Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Die Spur führt nach Birmingham

Nach dem Anschlag von London gibt es erste Verhaftung­en – Der Täter wurde in Großbritan­nien geboren

- VON JOCHEN WITTMANN UND ALEXANDER KOHNEN

LONDON. Noch in der Nacht schlug die Polizei zu. Razzia in der Hagley Road im Stadtteil Edgebaston von Birmingham, die Ermittler drangen in eine Wohnung im zweiten Stock über einem persischen Restaurant ein. Die zweitgrößt­e Stadt Englands ist die Hochburg der Islamisten im Königreich. „Dort hat der Mann von London gelebt“, sagte ein Augenzeuge.

Der Mann von London – damit ist der Attentäter gemeint, der am Mittwoch vier Menschen tötete und 40 verletzte, sieben davon schwer, darunter eine Deutsche. Dazu brauchte er nicht viel – nur ein Auto und ein Messer. Zuerst hatte er mit einem Hyundai Passanten auf der Westminste­r Bridge niedergemä­ht, eine Frau und ein Mann starben. Dann drang er in den Parlaments­komplex ein und erstach einen Wachpolizi­sten, bevor er selber erschossen wurde.

Drei Männer soll die Polizei bei ihrer Razzia verhaftet haben. Und: Es gab fünf weitere Razzien in Birmingham und London. Insgesamt seien, gibt die Polizei am Donnerstag bekannt, acht Personen „von unterschie­dlicher Nationalit­ät“festgenomm­en worden. Die Sicherheit­sbehörden hielten den Namen des Attentäter­s zunächst zurück. Am Nachmittag teilte Scotland Yard mit, er sei 52 Jahre alt gewesen. Sein Name war Khalid Masood, er stammt aus den Midlands. Er war der Polizei bekannt – wegen Gewaltdeli­kten und unerlaubte­m Waffenbesi­tz. „Seine erste Verurteilu­ng war 1983 wegen Sachbeschä­digung, die letzte 2013 wegen unerlaubte­n Besitzes eines Messers“, heißt es in der Mitteilung. Masood hatte mehrere Aliasnamen benutzt.

Zuvor hatte Mark Rowley, der Chef der Terrorabwe­hr von Scotland Yard, erklärt, seine Behörde sei überzeugt, „dass dieser Angreifer allein agiert hat und durch internatio­nalen Terrorismu­s inspiriert wurde“. Aber auch Einzeltäte­r, wissen die Sicherheit­skräfte, haben ein Umfeld. Komplizen, Mitwisser, vielleicht Helfer. Die müssen jetzt ausfindig gemacht werden.

Davor hatte die Premiermin­isterin Theresa May im Unterhaus etwas mehr zum Täter gesagt. „Ich kann bestätigen“, sagte die Regierungs­chefin, „dass dieser Mann in Großbritan­nien geboren wurde.“Er war dem Inlandsgeh­eimdienst MI5 vor ein paar Jahren aufgefalle­n, wurde verhört. „Er war eine Randfigur“, sagte May. „Unsere Arbeitshyp­othese ist, dass der Angreifer durch islamistis­che Ideologie inspiriert wurde.“Ein paar Stunden später reklamiert­e die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) die Tat für sich. Der Anschlag sei von einem ihrer „Soldaten“ausgeführt worden, hieß es in einer knappen Mitteilung.

Die Spur, die die Sicherheit­skräfte nach Birmingham geführt hatte, war der graue Hyundai i40. Das Auto, das zur Tatwaffe umfunktion­iert wurde. Er war ein Mietwagen, den die Firma Enterprise in Birmingham als eines ihrer Autos erkannte.

Dass die Spur hierhin führt, hat die britischen Sicherheit­skräfte sicher nicht überrascht. In Birmingham wohnen viele britische Muslime, in einigen Stadtteile­n stellen sie die Mehrheit. Mehrere verurteilt­e Terroriste­n kommen aus dieser Stadt, zur Zeit läuft mal wieder ein Prozess. Vor drei Jahren kam es zu einem nationalen Aufschrei, als bekannt wurde, dass Islamisten versucht hatten, Schulen in Birmingham zu unterwande­rn: Moderate Schulleite­r wurden durch muslimisch­e Elternvert­reter hinausgedr­ängt, um den Lehrplan fundamenta­l-islamisch auszuricht­en.

Die Ermittler hatten Birmingham also auf dem Schirm. Dass sie den Attentäter aus dem Blick verloren, ist peinlich, anderersei­ts verständli­ch. Es gibt zu viele Verdächtig­e, die man überwachen müsste. Von den Hunderten britischen Muslimen, die aus dem Krieg in Syrien wieder zurückgeke­hrt sind, sind nicht alle Gefährder. Der Inlandsgeh­eimdienst MI5 konzentrie­rt sich auf die Islamisten mit den am weitesten fortgeschr­ittenen Anschlagsp­länen. Seit 2013 hat man 13 islamistis­che Attentate durch Observatio­n und Zugriff verhindern können.

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Karikatur: Nel

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