahresende unter zehn Prozent und das Leistungsb­ilanzdefiz­it von derzeit fünf auf vier Prozent des BIP drücken. Das Haushaltsd­efizit soll auf 1,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung begrenzt werden. Albayrak versichert­e, die Zentralban­k bleibe unabhängig.

Staatschef Erdogan sprach bei einem Besuch in der nordtürkis­chen Provinz Bayburt von einem „Wirtschaft­skrieg“, den sein Land jedoch gewinnen werde. Er sieht hinter dem Währungsve­rfall eine Verschwöru­ng gegen die Türkei. Bei einem Besuch seiner Heimatstad­t Rize am Schwarzen Meer hatte Erdogan bereits am Donnerstag­abend versucht, seine Zuhörer zu beruhigen: „Ignoriert diese Kampagnen gegen die Türkei“, rief Erdogan. „Die anderen mögen ihre Dollars haben, aber wir haben unser Volk und Allah.“

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Der türkische Finanzmini­ster Berat Albayrak will die Inflation eindämmen. Foto: Murad Sezer

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