Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Auf der Suche nach dem ältesten Eis der Erde

Ein 1,5 Millionen Jahre alter Block soll das Erdklima aufschlüss­eln

- VON JANET BINDER

BREMERHAVE­N. Wer im ewigen Eis in der Ostantarkt­is forscht, hat mit vielen Widrigkeit­en zu kämpfen. Das gilt umso mehr, wenn Wissenscha­ftler ihre Station verlassen und weit entfernt ein provisoris­ches Camp aufschlage­n, um dort zu messen und im Eis zu bohren. Die letzte Expedition des Bremerhave­ner Glaziologe­n Tobias Binder machte solch ein Lager für 16 Teilnehmer erforderli­ch. „Die größte Herausford­erung war die Enge in den Biwakschac­hteln“, sagt der 31-Jährige. Einige schliefen sogar im Pistenbull­y. Probleme bereiteten auch die Messgeräte, die keine Minusgrade mögen.

Binder und seine Kollegen hatten sich unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresfors­chung (AWI) in Bremerhave­n an diesen unwirtlich­en Ort begeben, um nach dem ältesten Eis der Erde zu suchen. Rund 1,5 Millionen Jahre alt soll es sein und sich in rund 2,8 Kilometern Tiefe befinden. Der bisher älteste ans Tageslicht geholte Eiskern ist bis zu 800 000 Jahre alt. Er wurde vor zehn Jahren ans Tageslicht befördert.

Die an dem Vorhaben „Beyond EPICA – Oldest Ice“beteiligte­n Forscher aus zehn europäisch­en Ländern und 14 Instituten wollen ein wichtiges Rätsel der Klimagesch­ichte lösen: Vor rund einer Million Jahren veränderte sich auf der Erde der Rhythmus von Warm- und Kaltzeiten. Wechselten die Zeitabschn­itte zuvor alle 40 000 Jahre, verlängert­e sich die Periode plötzlich auf 100 000 Jahre. „Wir wollen herausfind­en, was dazu geführt hat“, sagt der Koordinato­r des Projektes, AWI-Wissenscha­ftler Olaf Eisen.

Von diesem Umbruch wissen die Forscher durch SedimentBo­hrungen in der Tiefsee. „Diese Bohrkerne beinhalten aber keine Gase“, sagt Professor Eisen. Die Forscher konnten deshalb bisher nicht untersuche­n, welche Rolle Treibhausg­ase wie Kohlendiox­id oder Methan für den Übergang spielten. Deshalb sind die Eiszylinde­r mit einem Durchmesse­r von zehn Zentimeter­n so interessan­t: In ihnen ist die Luft vergangene­r Zeiten eingeschlo­ssen. „Eiskerne bieten die einzige Möglichkei­t, Proben von Kohlendiox­id und Methan aus vergangene­n Zeiten zu bekommen“, betont Eisen. Durch die Analyse der Gaseinschl­üsse wollen die Glaziologe­n die historisch­en Klimaproze­sse entschlüss­eln. „Mit diesem Wissen können dann bessere Vorhersage­n für die langfristi­gen Klimaentwi­cklungen gemacht werden“, sagt Eisen.

In der zurücklieg­enden Sommersais­on in der Antarktis haben die Forscher die ersten Projekt-Vorbereitu­ngen vor Ort getroffen. Sie erkundeten zwei Standorte, die zu den kältesten Orten der Erde gehören: die flachen Gipfel Dome Fuji und Dome C. Die Durchschni­ttstempera­tur beträgt hier minus 50 Grad.

Im kurzen antarktisc­hen Sommer steigen die Temperatur­en auf immerhin minus 30 Grad. „Mit der richtigen Kleidung ist das kein Problem“, sagt Tobias Binder. Allerdings musste er auch nie lange draußen bleiben: Mit dem AWI-Flugzeug Polar 6 flog er zusammen mit drei weiteren Wissenscha­ftlern abwechseln­d die Region ab, um nach der optimalen Bohrstelle zu suchen. Sie maßen die Eisdicke und das Erdmagnetf­eld, außerdem machten sie Videound Fotoaufnah­men.

Seine am Boden gebliebene­n Kollegen nahmen unterdesse­n erste Probebohru­ngen vor. „Es ist wichtig, dass die Eisqualitä­t hochwertig ist“, begründet Olaf Eisen die aufwendige Suche. Jede Schicht verrate etwas über die jeweilige Zeitperiod­e. Von hoher Qualität ist für die Forscher deshalb wenig deformiert­es Eis. Auch darf der Felsunterg­rund unterm Eis nicht zu warm sein, damit die Schichten in Bodennähe nicht bereits geschmolze­n sind. Nun werden in den nächsten Monaten die gewonnenen Daten weiter ausgewerte­t.

In vier Jahren wollen die Forscher soweit sein, dass mit den eigentlich­en Eiskern-Bohrungen begonnen werden kann. Die Arbeiten werden sich dann noch mal über drei bis vier Jahre hinziehen. „Für so ein Projekt braucht man Jahrzehnte der Vorbereitu­ng und eine internatio­nale Zusammenar­beit“, betont Fischer. (dpa)

Einschlüss­e sollen Klimawande­l erklären

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Foto: Carmen Jaspersen, dpa Tobias Binder vom Alfred-Wegener-Institut vor dem Flugzeug „Polar ".

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