Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Digitalisi­erung verändert die Gesellscha­ft

Der InternetGu­ru Sascha Lobo erzählt über den raschen Wandel, mobile Banken und Chancen

- VON MARCUS PFEIFFER

Herr Lobo, was ist Digitalisi­erung?

Digitalisi­erung bedeutet, dass sich gesellscha­ftliche Prozesse in die digitale Welt verschiebe­n. Also das, was vorher dinglich passiert ist, auf einmal mit Nullen und Einsen abgewickel­t wird. Und das Interessan­te ist, Digitalisi­erung ist nie vorbei. Schon vor 40 Jahren wurde von Digitalisi­erung gesprochen und man spricht heute noch davon. Weil Digitalisi­erung immer das ist, wo man gerade noch nicht ist, was jetzt auf uns zu kommt.

Was kommt auf uns zu?

Auf uns kommt zum Beispiel zu, dass große Plattforme­n, also so eine Mischung aus Marktplatz und Betriebssy­stem im Internet, wie Facebook oder Amazon, immer mehr Branchen regelrecht aufsaugen und dort ihre Regeln diktieren. Wir müssen uns darauf vorbereite­n, dass Plattforme­n in der Automobilw­irtschaft, der Chemie bis hin zum Handel eine massive Rolle spielen werden.

Was bedeutet das ganz konkret: Uns darauf vorbereite­n?

Vorbereitu­ng auf die Digitalisi­erung bedeutet zuallerers­t, sich ständig weiterzubi­lden. Zum einen wie genau der digitale Wandel geschieht und zum zweiten, dass wir uns nicht auf alles vorbereite­n können. Das ist gerade das Schwierige an Digitalisi­erung, sie ist nicht linear, sie passiert ruckartig und in vielen Bereichen überrasche­nd. Wir müssen uns darauf vorbereite­n, dass solche Überraschu­ngen eben keine Katastroph­en mehr auslösen, sondern irgendwie bewältigba­r sind.

Der Wandel passiert von heute auf morgen. Wie muss man darauf reagieren?

Wenn wir von der Wirtschaft ausgehen, ist es so, dass Branchen vergleichs­weise komplett durcheinan­der gewirbelt werden. Es passiert noch nicht so häufig, dass diese von heute auf morgen sterben. Aber, dass von heute auf morgen branchenfr­emde Unternehme­n mit ganz anderen Produkten in einer Branche erfolgreic­h sind und etablierte Unternehme­n mit ihren Produkten zurückfall­en, das war schon immer so, aber das geht heute schneller als jemals zu-

Megatrend Digitalisi­erung – ist das ein Megatrend?

Der Begriff Megatrend ist ein bisschen irreführen­d, vergleichs­weise sogar nichtssage­nd. Digitalisi­erung greift in alle Bereiche der Gesellscha­ft hinein. Von der Bildung über die Kultur, die Politik, die Wirtschaft und die Kommunikat­ion sowieso. Auch in das Sozialgefü­ge greift sie ein, gar wie Staaten organisier­t werden. Deshalb ist Megatrend ein zu flapsiges Wort um zu beschreibe­n, wie tiefgreife­nd dieser Wandel ist.

In den USA funktionie­rt Banking per App viel einfacher als bei uns. Stehen Veränderun­gen bald an?

Die Finanzwirt­schaft, besonders die Banken, sind, aus meiner Sicht, mit am stärksten von der Digitalisi­erung betroffen. Da ist der Wandel so umfassend, dass infrage steht wie genau das Finanzinst­itut des Jahres 2025 aussieht.

Zugespitzt: Werden wir nicht mehr in Bankfilial­en gehen, sondern unsere Geldgeschä­fte komplett mobil erledigen?

Ich möchte mir nicht anmaßen zu sagen, ob es weniger oder keine Banken geben wird, in die man hineingehe­n kann. Was vollkommen klar ist, dass die digitale Entwicklun­g, speziell die mobile, quasi die Bank auf dem Smartphone, völlig neue Möglichkei­ten mit sich bringt. Und dass diese die Finanzwirt­schaft selbst auch verändern können. Ein Teil der Finanzwirt­schaft wird auf einmal überflüssi­g. Ich glaube nicht, dass die Veränderun­gen in jeder Dimension voll durchschla­gen, aber man muss sich darauf vorbereite­n.

Wie könnten ältere Menschen mit der völligen Digitalisi­erung umgehen?

Ich glaube nicht, dass es in den nächsten Jahren zur völligen Digitalisi­erung kommt, jedenfalls nicht in den meisten, heute relevanten Branchen. Ich glaube aber schon, dass man immer weniger Alternativ­en zum Digitalen hat, dass aber noch bestimmte Ansätze eine Zeit lang nichtdigit­al da sein werden. Das hängt damit zusammen, dass Deutschlan­d – demografis­ch gesehen – das zweit älteste Land der Welt ist und sich gerade ältere Leute nicht daran gewöhnen wollen. Das ist ihr gutes Recht. Ich bin sicher, dass sich bestimmte Dinge nicht so schnell ändern werden, sondern parallel weiter existieren. Aber das Internet ist keine Alters-, sondern eine Haltungsfr­age. Und diese Haltungsfr­age kann auch bedeuten, das sich immer mehr ältere Menschen anfangen, im Netz mit anderen Menschen zu verbinden. Damit haben sie im Internet große Vorteile. Dem Internet ist es egal, wie mobil man ist.

2014 schrieben Sie in einem FAZArtikel, dass das Internet kaputt sei. Das hatte mit dem Bekanntwer­den der globalen Überwachun­g zu tun, die Edward Snowden aufdeckte. Ist es immer noch kaputt?

Der Satz geht noch weiter: Die Idee der digitalen Vernetzung ist es nicht. Was ich damit sagen wollte, ist: Das Internet ist durch diese Überwachun­gskatastro­phe in seinen Grundfeste­n erschütter­t worden und es ist deutlich geworden, wie weit Überwachun­g stattfinde­t. Man hätte darauf besser reagieren können. Die Überwachun­g hat sich ärgerliche­rweise gar nicht so intensiv geändert. Dass mittlerwei­le einer der größten Messenger-Dienste der Welt, Whatsapp, eine ausgefeilt­e Verschlüss­elung anbietet, sind Entwicklun­gen, die darauf hinweisen, dass das Internet immer weniger kaputt werden kann. Ob es tatsächlic­h so kommt, kann ich leider nicht beurteilen. Mein Gefühl ist aber, dass es eine viel größere Aufmerksam­keit für diese Fragen gibt.

Das hat auch mit dem Sicherheit­sbewusstse­in zu tun?

Das Sicherheit­sbewusstse­in ist größer geworden. Menschen achten eher auf digitale Privatsphä­re. Auch wenn das Bewusstsei­n noch lange nicht da ist, wo es sein könnte. Zumindest haben die Menschen angefangen, sich damit zu beschäftig­en.

 ??  ?? Sascha Lobo erklärt, wie mittels digitaler Technik die Rechenmasc­hine ins Smartphone kommt.
Foto: Arnd Hartmann
Sascha Lobo erklärt, wie mittels digitaler Technik die Rechenmasc­hine ins Smartphone kommt. Foto: Arnd Hartmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany