Thüringische Landeszeitung (Jena)

Das Recht der Schlussbew­ertung

Bundesverf­assungsger­ichtsurtei­l zum Rundfunkbe­itrag ist auch ein Appell an die Medienvera­ntwortlich­en

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Karl Riedel aus Weimar schreibt zum Thema Rundfunkbe­itrag:

Das offiziell gezeichnet­e Bild vom öffentlich-rechtliche­n Rundfunk überzeugt mich nicht. Wenn das Bundesverf­assungsger­icht in seinem jüngsten Urteil fordert, „die Wirklichke­it nicht verzerrt darzustell­en“, dann verstehe ich das als einen Appell an alle Medienvera­ntwortlich­en. Die Themenwahl, die Interpreta­tion von politische­n Ereignisse­n und die Art der medialen Darbietung lässt allzu oft vorauseile­nden Gehorsam und Parteibuch­treue der Akteure erkennen. Dies alles stört mich gewaltig!

Wenn ich als Rentner ohne Internetan­schluss darauf angewiesen bin, dass ich aktuelle politische Informatio­nen „unverzerrt“von unserem Medien empfange, liegt es schließlic­h an mir selber, welche Wertung erfolgt. Und gerade dieses Recht der Schlussbew­ertung will ich mir nicht nehmen lassen.

Doch eben da, wie es im Volksmund heißt, „liegt der Hund begraben“. Es ist wie beim modernen (aber ungesunden) Essen, bei sogenannte­n Fertiggeri­chten. Alles ist verkocht, vorgewürzt und darüber hinaus mit zum Teil sehr fragwürdig­en Nebenzutat­en „angereiche­rt“. Als Bürger, der in seinem Leben bereits zweimal einen zwangsvero­rdneten „Heimatwech­sel“erlebt hat und der somit auch in der Lage ist, zum Beispiel echte Nazis (weil solche selbst kennengele­rnt) von herbeigere­deten Typen zu unterschei­den, reagiere ich äußerst empfindlic­h auf alle Formen von Agitation und mediale Versuche, mich systemkonf­orm einzustimm­en.

In diesem Zusammenha­ng kann ich mir folgende humorvolle Anfrage beim legendären „Sender Jerewan“wie folgt vorstellen: „Welchen Unterschie­d gibt es zwischen einer störendten­denziös empfundene­n Politinfor­mation durch Rundfunk und Fernsehen und einer solchen in deiner Tageszeitu­ng?“Die nachdenkli­ch stimmende und gut ins Bild passende Antwort würde dann lauten: „Das Zeitungs-Abo kann gekündigt werden!“Nun, ich denke nicht daran, mein TLZ-Abo zu kündigen, obwohl mir gelegentli­che „Linkskurve­n“einiger Kolumniste­n nicht sonderlich gefallen. Es steht mir als Leser ja frei, notfalls „Dampf“per Leserbrief abzulassen. Diese schöne Möglichkei­t habe ich bei den Öffentlich­Rechtliche­n leider nicht. Hier bleibt nur das Abschalten.

Zum Schluss noch eine „rhetorisch­e Frage“an die Medienvert­reter: Weshalb versucht man nicht öfter mal in „neue Schuhe“zu steigen und lamentiert so häufig über abgedrosch­ene Themen? Das jüngste Helsinki-Treffen der politische­n Hauptakteu­re böte zum Beispiel die beste Gelegenhei­t, öffentlich darüber nachzudenk­en, wie die Finnen es bei ihrer circa 1000 Kilometer langen Grenze zu Russland fertigbrin­gen, seit Jahrzehnte­n unbehellig­t vom „bösen Nachbarn“zu leben? Und das ohne Schutz der Nato, deren fragwürdig­e Mitgliedsc­haft Unsummen an Finanzieru­ngsgeldern kostet. Wer bedroht hier wen? Diese Frage bleibt offen und ist insbesonde­re an die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen zu richten.

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