Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Nie wieder ein zu hartes Ei
150 Nachwuchsforscher präsentieren bei Jugend forscht“und „Schüler experimentieren“in Jena ihre Ideen
Sage noch einmal jemand, Kinder und Jugendliche würden nur am Handy daddeln. Die rund 150 Nachwuchsforscher, die gestern ihre ideenreichen und findigen Projekte beim Landeswettbewerb „Jugend forscht“und „Schüler experimentieren“in der Jenaer Fachhochschule präsentierten, dürften dazu relativ wenig Zeit haben. Es sei denn, Handy oder Tablett sind sogar Teil dieser Ideen. So wie bei der „Blätterhilfe“aus Erfurt.
Magdalena Volland und Franz Aaron Stückrad von der Grundschule am Steigerwald in Erfurt machen selber Musik. Wäre doch cool, wenn man dazu die Noten umblättern könnte, ohne dafür die Hände vom Instrument nehmen zu müssen, sagten sich die beiden Zehnjährigen und dachten dabei auch an Lesehilfen für Behinderte. Gemeinsam mit Franz Teuber (9) setzten sie bei der Realisierung ihrer „Umblättermaschine“auf Bauteile von Lego. Doch entweder verwurschtelte der per Bluetooth gesteuerte Lego-Arm die Seiten oder er wendete gleich mehrere Blätter auf einmal. Die Lösung brachte nach vielen Versuchen ein doppelter Greifer. Ein Fingerhut aus Gummi hebt die Seite zunächst leicht an, bevor sie dann im zweiten Arbeitsgang von einem Keil aufgenommen und sanft umgelegt wird. Für ihre Blätterhilfe erhielten die Kids neben einem ersten Preis auch noch den Sonderpreis der Christoffel-Blindenmission.
Aufs Handy setzen auch die Türken Recep Polat und Berkay Isik von der deutschen Schule Lisesi in Istanbul, die in der Kategorie Technik bei „Jugend forscht“am Landeswettbewerb teilnahmen. In perfektem Deutsch präsentierten sie ihr mit vielen Sensoren bestücktes T-Shirt. Beugt sich der Rücken des Trägers, schicken die Module eine Ermahnung aufs Handy-Display. Dabei setzten die Erfinder auch auf das Gedächtnis der Muskeln. Täglich zehn Minuten im T-Shirt, und schon nach einem Monat sitzt der Träger von allein besser, versichern sie. Derzeit tüfteln Recep und Berkay an einer deutlich kleineren Variante der Verarbeitungsplatine. Im sicheren Gehäuse aus dem 3DDrucker könnte diese auch beim Sport eingesetzt werden.
Im Wortsinn getüftelt hat auch Jonah Kessels (11) vom Carl-ZeissGymnasium Jena. Auslöser war seine Vorliebe für Weintrauben, die allerdings nie aus Thüringen kommen. „Trauben vom Polarkreis – lässt sich die Geografie überlisten?“hat er sein Experiment genannt. Und dabei richtig tief in die Trickkiste gegriffen. Um etwa Neigung und Sonneneinstrahlung der Thüringer Weinhänge bei Kunitz, Zwätzen und Bad Sulza zu simulieren, benutzte er ein Schreibpult aus dem elterlichen Keller. Als Licht-, Wärmeund Messquelle dienten ein höhenverstellbare Tischlampe sowie Lichtmesser und Thermometer. Die Ergebnisse sind eindeutig: Je steiler der Hang, desto höher die Aufheizung und Lichtintensität und desto besser die Weinanbaubedingungen. Und auch das ist ein Ergebnis von Jonahs Experimenten: Was an den 30- beziehungsweise 36-Grad-Hängen um Jena herum noch funktioniert, braucht man am Nordpol wegen der niedrigen Temperaturen und kurzen Sonnenphasen gar nicht erst probieren.
Apropos Sonne: Die hat es Heidi Limberger und Nathalie Mähl vom Albert-Schweitzer-Gymnasium Erfurt anfangs richtig schwer gemacht. Herausfinden wollten sie, welche Pflanzen oder Früchte unter Lichteinwirkung heilende Gifte erzeugen, um daraus Erkennnisse für die Medizin zu gewinnen. Lange wollte ihnen allerdings keinerlei Nachweis gelingen. Doch dann der Durchbruch: in Sellerie, Grapefruit und Pastinake entdeckten sie Furocumarine, einen Stoff, der bei Sonneneinwirkung auf der Haut Reizungen hinterlässt. Für die MikawaFrucht waren sie sogar die ersten, die diesen Nachweis erbringen konnten. Bei der Puva-Therapie werden solche Wirkungen synthetisch erzeugt, etwa zur Bekämpfung der Schuppenflechte. Nach ihren Experimenten träumen die Abiturientinnen davon, die Medikamente nun auch auf natürlicher Basis gewinnen zu können. An ihren Ideen weiterarbeiten können sie im Rahmen eines Forschungspraktikums, dass sie – neben einem ersten Platz bei „Jugend forscht“– gestern als Sonderpreis von Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft zugesprochen bekamen.
Über einen ersten Platz und den Superlativ „Bestes interdisziplinäres Projekt“konnten sich Saskia Floderer und Maria Matveev vom Carl-Zeiss-Gymnasium Jena freuen. Sie untersuchten die Blätter des Schwimmfarns (Salvinia natans) unter dem Rasterelektronenmikroskop und stellten Erstaunliches fest: Dank tentakelartiger Schneebesenhaare umgeben sich die Blätter unter Wasser mit einer schützenden Luftschicht, von der in den einschlägigen Experimenten der beiden Gymnasiastinnen so ziemlich alles abperlte. Die praktische Idee dabei: Ließe sich der Effekt auf dem Rumpf großer Schiffe simulieren, könnten so die Reibung vermindert und weniger CO2 ausgestoßen werden. In Rohren ließen sich Flüssigkeiten mit weniger Energieaufwand transportieren.
Am perfekten Frühstücksei dank Lichtmessung arbeiten Elena Ermantraut und Eva Kuckelkorn von der Jenaplanschule. Derzeit ist ihre Messapparatur noch recht groß. Doch die beiden 13Jährigen tüfteln bereits an einem Sensor, der die Daten direkt aus dem Eierkocher auf das Handy sendet.