Thüringische Landeszeitung (Jena)
Frau Eckermann tourt durch Amerika
Felicitas Hoppe kommt zur Erfurter Herbstlese
ERFURT. Wenn die strahlenden Visionen erloschen sind, beginnen plötzlich kleine Dinge zu leuchten. Dieses Land, das die Schriftstellerin bereist, ist wie aus der Zeit gefallen: Amerika. Welches Amerika? Das der Felicitas Hoppe, die seit Jahren dem Grundsatz frönt: „Kröne dich selbst, sonst krönt dich keiner!“
Die 1960 in Hameln geborene Büchnerpreisträgerin, die schon die Welt im Containerschiff umrundete, hat sich wieder frisch und frei auf den Weg gemacht. Diesmal im Auto. Davon wird sie am kommenden Mittwoch berichten, wenn sie bei der Erfurter Herbstlese zu Gast ist und ihr neues Buch vorstellt, das im Ergebnis dieser Reise entstanden ist.
Vordergründig folgt Felicitas Hoppe der Route zweier Russen, die vor 80 Jahren während der Weltwirtschaftskrise im Auftrag des sowjetischen Zentralorgans „Prawda“die Vereinigten Staaten durchquerten – mehr als zehntausend Meilen in nur sechzig Tagen. Ilja Ilf und Jewgeni Petrow hießen die Herren, denen Hoppes Buch gewidmet ist.
Ilf und Petrow, sind das nicht…? Richtig, sie schrieben den satirischen Roman „Zwölf Stühle“, dessen Verfilmung oft im DDR-Fernsehen lief. 1982 wurde zudem ein von einer sowjetischen Astronomin entdeckter Kleinplanet nach ihnen benannt.
„Prawda“(zu Deutsch Wahrheit) nennt Hoppe hintersinnig ihr literarisches Reisebuch, in dem sie zwar den Spuren ihrer Vorgänger folgt, jedoch permanent auf gedankliche Abwege führt. Schon auf den ersten Seiten zeigt sich, dass die Ich-Erzählerin keinerlei touristische Ambitionen hegt: „Ich bin der, der einfach nur mitfährt, der klassische Windschattentyp. Nacherzähler und Trittbrettfahrer, Karl May und Frau Eckermann in einer Person, die sich überall dranhängt, an die erstbeste Kuh, die erstbeste Kutsche, die mit hängender Zunge auf den fahrenden Zug springt und sich nachher staunend beim Reisen zusieht.“
Wie Ilf und Petrow besichtigt Frau Eckermann die Ford-Werke und in Sing-Sing ein Modell des elektrischen Stuhls, kommt jedoch zu völlig anderen Schlüssen. Denn die Wahrheit liegt nicht auf der Straße, sondern formt sich im Kopf. Da wundert einen auch nicht, wenn die Erzählerin zwischenzeitlich wie Judy im „Zauberer von Oz“von einem Wirbelsturm davongetragen wird.
• Felicitas Hoppe: Prawda – Eine amerikanische Reise. S. Fischer Verlag, Seiten, Euro
• Lesung: Mittwoch, . November, . Uhr, Kulturhaus Dacheröden Erfurt, Anger