Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Erdogan kündigt EU-Referendum an
Ab Montag können wahlberechtigte Türken in Deutschland über die türkische Verfassungsreform abstimmen
ISTANBUL. Noch kämpft der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan um Ja-Stimmen für sein Präsidialsystem beim Verfassungsreferendum am 16. April, da kündigt er bereits die nächste Volksabstimmung an – über Fortsetzung oder Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Tiraden des türkischen Präsidenten gegen Europa.
Am Sonntag erneuerte Erdogan seine Faschismus-Vorwürfe gegen Deutschland. Bei einer Kundgebung im Istanbuler Stadtteil Gaziosmanpasa erwähnte Erdogan die NSUMordserie in Deutschland und rief: „Ihr habt das immer noch nicht aufgeklärt – Ihr seid Faschisten, Faschisten!“Bereits am Sonnabend hatte Erdogan eine Rede bei einem türkischbritischen Forum in Antalya zu neuen Attacken genutzt: Die Europäische Union sei „ein Spielplatz faschistischer politischer Parteien“. Erdogan forderte, die europäischen Politiker müssten „ihre schlechten Manieren“gegenüber der Türkei so schnell wie möglich ablegen.
Unter Verweis auf das BrexitVotum der Briten kündigte Erdogan eine Volksabstimmung über die Zukunft der EU-Beitrittsverhandlungen seines Landes an. „Was immer das Volk entscheidet, wir werden gehorchen“, versprach Erdogan. Die Abstimmung könnte nach dem für Mitte April angesetzten Verfassungsreferendum stattfinden. Dabei geht es um ein Präsidialsystem, das Erdogan erheblich erweiterte Befugnisse geben soll. Kritiker fürchten eine „Alleinherrschaft“, Oppositionspolitiker sehen die Gefahr einer „Diktatur“.
Zu Stimmen in der EU, die bei einer Einführung des Präsidialsystems für eine Abbruch der Beitrittsverhandlungen plädieren, sagte Erdogan: „Ich hoffe, sie treffen diese Entscheidung. Das würde uns die Arbeit erleichtern“. Er fügte hinzu: „Die Türkei ist nicht irgendjemandes Hanswurst, das sollten alle wissen.“
Die rund 2,8 Millionen wahlberechtigten Auslandstürken können bereits von diesem Montag an ihre Stimme für das Verfassungsreferendum abgeben. Etwa die Hälfte von ihnen lebt in Deutschland. Gewählt wird hier in neun konsularischen Vertretungen der Türkei sowie in weiteren vier Wahllokalen. Bei der Präsidentenwahl von 2014 hatte Erdogan in Deutschland mit fast 69 Prozent einen weitaus höheren Stimmenanteil erzielt als im eigenen Land, wo er 52,2 Prozent erhielt.