Thüringische Landeszeitung (Jena)
Was ist für Sie Zuhause, Riccardo Kaufmann?
Wer meine Wohnung in Erfurt betritt, erkennt wohl sofort, dass hier ein Graffitikünstler und Fotograf zu Hause ist. Oder zumindest jemand, der diese Kunstformen zu schätzen weiß. Die großformatigen Arbeiten sind schon sehr dominant und ich habe die restliche Einrichtung darauf abgestimmt. Jetzt, im Sommer, halte ich mich am liebsten in meiner Außenküche auf der Terrasse auf und gucke ins Grüne. Ich genieße die Nähe zur Natur hier am Stadtrand. Die Zeiten, in denen ich pausenlos im Getümmel sein musste, sind vorbei. Ich habe aber gern Besuch, sitze mit Freunden am Küchentisch und unterhalte mich. Mir ist die Trennung von Arbeit und Privatleben schon wichtig. Dabei habe ich das Glück, dass meine Arbeit zugleich meine Leidenschaft ist. Die Fotografie habe ich durch meinen Vater entdeckt, der hat mir eines Tages eine Spiegelreflexkamera, eine Praktika, geschenkt. Damit habe ich als Kind wahrscheinlich jeden Stein in meiner Heimatstadt Rudolstadt fotografiert. Dort bin ich auch Anfang der 90er-Jahre zum Graffiti gekommen. Ein Kumpel machte mich damals auf eine Dokumentation und einen Spielfilm über Graffitikünstler aufmerksam, und wir fühlten uns sofort davon inspiriert und griffen selbst zur Spraydose. Heute führt mich meine Arbeit – wenn ich etwa Fassaden gestalte oder als Fotograf tätig bin – oft für längere Zeit an andere Orte. So habe ich festgestellt, dass mein Zuhausegefühl nicht ortsgebunden ist. Ich kann mich auch woanders zu Hause fühlen, sobald ich dort integriert werde. Zum Beispiel Anfang des Jahres, als ich für einige Tage bei Freunden auf Kuba lebte. Irgendwann war ich nicht mehr einfach nur der Gast, sondern gehörte ganz selbstverständlich mit dazu – von da an habe ich mich auch dort zu Hause gefühlt.
„Mein Zuhausegefühl ist nicht ortsgebunden.“
Aufgezeichnet von Ariana Mirza