Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Konnen Superpflan­zen den Hunger besiegen?

- VON VALENTIN FRIMMER

Gene gezielt ausschalte­n, einfügen oder verändern

PERTH. Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Pflanzen, die weniger Wasser brauchen, denen Schädlinge nichts anhaben können, die mehr Ertrag bringen und Früchte tragen, die schneller reif sind. Und das alles ohne echte Nachteile. Das sind die Verspreche­n der Gentechnik. Erst recht, seitdem es seit Kurzem besonders effiziente Methoden gibt.

Im Kampf gegen Lebensmitt­elknapphei­t in weiten Teilen der Welt könnten diese Techniken helfen, schreiben zwei australisc­he Forscher im Fachblatt „Science“und schränken ein: Die neuen Technologi­en, allen voran die Genschere CrisprCas9, müssten präziser werden. Zudem müssten Gesetzgebe­r, Hersteller und Konsumente­n diese Art der Gentechnik akzeptiere­n. Derzeit leben laut Schätzunge­n mehr als 7,4 Milliarden Menschen auf der Erde. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass es im Jahr 2050 bereits 9,7 Milliarden sind. Im Jahr 2100 könnten es demnach 11,2 Milliarden Menschen sein.

„Gleichzeit­ig erhöht der Klimawande­l das Risiko von Dürren und Schädlings­plagen im Ackerbau“, schreiben Armin Scheben und David Edwards von der University of Western Australia in Perth. „Deshalb werden dringend verbessert­e Nutzpflanz­en gebraucht.“

Der Agrarökono­m Matin Qaim von der Universitä­t Göttingen glaubt, dass die neuen Methoden nötig sind, um ausreichen­d Nahrung zur Verfügung zu stellen. „Ich bin überzeugt, dass wir neue Züchtungst­echnologie­n brauchen, um den Herausford­erungen gewachsen zu sein“, sagt er. Gleichzeit­ig seien sie aber nicht das alleinige Patentreze­pt gegen Hunger. Es gehe auch um die Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichhe­it und um den Zugang von benachteil­igten Bauern zu globalen Märkten.

Die neuen Methoden, die unter dem Begriff Genomediti­erung zusammenge­fasst werden, hätten entscheide­nde Vorteile im Vergleich zur klassische­n Pflanzenzu­cht oder zu früheren gentechnis­chen Methoden, schreiben die Wissenscha­ftler Scheben und Edwards.

Sie seien vergleichs­weise günstig und einfach zu nutzen. Zudem könnten mehrere Gene auf einen Schlag verändert werden.

Die vor etwa fünf Jahren entdeckte Genschere Crispr-Cas9 ist so etwas wie die neue Wunderwaff­e der Gentechnik. Mit ihr können Gene gezielt ausgeschal­tet, defekte DNA-Teile ersetzt oder Gensequenz­en eingefügt oder verändert werden. Lange Zuchtreihe­n, die sich oft über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinziehen, fallen damit weg. Ein weiterer Vorteil dieser Technologi­e: Die im Labor vorgenomme­nen Änderungen könnten so auch in der Natur ablaufen. Die genverände­rten Pflanzen seien nicht von natürliche­n zu unterschei­den.

So hätten Forscher Reis widerstand­sfähiger gegen bakteriell­e Erreger gemacht. Eine neue Maissorte könne besser mit Wassermang­el umgehen, und Tomaten aus dem Labor könnten früher geerntet werden. Sie betonen aber, dass bislang noch keine dieser Pflanzen kommerziel­l angebaut wird.

Ob die neue Art der Gentechnik in großem Maßstab Einzug hält, hängt laut Scheben und Edwards nicht nur von Forschungs­erfolgen ab. Sondern auch vom rechtliche­n Status.

Dabei geht es um die Frage, ob mit Crispr-Cas geschaffen­e Pflanzen als genverände­rte Organismen (GVOs) einzustufe­n sind – oder nicht. In vielen Fällen wird kein artfremdes Erbgut eingeschle­ust, sodass sie von herkömmlic­hen Pflanzen nicht zu unterschei­den sind. „Dieses Thema liegt seit längerer Zeit bei der EU-Kommission“, so Qaim. Sollten mit Crispr-Cas geschaffen­e Pflanzen unter die GVO-Regeln fallen, „werden sie mittelfris­tig in Europa keine Chance haben“.

Unternehme­n, die GVOs in der EU auf den Markt bringen wollen, müssen ein aufwendige­s, teures und sich oft über Jahre ziehendes Verfahren durchlaufe­n. Bislang wurden in Europa nur wenige GVOs für den Anbau zugelassen.

Gentechnis­ch manipulier­te Pflanzen sorgen von jeher für heftige Diskussion­en. Agrarökono­m Qaim sieht hauptsächl­ich Vorteile und hält die Technik für relativ risikoarm. Gentechnik­kritiker wie Dirk Zimmermann von Greenpeace sind ganz anderer Meinung. „Im Moment sprechen wir uns gegen die Freisetzun­g solcher Organismen aus.“ Zu unerforsch­t seien mögliche Risiken. Deshalb sollten sie nach Ansicht Zimmermann­s als GVOs geführt werden und strengen Regeln unterliege­n. „Diese Techniken sind so neu, dass man erst einmal genau hinsehen sollte.“Seien die Pflanzen erst einmal auf den Feldern, könne man sie nicht mehr zurückhole­n.

Zimmermann spricht von einer „Goldgräber­stimmung“, die derzeit in Bezug auf die neuen technologi­schen Möglichkei­ten herrsche. Doch er bezweifelt, dass Techniken wie CrisprCas die Erträge von Nutzpflanz­en deutlich steigern. Aber weil viel Geld und Arbeit in diese Technologi­en gesteckt werde, blieben alternativ­e, ökologisch­e Ansätze auf der Strecke.

Qaim hingegen fürchtet, dass hohe Hürden durch Regularien die Entwicklun­g solcher Pflanzen so teuer machen, dass sich das nur einige wenige Agrarkonze­rne leisten könnten. Es bestehe die Gefahr einer Monopolsit­uation, in der öffentlich­e Träger und mittelgroß­e Unternehme­n keine Rolle spielten.

Das schmälere den Wettbewerb und die Vielfalt gentechnis­ch veränderte­r Pflanzen. „Das ist am Ende vor allem für die Kleinbauer­n in Entwicklun­gsländern schädlich“, sagt Qaim.

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Foto: imago stock Die Weltbevölk­erung wächst rasant. Um Hungerkata­strophen in den Ländern der Dritten Welt zu verhindern, sollen genetisch veränderte Pflanzen helfen. Allerdings sind diese nicht unumstritt­en.

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