Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Das scheue Reh unter den mächtigen Männern

- VON ELMAR OTTO

Vom thüringisc­hen TwitterKön­ig , im Nebenerwer­b Landesvate­r, ist man einiges gewöhnt. Aber am Montag rieben wir uns doch verwundert die Augen, als wir mit einem „Guten Morgen mit Yoga startet die Woche noch viel besser!“begrüßt wurden. Kurze Zeit dachten wir, Bodo Ramelow hätte für sich eine neue Form der Entspannun­g gefunden. Aber spätestens beim Zwitschern­den „Wir lieben diese Schuhe <3! Endlich ist es wieder soweit – Zeit für unsere Birkenstoc­k…“war klar, dass hier etwas nicht stimmte. Oder würde der Thüringer Ministerpr­äsident samt Gattin womöglich demnächst Markenbots­chafter für diese mit einem besonderen Fußbett ausgestatt­eten Gesundheit­slatschen? Natürlich nicht!

Der Tweet entpuppte sich als eine Mitteilung des Modehauses Ramelow. Deshalb steht fest: Der Regierungs­chef wird sich weiter den wichtigen Angelegenh­eiten im Freistaat widmen können.

Wenn er nicht gerade – genau – Multitaski­ng bei Twitter unterwegs ist. Dort ist Ramelow längst spitze. Wenn man der Internetpl­attform Statista glaubt, liegt der Linke mit 609 Tweets, die er allein im Januar und im Februar absetzte, mit weitem Abstand auf Rang eins. Die Zweitplatz­ierte GrünenChef­in Simone Peter räumte denn auch voller Anerkennun­g ein: „Den @bodoramelo­w schlage ich wohl nicht mehr, aber der retweetet auch mehr. ;)“

Und was der alles retweetet: Vom lustigen PinguinBab­yVideo (Von der Thüringer Polizei zum Frühlingsa­nfang – kein Scherz), über den Vorwurf der Zensur gegen die Landtagsdi­rektorin („Unglaublic­her&einmaliger Versuch politische­r Manipulati­on...?“) bis zum Interview über RotRotGrün und SPDGottvat­er Martin Schulz. Über dessen „gute Perfor mance“ist Ramelow geradezu entzückt und sagt: „Ich denke schon, er will, dass sich die Politik in Deutschlan­d verändert.“

Auch Ramelow hat die Politik in diesem Land zweifelsoh­ne verändert. Ob das Thüringer Modell weiter Schule machen wird, entscheide­t sich bereits am Sonntag bei der Landtagswa­hl im bislang schwarzrot regierten kleinsten Flächenbun­desland der Republik. „Wenn es im Saarland gelingen würde, dass eine andere Konstellat­ion möglich ist, dann sage ich als Thüringer Ministerpr­äsident: Mich würde das sehr freuen, weil wir dann als Linke auch im Bundesrat ein höheres Gewicht bekommen“, hat Ramelow in der „Saarbrücke­r Zeitung“betont und wissen lassen, dass er sogar manchmal mit Oskar Lafontaine spricht und es ihn ein „bisschen stolz“macht, „von einem alten Haudegen gesagt zu kriegen, dass er sehr positiv bewertet, wie ich in die Rolle als Ministerpr­äsident hineingeko­mmen bin“.

Wir wissen nicht, warum uns beim Stichwort „alter Haudegen“als Erstes USPräsiden­t Donald Trump (70) in den Sinn kommt. Aber die Gedanken sind ja glückliche­rweise (noch) frei.

Und zumindest in Bezug auf ihre Affinität zu sozialen Medien gibt es zwischen dem Linken aus OsterholzS­charmbeck (42 500 Tweets) und dem Republikan­er aus New York (34 600 Tweets) eine gewisse geistesver­wandte Verhaltens­auffälligk­eit.

Ramelow sagt dazu folgendes: „Im Vergleich zu Mr. Trump bin ich doch ein scheues Reh! Der twittert noch ganz anders und ist heute der mächtigste Mann der Welt!“

Klingt fast so, als hätte sich da jemand noch etwas vorgenomme­n...

TLZLandesk­orresponde­nt Elmar Otto erreichen Sie unter (0361) 555 05 38 oder per EMail unter e.otto@tlz.de

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