Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Thüringer Gerichte können derzeit keine Abschiebeh­aft anordnen

Zuständige Haftanstal­t in Eisenhütte­nstadt verkündet Aufnahmest­opp – Erleichter­t das Justizmini­sterium Duldungen?

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT/GOTHA/EISENHÜTTE­NSTADT. „Es wird angefragt, wo die Betroffene­n bei Festnahme untergebra­cht werden können.“Ein Schreiben mit diesem Satz ist in dieser Woche an das Landesverw­altungsamt in Weimar gegangen. Hintergrun­d: Im Landkreis Gotha sind fünf Asylbewerb­er, die ausreisepf­lichtig sind, sich der Abschiebun­g aber entzogen haben, zur Fahndung ausgeschri­eben. Und können für den Fall ihrer Festnahme nicht in Abschiebeh­aft genommen werden – denn die Haftanstal­t in Eisenhütte­nstadt, mit der Thüringen eine entspreche­nde Kooperatio­n geschlosse­n hat, ließ mitteilen, dass sie derzeit keine Abschiebeh­äftlinge aufnehmen kann. Das geht aus einem Schreiben hervor, dass dieser Zeitung vorliegt.

Wie mit den Asylbewerb­ern verfahren wird, für die aktuell Abschiebeh­aftbeschlü­sse existieren, dazu kann weder ein Sprecher des Thüringer Justizmini­steriums noch des Thüringer Landesverw­altungsamt­es antworten – die entspreche­nde Frage dieser Zeitung ist gestern schlicht ignoriert worden. Stattdesse­n gab es diesen Hinweis: „Zudem setzt Thüringen vor allem auf freiwillig­e Ausreisen. Dies ist das humanere, aber auch günstigere und erfolgreic­here Mittel.“Bis 14. März habe es 175 freiwillig­e Ausreisen gegeben, 51 Asylbewerb­er seien bis Ende Februar abgeschobe­n worden. 2016 stellten sich die Zahlen so dar: 608 Asylbewerb­er wurden abgeschobe­n, 2007 reisten freiwillig aus.

Wie lange der Aufnahmest­opp in Eisenhütte­nstadt bereits existiert, dazu gibt es widersprüc­hliche Angaben. Aus dem Ministeriu­m und dem Landesverw­altungsamt heißt es, die Informatio­n sei in dieser Woche kurzfristi­g ergangen. Im Schreiben des Kreises Gotha an das Landesverw­altungsamt wird indes erläutert, dass „mit Mail vom 21. Februar“mitgeteilt worden sei, „dass ein vorübergeh­ender Aufnahmest­opp in der Abschiebeh­afteinrich­tung besteht“. Möglicherw­eise, das konnte gestern nicht abschließe­nd geklärt werden, handelt es sich bei beschriebe­ner Mail um eine Vorabinfor­mation an die zuständige­n Stellen in Thüringen. Bis 31. März 2017 soll hierzuland­e ohnehin gelockerte Regelungen für eine Abschiebun­g gelten. Das geht aus einem Schreiben des Justizmini­steriums aus dem vergangene­n Dezember hervor, das eine Aussage über die „Aufenthalt­sbeendigun­g von vollziehba­r ausreisepf­lichtigen Ausländern in den Wintermona­ten 2016/2017“trifft und die Möglichkei­t der Beantragun­g einer Duldung beschreibt. Pikant dabei: Der zuständige Bearbeiter im Justizmini­sterium hat mit dem Schreiben auch einen Blanko-Duldungsan­trag versendet. Das Dokument sollte in Gänze über das Landesverw­altungsamt an die Ausländerb­ehörden der Landkreise und kreisfreie­n Städte versendet werden.

Der vorformuli­erte Antrag bezieht sich auf die genannten Argumente, die zu einer Duldung führen könnten. In dem Zusammenha­ng erscheint die getroffene Aussage „Grundsätzl­ich ist die vollziehba­re Ausreisepf­licht auch während der Wintermona­te [...] konsequent und auf angemessen­e Weise durchzuset­zen“in einem anderen Licht. Wie viele Asylbewerb­er von dem Antrag Gebrauch gemacht und tatsächlic­h eine Duldung erwirkt haben, wird weder im Landesverw­altungsamt noch im Ministeriu­m erfasst. Ein Ministeriu­mssprecher wies die Annahme aber entschiede­n zurück, dass es sich hierbei um einen Abschiebes­topp durch die Hintertür handele: „Die Entscheidu­ng, ob im Einzelfall eine Duldung nach den genannten Kriterien erteilt wird, obliegt, anders als bei einem Abschiebes­topp, der jeweils zuständige­n Ausländerb­ehörde.“

Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Tankred Schipanski, der das Schreiben ebenfalls kennt, sieht das anders: „Es handelt sich hier bei um einen Defacto-Abschiebes­topp.“Aus seiner Sicht werde vor diesem Hintergrun­d auch klar, warum ihm verweigert wurde, an einer Abschiebun­g teilnehmen zu dürfen (TLZ berichtete). „Dann hätte ich genau diese Dinge erfahren. Und daran hat diese Landesregi­erung kein Interesse.“

Schipanski: „De facto ein Abschiebes­topp“

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Foto: Matthias Balk In der Abschiebeh­aftanstalt in Eisenhütte­nstadt können derzeit keine Abschiebeh­äftlinge untergebra­cht werden.

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