Thüringische Landeszeitung (Jena)
Des Kellners neue Kleider
Die Jungs erkannte man früher an schwarzer Hose, Weste und Fliege, die Mädchen trugen Rock, ein Schürzchen und komische hohe Gesundheitssandalen mit ’nem Loch vorn am großen Zeh. Der Oberkellner hatte zum Zeichen seiner königsgleichen Würde ein schlechtsitzendes Sakko an, dem Bratenrock vergangener Epochen nicht unähnlich. Die Stoffe waren schwer, flexibel wie eine Ritterrüstung, müffelten schnell und sahen nach der dritten Reinigung aus wie geschreddert. Man besuchte ein Restaurant eben eher zum Sattwerden oder zu Opas Achtzigstem.
Zu gleicher Zeit trugen aber auch Fußballer nur einfarbige Leibchen und knappe Höschen. Mannschaftssport eben. Doch das, was wir tagtäglich in den Speisesälen dieser Welt betreiben, ist ja nichts anderes: Stürmer, Verteidiger, Köche und Kellner, sie alle verstecken mittlerweile ihre Tattoos nicht mehr vorm Trainer, äh, Hoteldirektor – der ja selber welche hat.
Erst änderte sich der Geschmack von zu viel Soßenbinder zu Olivenöl im Übermaß, dann das Mobiliar von Eiche rustikal zu hellen Farben. Und nun geht’s der Klamotte an den Kragen! Nichts Kratziges mehr, sondern luftige Eleganz ohne zu enges Knopfloch. Zusammengehörigkeit, ein Team, Tore werden zusammen geschossen und verhindert, Spiele zusammen gewonnen und auch verloren. Wenn man stolz ist auf seinen Club, trägt man die Farben gern! Noch mehr, wenn auch der Club auf einen stolz ist! Vielleicht helfen die neuen Trikots ja auch bei der Nachwuchsförderung. Wer nichts wird, wird nämlich gar nicht Wirt; das erfordert eine Menge Wissen, Talent, Geschmacks- und Stilsicherheit auf und neben dem Teller. Abstaubertore gibt’s in unserem Tellermannschaftssport nicht. Sie werden über viele Anspielstationen erzielt. Alle!