Thüringische Landeszeitung (Jena)
Schicksalsjahr 1965
Thüringer Medientreff thematisiert DefaErbe im Freistaat – Zum Auftakt wurde der verbotene Film „Denk bloß nicht, ich heule“gezeigt
GERA. 1965 war ein Schicksalsjahr für den DDR-Film. Nach dem 11. Plenum des ZK der SED, das als Kahlschlag-Plenum in die Geschichte einging, wurden zwölf Defa-Produktionen verboten. Dabei hatte damals eine liberale Aufbruchsstimmung im Kulturbetrieb geherrscht – ein Klima, in dem die später verbotenen Filme „Spur der Steine“und „Das Kaninchen bin ich“entstanden. Das erste Defa-Werk, das in den Giftschrank verbannt wurde, war aber das Jugenddrama „Denk bloß nicht, ich heule“, das in Weimar und in Teilen in Jena gedreht wurde.
Gelegenheit, dieses Filmkunstwerk zu sehen, bot sich im Metropol in Gera. Das älteste noch als Kino betriebene Lichtspielhaus im Freistaat hatte mit der Thüringer Staatskanzlei und der Defa-Stiftung zum 3. Thüringer Medientreff geladen – inklusive Podiumsgespräch. „Denk bloß nicht, ich heule“erzählt die Geschichte eines rebellischen Abiturienten, der sich offen gegen die geistige Gleichschaltung in der DDR auflehnt und von der Schule fliegt. Zugleich ist die Produktion ein Liebesfilm, die auch das schwierige Verhältnis der Elterngeneration zu ihrer Kriegsvergangenheit bloßstellt. Regisseur Frank Vogel hatte damit ein mutiges Plädoyer für Gedankenfreiheit, Toleranz und das Recht auf zivilen Ungehorsam geschaffen.
Nach der Wende wurde das Werk auf der Berlinale 1990 gezeigt. Der Regisseur sei damals allerdings mental nicht in der Lage gewesen, das Filmmaterial noch einmal zu sichten und die originale Kinofassung wiederherzustellen, berichtete Ralf Schenk, Vorstand der Defa-Stiftung, in der anschließenden Diskussion. Das übernahm sein Kameramann.
Darüber hinaus machte Schenk deutlich, wie wichtig es für seine Stiftung sei, das Filmerbe der DDR zu digitalisieren. Es gebe in Deutschland nur noch 50 bis 60 Kinos, die Filme analog vorführen könnten, also via Filmrolle. Der Rest – immerhin 4800 Leinwände – setzt inzwischen auf Digitaltechnik, das heißt, die Verleiher verschicken nun Festplatten mit den Filmen darauf.
Wer technisch nicht mithalten kann, dessen Produktionen werden nicht gezeigt. Gleiches gilt auch fürs Fernsehen und die DVD-Vermarktung.
Um das Defa- wie auch das westdeutsche Filmerbe zu retten, startet Anfang 2019 eine Bund-Länder-Initiative zur Digitalisierung. In den kommenden zehn Jahren werden dafür zehn Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt.
Um den Defa-Nachlass im öffentlichen Bewusstsein zu halten, reicht die technischen Aktualisierung nicht aus. Es bedarf heute einer Begleitung, etwa durch Podiumsdiskussionen, wie Metropol-Betreiber Christian Pfeil erläuterte. Defa-Vorstand Schenk pflichtet ihm bei: „Infolge veränderter Sehgewohnheiten hat es das filmische Erbe generell schwer.“Das gelte selbst für Klassiker von Federico Fellini oder Ingmar Bergman.
Zum Thema „Defa in Thüringen“erscheint bald ein Buch im NomosVerlag, herausgegeben vom Moderator des Abends, Michael Grisko. Der heutige Freistaat habe für die Defa vor allem zwei Themenkomplexe abgedeckt: das antifaschistische Erbe und die Weimarer Klassik. Davon zeugen Filme wie „Nackt unter Wölfen“und „Lotte in Weimar“.
Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff, der gerade mit dem Fahrrad auf Thüringen-Tour ist, gewährte beim Medientreff in Gera auch persönliche Einblicke. Mit der Mutter, die in der Filmbranche der DDR tätig war, habe er als Kind das hiesige Festival „Goldener Spatz“besucht. Sein Stiefvater sei sogar ein Geraer Gewächs, entstanden 1953 an einem Bar-Abend in der Quisisana.