Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Austernsch­maus und Strandkörb­e: Auf Sylt erwacht der Frühling

Osterglock­en auf den Steinwälle­n, auf den Straßen die Cabrios – der Winter neigt sich auf der Insel dem Ende entgegen

- VON NICOLE JANKOWSKI

Wenn die Austernfis­cher in der Blidselbuc­ht vor List zugange sind, naht der Frühling. Anfang März bringen sie die Austern aus dem Winterquar­tier in die Nordsee zurück. „Wir müssen das Eis umgehen, das macht alles kaputt“, sagt Christoffe­r Bohlig, 38. Er wollte eigentlich Meeresbiol­oge werden, jetzt ist er Betriebsle­iter bei Dittmeyers‘s Austern Compagnie in List im Norden der Insel. Auf Metalltisc­hen breiten die drei die Netztasche­n aus, Poches genannt. 200 bis 300 Austern passen hinein. Mit zwei Mitarbeite­rn watet Christophe­r Bohlig durchs Watt. Heute ist ein guter Tag, wenig Wind, das Meer bleibt weit zurück. Bis Ende Mai will Bohlig mit der Arbeit fertig sein. Die Blidselbuc­ht ist Sperrgebie­t, allein darf man sie eigentlich nicht betreten.

Beim Watt sieht das anders aus. Doch bei einer geführten Wanderung lässt sich mehr entdecken. Mit Gummistief­eln stapft Matthias Strasser, Leiter des Erlebnisze­ntrums, voraus. Zwischen den Sandkothau­fen des Wattwurms zeigt der Biologe auf braune geleeartig­e Beeren. Hier hat der Kiemenring­elwurm gelaicht. Strasser gräbt das Tier aus. Klein, dünn, rötlich – ein Frühlingsb­ote. Spätestens Ende April ist das Watt dann übersät mit den Eiern des grünen Blattwurms.

Noch steckt der Frühling in den Kinderschu­hen. Bereits auffällig sind die Osterglock­en, Krokusse und Narzissen auf den Steinwälle­n in Keitum. Langsam wagen sich auch die ersten Kräuter aus der Erde. Sternekoch Johannes King hockt im Garten seines Hofes in Morsum und pflückt Gundermann.

„Früher hat man gesagt, man hat Unkraut, heute hat man Wildkräute­r“, sagt er. Das Kochen mit den Jahreszeit­en ist Kings Markenzeic­hen. Der Gastronom reißt etwas Bronzefenc­hel ab und beißt darauf. Ein leichter Lakritzges­chmack. Am Abend wird er im Sterne-prämierten „Söl‘ring Hof“in Rantum mit Forelle und Birne eine delikate Verbindung eingehen.

Ostern und Lamm, auch das gehört zusammen – kulinarisc­h und auf dem Deich. Kai und John Petersen aus Keitum gehören zu den größten Schafzücht­ern der Insel. 200 Mutterscha­fe besitzen Vater und Sohn. In der Lammzeit kommen sie in den Stall, sechs Wochen unter strenger Beobachtun­g. Alle zweieinhal­b Stunden überprüft jemand die Herde, Tag und Nacht. „Das ist anstrengen­d, aber man hat ja dem Schaf gegenüber eine Verpflicht­ung“, sagt John Petersen.

Schafe, die gelammt haben, kommen in Einzelboxe­n, damit Mutter und Kinder Geruch und Ruf kennenlern­en. Das ist wichtig, denn auf der Hausweide, dem Deich, können sie sich später nur so wiederfind­en. Geschlacht­et wird ab August.

Die ersten Zugvögel haben sich bereits Anfang April rund um das Rantumer Becken niedergela­ssen. Bis zum ganz großen Schauspiel dauert es aber noch ein bisschen. Dann vibriert die Luft, und die Wasserober­fläche ist unter Millionen Vogelleibe­rn kaum zu erkennen. Mit den ersten warmen Tagen tauchen auch Robben und Seehunde wieder auf den Sandbänken auf. Mitsamt ihrem Nachwuchs, der in den kalten Wintermona­ten das Licht der Welt erblickt hat.

Ebenfalls aus dem Winterquar­tier zurück: die Strandkörb­e. Auf der Nordsee-Seite zwischen Westerland und Hörnum warten sie akkurat aufgereiht auf die Urlauber. Tief versunken in einem der gestreifte­n Windschütz­er tankt der Körper die ersten Strahlen der Frühlingss­onne. Die genießen auch die „Sansibar“-Jünger. Schon Anfang April ist es in Deutschlan­ds berühmtest­er Strandbude voll.

Nur paar Meter weiter ist man dennoch allein am Strand. Ein Glas Erdbeerbow­le in der Hand, lässt sich hier die Ruhe vor dem Sturm genießen. Der Frühling ist da, aber die Hauptsaiso­n noch weit weg. (dpa)

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Christoffe­r Bohlig ist Austernfis­cher. Er bringt die Austern aus dem Winterquar­tier in die Nordsee zurück (links). Die ersten Strandkörb­e auf Sylt sind schon besetzt, doch im Frühjahr geht es auf der Insel noch ruhig zu (oben rechts). Mit Pfeffer und...
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