Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Ich dachte, heute sei

Es gibt viele Gründe, zu spät zur Arbeit zu kommen. Wenn es passiert, ist es besser, sich zu entschuldi­gen, bevor man sich immer tiefer in eine (Not-)Lüge verstrickt

- Von Jürgen Laarmann

Den Wecker überhört, Kaffee über der Hose verschütte­t, beim letzten Blick in den Spiegel plötzlich Make-upReste an der Bluse entdeckt – es gibt viele Gründe, zu spät zur Arbeit zu kommen. Wenn keine wichtigen Termine verpasst wurden, sollte eine kurze Entschuldi­gung eigentlich reichen – gerade wenn der Arbeitgebe­r ein Zeiterfass­ungssystem betreibt. Tatsächlic­h jedoch verspüren viele Menschen den Impuls, ihre Fehler und Verspätung­en vor anderen zu rechtferti­gen und beziehen sich dabei gern auf eine „höhere Gewalt“wie Verkehr oder Wetter.

Während die durchsicht­igen Notlügen von Promis und Politikern mitunter sogar gefeiert werden, stößt der durchschni­ttliche Arbeitnehm­er rasch auf Unverständ­nis. Anstatt Mitleid zu erregen, nerven notorische Zuspätkomm­er mit ihren Geschichte­n von ausgefalle­nen Zügen, verspätete­n Bussen, Stau auf der Autobahn oder dem nicht erschienen­en Kindermädc­hen schnell.

Weniger glaubhaft, als man denkt

Folgenlos bleibt derlei Verhalten auch nicht, wie Mediatorin Sandra Koch aus Frankfurt am Main weiß: „Wer immer wieder Ausreden benutzt, statt Deadlines einzuhalte­n oder versproche­ne Zuarbeit zu liefern, muss sich bewusst sein, dass Ausreden meist weniger glaubhaft wirken, als man denkt. Vor allem kommen sie nicht gut an – weder beim Chef noch bei den Kollegen.“

In minderschw­eren Fällen ist es besser sich zu entschuldi­gen, statt lang herumzured­en. Wer kann, darf auch mal die Schuld für Kollegen auf sich nehmen. So gewinnt man nicht nur Sympathie, sondern auch Unterstütz­ung, wenn man einmal selbst in der Bredouille steckt.

Grundsätzl­ich sollte man nie Ausreden wählen, die einen in schlechtem Licht oder als verantwort­ungslos erscheinen lassen. Im Internet finden sich zahllose Listen zum Thema „Die besten und die schlechtes­ten Ausreden aller Zeiten“. Wirklich hilfreich sind sie meist nicht. Wegen der Party am Vorabend verschlafe­n zu haben, wird einem kein Verständni­s bringen – dies sollte eigentlich jedem bewusst sein. Spätestens wenn diese Ausrede zum zweiten Mal fällt, hat man seinen eigenen Ruf nachhaltig geschädigt.

„Verheerend sind hanebüchen­e Ausreden, von denen manche denken, sie wären perfekt, gerade weil sie so verrückt klingen, dass man sie sich nicht ausdenken kann“, sagt Sandra Koch. „Seien Sie ruhig weniger kreativ. Langweilig­e Ausreden, die schnell vergessen werden, sind meist besser als wilde Geschichte­n, mit denen man sie fortan in Verbindung bringen wird.“

Ausreden als Ausdruck von Unglück

Doch Ausreden dienen auch dazu, vor sich selbst nicht als Versager dazustehen. Koch weiß von vielen Fällen: „Wer merkt, dass er vor Kollegen und Vorgesetzt­en permanent nach Ausreden sucht, sollte überprüfen, ob er nicht auch sich selbst gegenüber unehrlich ist. So können Ausreden auch ein Symptom dafür sein, dass wir mit unseren Aufgaben, unserer Stellung, vielleicht sogar mit unserem Job unglücklic­h sind“, so Koch.

Mehrfaches Lügen gilt wegen des zerbrochen­en Vertrauens­verhältnis­ses als Kündigungs­grund – genau wie wenn die Lüge – aber auch das Verschweig­en der Wahrheit – direkt für den Betrieb relevant ist, etwa bei ansteckend­en Krankheite­n oder falscher Darstellun­g von Verkehrsun­fällen mit dem Dienstfahr­zeug.

Notlügen sind erlaubt bei Fragen, die der Arbeitgebe­r gar nicht stellen dürfte, nach Religions- und Parteizuge­hörigkeit etwa oder zur sexuellen Orientieru­ng. Auch bei Krankschre­ibungen sind Notlügen in Ordnung. Bei vorgetäusc­hten Krankheite­n liegt man mit „Zahnschmer­zen“und „Magen-Darm“auf der sicheren Seite. Doch Achtung: Jeder dritte Arbeitgebe­r überprüft Mitarbeite­r, die sich krank melden.

Wenn (Not-)Lügen am Platze sind

Es gibt auch Beispiele, in denen die Wahrheit fürs Fernbleibe­n unangebrac­ht ist – etwa wenn es ums Bewerbungs­gespräch bei einer anderen Firma geht. „Fragen Sie am besten nach einem Vorstellun­gstermin außerhalb Ihrer Arbeitszei­t, alternativ nach einen am Anfang oder Ende des Arbeitstag­s“, rät Sandra Koch. „Oft lässt sich so etwas auch in die Mittagspau­se verlegen. Benötigen Sie mehr Zeit, reicht es meist schon, zu sagen, Sie hätten noch einen Termin. Da wird viel seltener nachgefrag­t, als man vermutet.“

Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, nimmt für solche Termine einen halben oder ganzen Tag Urlaub. Denn als Faustregel gilt: Die beste Ausrede ist letzten Endes die, die man gar nicht braucht.

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FOTO: ISTOCK/ECLIPSE_IMAGES Wenn man den Wecker nicht klingeln hört, braucht man vielleicht einen neuen.

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