Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Haus verloren, Freiheit gewonnen
Ein Geraer Ehepaar geriet wegen einer Immobilie in die Schieflage, entschied sich aber für eine Alternative zur Insolvenz
GERA. Sie hatten sich das Ganze so schön ausgemalt: Barbara und Ludwig Lorenz* aus Gera wollten gemeinsam mit ihrem Vater beziehungsweise Schwiegervater unter einem Dach und im gemeinsamen Haus leben. Mit einem Teil seines Einkommens sollte er sich an der Finanzierung der Immobilie beteiligen, mit deren Erwerb sich die Eheleute nicht zu übernehmen glaubten. Schließlich haben Ludwig und Barbara Lorenz vergleichsweise sichere Jobs: Sie arbeitet im Pflegebereich, er ist Hausmeister. Die Finanzierung schien also auf einem soliden Fundament zu fußen.
Doch ein paar Jahre nach dem Einzug starb der Vater plötzlich – und damit fiel auch sein Einkommen als fest eingeplanter Bestandteil der Finanzierung weg. Zur Trauer um den viel zu früh aus dem Leben gerissenen Angehörigen kamen für das Ehepaar Lorenz folglich große pekuniäre Probleme. Zunächst versuchten beide, den Kredit allein zu bedienen. Doch es war wie ein Kampf gegen Windmühlen: Obwohl sie nicht auf großem Fuß lebten und jeden Cent in die Finanzierung des Hauses steckten, kamen sie von ihren Schulden nicht herunter. Bald gab es erste Lohnpfändungen, schließlich die Kontopfändung.
„Sie zahlten die Raten, aber es wurde einfach nicht besser“, sagt Schuldnerberater Arno Röder von der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstelle der Thüringer Arbeitsloseninitiative – Soziale Arbeit e.V. in Gera, an den sich das Ehepaar Lorenz schließlich im Mai 2014 wandte. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich dessen Verbindlichkeiten bereits auf rund 125 000 Euro. „Es kommt oft vor, dass die Zinsen alles auffressen, die eigentlichen Schulden aber nicht getilgt werden.“ Bei der Beratung hieß es zunächst, Ordnung ins Chaos zu bringen: Der Schuldnerberater gab den Ratsuchenden – den Begriff Klienten oder Mandanten wählt Arno Röder bewusst nicht – auf, ihre Gläubiger, deren Zahl überschaubar war, nach der aktuellen Höhe ihrer Forderungen zu fragen. Dann begann das große Rechnen: „Um eine Privatinsolvenz zu vermeiden, müssen wir Gläubigern mehr anbieten, als sie in so einem gerichtlichen Verfahren bekommen würden“, erklärt Arno Röder. Da er kein Steuerberater sei und die Beratungsstelle auch kein Lohnbüro, er beim Rechnen daher schnell an gewisse Grenzen stoße, habe er den Kontakt zu den beiden Arbeitgebern von Ludwig und Barbara Lorenz gesucht. Am Ende stand fest: Würden die Eheleute den Weg des Insolvenzverfahrens beschreiten, müssten sie monatlich fünf Jahre lang etwa 230 Euro an die Gläubiger zahlen. In einem gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren aber, der oft vergessenen und verkannten Alternative zur Insolvenz, wären es um die 300 Euro, also 70 Euro mehr.
„Vor gut einem Jahr habe ich dann einen außergerichtlichen Vergleich vorbereitet, der die Voraussetzung für ein eventuelles späteres gerichtlichen Verfahren ist“, beschreibt Arno Röder die weitere Vorgehensweise. Der Vergleich sei danach den Gläubigern zugesandt worden – und bis auf zwei hätten ihm alle zugestimmt. „Damit war es nun möglich, das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren, das ich lieber Zwangsvergleich nenne, zu beantragen“, sagt der Schuldnerberater und ergänzt: Stimme die Mehrheit der Gläubiger, bei denen sich auch die Masse der Forderungen bündelt, einem Vergleichsvorschlag zu, könne das Gericht die Gläubiger, die den Vergleich anlehnen, zu dessen Annahme zwingen. Dann hieß es erst allerdings einmal abwarten: Rund acht Monate dauerte es, bis die Eheleute Lorenz vom Gericht grünes Licht bekamen. Trotzdem ging auch danach nicht alles den geplanten Gang: Ein Gläubiger, der den Vergleichsvorschlag abgelehnt hatte, wollte den Beschluss des Gerichts partout nicht hinnehmen. „Es brauchte mindestens zehn Anrufe von mir und Barbara Lorenz, bis er sich einsichtig zeigte“, sagt Arno Röder, der froh ist, dass auch diese Hürde inzwischen gemeistert ist. Inzwischen liefen die Zahlungen reibungslos, monatlich gehen wie vereinbart 300 Euro an die Gläubiger.
Bis zu dieser Lösung sind zwar insgesamt mehr als zwei Jahre vergangen, trotzdem hält sie Arno Röder für die vorteilhaftere. Aus seiner Sicht führt der Zwangsvergleich zu einer „VierWin-Situation“, denn es gäbe letztlich vier Gewinner: zum einen die Gläubiger, die mehr Geld als in seinem Insolvenzverfahren erhalten, weil die Schuldner eben auch Zahlungen aus dem unpfändbaren Einkommen anbieten. „Dazu kommt, dass die Gerichtskosten geringer ausfallen. Ein gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren kostet nämlich nur etwa ein Zwanzigstel des Insolvenzverfahrens, weil dieses Verfahren nach etwa acht Monaten abgeschlossen ist und nicht wie das Insolvenzverfahren bis zu sechs Jahre andauert.“
Für die Hilfesuchenden habe der Zwangsvergleich zudem den Vorteil, dass es keine Lohnpfändungen mehr gibt, die im Übrigen auch für den Arbeitgeber und die Banken einen Mehraufwand bedeuten. „Und zusätzlich haben wir das Gefühl, dass wir mit unseren finanziellen Möglichkeiten für unsere Schulden gerade stehen können“, sind sich die Eheleute Lorenz einig. Sie konnten ihr Haus zwar nicht halten, leben inzwischen in einer Mietwohnung. Für sie hat es sich aber dennoch gelohnt, sich an die Schuldnerberatung gewandt und sich die InsolvenzAlternative entschieden zu haben. Ganz abgesehen davon, dass ihr Name im Internet nun nicht im Zusammenhang mit einer Insolvenz auftaucht.
* Namen redaktionell geändert
Arbeitgeber sind mit im Boot
Diese Lösung hat vier Gewinner