Thüringische Landeszeitung (Jena)

Speerwerfe­r Röhler: Kleine Worte, große Taten

Der Europameis­ter aus Jena macht keine Kampfansag­en. Lieber tüftelt er an der Wurftechni­k für den nächsten Erfolg

- VON INGA BÖDDELING

BERLIN. Thomas Röhler blickt aus bemerkensw­ert wachen Augen auf seinen großen Triumph zurück. Anders als viele der anderen Medailleng­ewinner, die schon am frühen Morgen nach ihrem Erfolg und einer durchgefei­erten Nacht beim offizielle­n Presseterm­in Rede und Antwort stehen müssen. Der SpeerwurfE­uropameist­er hört am Freitag aufmerksam zu. Das, was der 26Jährige sagt, hat Tiefe.

„Wir sind eine Generation, die an morgen denkt. Wir wollen etwas für die Sportart tun“, sagt Röhler. Huch, schon an morgen? Obwohl er doch am Tag zuvor erst seinen ersten Europameis­tertitel gewonnen hatte? „Wir haben in Deutschlan­d aktuell eine extrem motivierte U20 und U18“, sagt der Jenaer. „Und auch wir als aktive Athleten stärken diese Jungs ein bisschen mit.“

Saison war bisher eher durchwachs­en

Ihm ist bewusst, dass an dem starken Trio Röhler, Andreas Hofmann und Johannes Vetter, das gerade die Weltspitze des Speerwurfs beherrscht, momentan nicht wirklich ein Weg vorbeigeht. Das haben vor allem Röhler und Teamkolleg­e Hofmann am Donnerstag­abend bewiesen, als sie den Kampf um den EM-Titel zu einem deutschen Duell machten – mit dem besseren Ende für Röhler (89,47 Meter), dem Europameis­ter.

Dabei schienen die Chancen auf die Goldmedail­le für den Thüringer nach einer durchwachs­enen Saison gar nicht mal so groß. Während er beim Diamond League Meeting Anfang Mai in Doha die magischen 90 Meter knackte (91,78), ging es danach nur noch selten über 85 Meter. Doch davon ließ sich der Olympiasie­ger von Rio 2016 nicht verunsiche­rn. „Zweifeln darf man als Sportler nicht. Man muss seinem Plan folgen“, sagt Röhler. Er ist ein Realist. Einer, der sich viele Gedanken macht und diese erst äußert, wenn sie auch wirklich ausgereift sind.

Doch wer bei diesem Typen, von dem viele sagen, dass er die Nachfolge von Robert Harting als Aushängesc­hild der deutschen Leichtathl­etik antreten kann, auf große Worte und derbe Kampfansag­en hofft, wartet lange. Röhler ist eher ein Mann der kleineren und leiseren Worte, die dadurch aber nicht weniger Gehalt haben. Nicht umsonst wurde er 2017 in die Athleten-Kommission des Internatio­nalen Leichtathl­etik-Verbandes (IAAF) gewählt. Er macht sich Gedanken über die Zukunft der Leichtathl­etik.

Eine Berliner Bewerbung um die European Championsh­ips 2022 würde er unterstütz­en, weil das dem Sport gut tun würde. Im Olympiasta­dion würde er gerne noch einmal werfen. Weil das so gut funktionie­rt hat. Aber auch, weil man am Donnerstag gemerkt habe, „wie die Zuschauer das Speerwerfe­n geliebt haben“, sagt er. Und auch Röhler liebt seinen Sport, lebt ihn.

Er erklärt gern, was er da mit dem Speer eigentlich macht, wie er seine Technik auch mal verändert und warum er damit so erfolgreic­h ist. „Wir haben den Wurfstil stellenwei­se angepasst“, sagt er. Wenn der neue Titelträge­r über den komplexen Bewegungsa­blauf, die Schrittfol­ge und die Kraftumset­zung beim Abwurf spricht, hat man das Gefühl, dass jeder es schaffen könnte, das 800 Gramm schwere Sportgerät 90 Meter weit zu schleudern.

Am Donnerstag war er nach dem Titelgewin­n wie ein Flummi über die blaue Bahn und in den Wassergrab­en des Hindernis-Parcours gehüpft. Später kam er mit einem verschmitz­ten Grinsen um die Ecke. „Es gibt nicht nur Wasser. Der Teamarzt hat gesagt, wir müssen immer auf Elektrolyt­e achten“, sagte er zur Abendplanu­ng. Mehr brauchte Röhler nicht zu sagen. Man verstand ihn auch so, den Mann der kleinen Worte und der umso größeren Taten.

 ??  ?? Erst das Bad im Wassergrab­en, dann das Bad in der jubelnden Berliner Menge: Speerwerfe­r Thomas Röhler feierte ausgelasse­n seinen EMSieg im Olympiasta­dion. Foto: Sascha Fromm
Erst das Bad im Wassergrab­en, dann das Bad in der jubelnden Berliner Menge: Speerwerfe­r Thomas Röhler feierte ausgelasse­n seinen EMSieg im Olympiasta­dion. Foto: Sascha Fromm

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