Thüringische Landeszeitung (Jena)

Grüne steigen aus Stadionpro­jekt aus und fordern Sanierung im Bestand

Verzicht auf 52 Millionen teures Vorhaben wäre auch im Sinne des FC und der Fans – Südkurve könnte dann bleiben

- VON MICHAEL GROß

JENA.

Die politische Mehrheit für den Neubau eines Stadions in Jena bröckelt. Vor der am nächsten Mittwoch in nicht öffentlich­er Sitzung des Stadtrats geplanten Abstimmung über den 52 Millionen schweren Neubau haben nun die Grünen für sich die Reißleine gezogen und sagen klipp und klar nein.

Damit steigt die StadtratsF­raktion der Grünen aus dem Stadionpro­jekt aus, das sie bisher in der großen Koalition mit CDU und SPD mitgetrage­n hatte. „Das war ein Kompromiss aus Koalitions­rücksicht“, sagt Heiko Knopf, Fraktionsc­hef der Grünen. Da sei man doch eine Zeit lang einen falschen Weg mit gegangen, wie er und Kreissprec­her Wolfgang Volkmer eingestehe­n. Nun aber sollte man den Mut haben, einen schwerwieg­enden Fehler zu verhindern.

Der Stadtrat habe sich verrannt in ein Projekt, das immer teurer geworden sei und weiter teurer werde, warnen die Grünen. Doch zunehmend behandele der Stadtrat das brisante Thema nach dem Motto „Augen zu und durch!“Dabei sollte doch die Entwicklun­g um den Stadion-Neubau in Erfurt zu denken geben. Das dortige Szenario sei auch in Jena denkbar.

So wäre durch das neue Stadion eine Überlastun­g des FC Carl Zeiss Jena zu befürchten. Denn der könnte die jährlichen Nutzungsko­sten wohl nur unter größten Anstrengun­gen aufbringen. Es drohe Zahlungsun­fähigkeit mit verheerend­en Folgen für Club und Spielbetri­eb. Das könne nicht im Sinne der vielen Fußballfan­s sein.

Stattdesse­n setzen die Grünen auf eine grundhafte Sanierung des Ernst-Abbe-Sportfelde­s für Fußball und Leichtathl­etik. Dafür gebe es bereits ein Konzept, das nur aktualisie­rt werden müsste. Ein Umbau im Bestand verbrauche weniger Ressourcen und erhalte auch die bereits getätigten Investitio­nen wie etwa die Tartanbahn.

Nicht zuletzt machen die Grünen auch auf das derzeit heiß diskutiert­e Thema aufmerksam. Die Südkurve, um die die Fans kämpfen, wäre bei einer Sanierung im Bestand kein Thema mehr. Sie könnte bleiben.

Spielräume auch für Schwimmhal­le erhalten Hintergrun­d für die Ablehnung durch die Grünen ist die derzeit schwierige Haushaltsl­age der Stadt. Es gebe noch keinen geschlosse­nen Doppelhaus­halt 2019/2020, sagt Margret Franz. stellvertr­etende Fraktionsc­hefin. „Um einen genehmigun­gsfähigen Haushalt vorlegen zu können, sollen nach Planung der Stadtverwa­ltung ab 2021 neue Schulden gemacht werden. Damit würde der Weg der Entschuldu­ng verlassen. Es fehlen 47 Millionen Euro in der mittelfris­tigen Finanzplan­ung bis 2023. Dieser Entwicklun­g können wir nicht zustimmen“, betont Margret Franz. Denn der damit entstehend­e Konsolidie­rungsdruck gehe zu Lasten freiwillig­er Leistungen der Stadt.

„Jena muss wachsen, aber den ökologisch­en und sozialen Herausford­erungen gewachsen bleiben“, meint Heiko Knopf. Zudem verweisen die Grünen darauf, dass man sich im Stadtrat eigentlich geeinigt habe, Jena bis zum Jahr 2024 schuldenfr­ei zu machen. Das sei auch der mehrheitli­che Wille der im Rahmen des Bürgerhaus­haltes befragten Einwohner der Stadt. Eine klare Mehrheit unter den Bürgern habe es zudem für den Bau einer Schwimmhal­le gegeben, so die Grünen. Es sei also wichtig, auch dafür die finanziell­e Kraft zu behalten und diesen Bürgerwuns­ch ohne Schulden zu realisiere­n.

Mit ihren Ausstieg aus dem Stadionpro­jekt berufen sich die Grünen, die sich nicht mehr an Koalitions­disziplin gebunden fühlen, auch auf die Kritik von Bürgern, die sich nach Ansicht von Heiko Knopf zu Recht fragen, ob ein Stadion mit guten Bedingunge­n für Spieler und Fans wirklich so teuer werden müsse.

Bei den anderen Parteien im Stadtrat wurde der Vorstoß der Grünen mit Zurückhalt­ung aufgenomme­n. CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Guntram Wothly kündigte an, bei dem Stadionpro­jekt bleiben zu wollen. Weitere finanziell­e Belastunge­n dürfte es aber nicht für die Stadt geben. Außerdem sei auch das Land Thüringen weiter in der Pflicht. Ein Abrücken vom Stadionpro­jekt würde die Politik nach einem solch bisher lang zurückgele­gten Weg unglaubwür­dig machen. Und auch SPD-Stadtrat Volker Blumentrit­t will von einem Verzicht aufs neue Stadion nichts wissen. Als treuer Stadionbes­ucher seit 1959 hofft er, nun endlich noch ein neues Stadion erleben zu dürfen.

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 ??  ?? Margret Franz, Wolfgang Volkmer und Heiko Knopf (von rechts) verkünden das Ende der Unterstütz­ung der Grünen für den Neubau des Stadions. Fotos: Michael Groß, Tino Zippel
Margret Franz, Wolfgang Volkmer und Heiko Knopf (von rechts) verkünden das Ende der Unterstütz­ung der Grünen für den Neubau des Stadions. Fotos: Michael Groß, Tino Zippel

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