Thüringische Landeszeitung (Jena)
Der Geschichte des Menschen auf der Spur
Doktorandenprogramm von Uni und Max-Planck-Institut gestartet
JENA. Altarmenische Gurkensuppe, altrömische Mostbrötchen und mit antiken indischen Gewürzen gebratene Hähnchenschenkel sind zwar ungewöhnliche Fingerfood-Angebote. Aber für die Eröffnung der „International Max Planck Research School (IMPRS) for the Science of Human History“in dieser Woche in Jena waren diese Speisen mit Bedacht ausgewählt worden.
„Bei der Erforschung der Menschheitsgeschichte über mehrere Hunderttausend Jahre spielt auch die Ernährung eine wichtige Rolle. Eines unserer Forschungsprojekte erkundet zum Beispiel die Essgewohnheiten der frühen Menschen in Afrika“, erklärt Sabine Ziegler. Mit modernen genetischen und archäologischen Analysemethoden suchten Wissenschaftler Hinweise darauf, um letztendlich die alte Menschheitsfrage beantworten zu können: Woher kommen wir?
Seit 2014 gehen Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte dabei neue Wege. Sie haben die alten Pfade der klassischen Einzeldisziplinen wie Archäologie, Genetik oder Linguistik verlassen und suchen nach neuen interdisziplinären Zugängen. Künftig bekommen die Jenaer Forscher Unterstützung von bis zu 70 ehrgeizigen Nachwuchswissenschaftlern aus aller Welt. Sie bekommen als Doktoranden für ihre Promotion die Chance, an der IMPRS zu studieren, werden in laufende oder geplante neue interdisziplinäre Forschungsprojekte eingebunden. „Rund 50 junge Leute haben wir bereits aufgenommen, weitere etwa 15 Stellen für Doktoranden werden demnächst ausgeschrieben“, erklärte Sabine Ziegler, die gemeinsam mit Kollegin Bettina Bock das Doktorandenprogramm koordiniert.
„Die Kombination von naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Disziplinen, wie wir sie hier in Jena betreiben, ist wohl weltweit einzigartig. Genetiker, Archäologen, Sprachund Kulturwissenschaftler, aber auch Soziologen und Psychologen arbeiten zusammen, um die Rätsel der Menschheitsentwicklung zu entschlüsseln. Das ist für junge ambitionierte Wissenschaftler ein spannendes Feld“, sagt Ziegler. Entsprechend groß sei die Zahl der Anfragen und Bewerbungen. Die jungen Forscher kommen aus den verschiedensten Disziplinen: von Anthropologie der unterschiedlichsten Richtungen, Biologie, Bioinformatik, Bioarchäologie über Linguistik in vielen Facetten, Mathematik, Psychologie und andere bis hin zur Zooarchäologie.
Wie man sich die Interdisziplinarität vorzustellen hat, erklärt Sabine Ziegler so: „Eine Gruppe ist mit der Analyse von Proteinen aus dem Zahnmaterial menschlicher Skelettfunde beschäftigt, während eine andere die aus demselben Zahnmaterial stammende DNA der früherer Individuen untersucht und wiederum andere tierische Knochenfunde aus der gleichen Region bestimmen und datieren“. Durch die Zusammenführung der Ergebnisse lasse sich beispielsweise die Frage klären, wann in bestimmten Regionen der Welt die Milchwirtschaft entstanden ist, und ob damit eine Einwanderung neuer Bevölkerungsgruppen verbunden war.
Aus ganz verschiedenen Blickwinkeln werde so erkundet, wie der Mensch sich neue Lebensräume erobert hat und welchen Problemen er dabei gegenüberstand. Einige Antworten hat beispielsweise der Genetiker Johannes Krause, einer der Direktoren des MPI für Menschheitsgeschichte, mit seinen Forschungen zu Krankheiten wie der Pest gefunden. Andere soll ein Forschungsprojekt zur Umweltgeschichte der Römer im byzantinischen Reich beitragen, das unter anderem die Folgen von Umweltkatastrophen und Klimawandel für die damals Lebenden untersuchen wird. Aber auch die Entwicklung von Sprechfähigkeit oder von Schrift und Sprache wollen die Wissenschaftler, unter anderem Martin Joachim Kümmel, Linguist und Leiter des Seminars für Indogermanistik an der Jenaer Universität, untersuchen und so helfen, Wege der Menschheit zu erleuchten.
Wie Interdisziplinarität wirklich funktioniert