Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Ahmadiyya-gemeinde auf Pr-tour
Kamal Ahmad erzählt, was sich Gläubige davon erhoffen, wenn sie nun verstärkt in die Öffentlichkeit gehen
ERFURT/SUHL. Kamal Ahmad will mit seinen Glaubensbrüden demnächst häufiger in Suhl sein. Der 27-Jährige spricht daher vorab über die Pflichten eines Muslims, über den mutmaßlich wahren Geist seiner Religion, über die Missverständnisse, die aus seiner Sicht dazu so weit verbreitet sind, über die guten und schlechten Erfahrungen, die er immer dann macht, wenn er Menschen über seinen Islam informieren will,
Er und seine Glaubensbrüder wollen aufklären über das, was aus ihrer Sicht der „wahre“Islam ist; darüber, wie sehr all diejenigen ihre Religion und den Namen ihres Propheten entehren, die im Namen des Islam Gewalt und Terror rechtfertigen oder andere Menschen mit Zwang missionieren wollen. Die Gemeinschaft, die Ahmad vertritt, war in Thüringen bislang nur wenigen Menschen bekannt: die Ahmadiyya-muslimjaamat. Seit aber deren Pläne bekannt geworden sind, in Erfurt die erste Moschee des Freistaats neu zu bauen, haben diese Muslime ganz plötzlich so viel Aufmerksamkeit erfahren wie kaum eine andere Religionsgemeinschaft in der Nachwende-geschichte des Landes. Mit diesem Bauprojekt, sagt Ahmad, hätten seine Pläne für die nächsten Wochen eigentlich nichts zu tun; und eigentlich doch ganz viel.
Sieben Jahre lang ist Ahmad zu einem Imam – also zum Vorbeter und damit auch zu einem kleinen geistigen Führer – seiner Gemeinde ausgebildet worden,
in einer Imam-schule in der Nähe von Darmstadt. 2015, sagt er, habe er diese Ausbildung abgeschlossen. Begonnen habe er sie, bald nachdem er in Kassel sein Abitur abgelegt habe. Mit neun Jahren sei er von Pakistan nach Deutschland gekommen. Die Imam-schule, sagt er, sei organisiert wie andere Ausbildungen auch. Untergebracht in einem Internat habe er tagsüber Unterricht gehabt, abends Zeit für Sport und die Wochenenden frei.
Das, was er als Imam in Deutschland gelernt habe, sei in theologischen Fragen identisch mit dem, was seine Glaubensbürger an solchen Schulen zum Beispiel in Kanada, Großbritannien oder Indonesien lernten. Nur, dass die Unterrichtssprache in Deutschland Deutsch sei – und das an der deutschen Imam-schule deutsche Kulturgeschichte unterrichtet worden sei; damit die Geistlichen hierzulande auch verstehen könnten, warum die deutsche Kultur so funktioniert, wie sie funktioniert, warum deutsche Ideen und Wertvorstellungen so sind, wie sie sind. Das, was Ahmad in den nächsten Wochen in Suhl und auch anderen Landkreisen Thüringens als Botschaft verbreiten will, formuliert er in großer Klarheit. Was aber nichts daran ändert, dass er weiß, wie schwierig es auch in Thüringen werden wird, sich trotz der großen Klarheit seiner Wort verständlich zu machen. Und, noch wichtiger: Dass seinen Worten Glauben geschenkt wird.
Die Kernbotschaft, die Ahmad vorträgt, hat viele Facetten und lässt sich doch in einem Satz zusammenfassen: „Islam heißt Frieden“, sagt er. Was auch meine, dass sein Islam barmherzig und gnädig sei – und nichts mit Krieg und Gewalt zu tun habe. „Wir distanzieren uns von gewalttätigen Aktionen im Namen des Islam“, sagt er. Er und die anderen Mitglieder seiner Gemeinde führten sich das jeden Tag immer und immer wieder vor Augen. Jedes Gebet, sagt Ahmad, beginne er mit einer Koransure, die von Gnade und Barmherzigkeit handele. Für jemanden, der sich das immer wieder sage, könne es doch überhaupt keine Rechtfertigung geben, Gottes Schöpfung irgendwie gewalttätig oder extremistisch gegenüberzutreten, sagt er. Wer anderes tue oder versuche, der missbrauche den Islam. „Dass Religionen immer schon missbraucht worden sind, um Menschen für politische Zwecke zu instrumentalisieren, das können wir in jeder Religion finden“, sagt er.
Was Ahmad von sich und seiner Gemeinde erzählt, ist die klassische Geschichte so vieler Religionsgemeinschaften, die behaupten, die „wahre“Lesart ihres Glaubens verstanden zu haben. Und die deswegen von anderen Anhängern ihrer Religion verfolgt werden. Auch das gilt für die Ahmadiyya-muslimjaamat, die besonders in konservativen Teilen der islamischen Welt als Sekte gilt. Auch in Pakistan.
Genau hier liegt das lebenspraktische wie theologische Problem des Islams, ja aller Religionen, mit dem Ahmad sich in den kommenden Wochen in Suhl ebenso wird auseinandersetzen müssen, wie den anderen Teilen des Freistaats, in denen er und seine Mitgläubigen ihre Version des Islams vertreten und zur Diskussion stellen wollen: Den einen „wahren“Islam zu vertreten, das beanspruchen viele Gruppen für sich. Und sind sich ganz uneinig dabei.
Nicht nur die Ahmadiyyamuslim-jaamat veranstaltet Informationstouren. Vor allem in den alten Bundesländern, aber auch an einigen zentralen Orten in Thüringen haben Salafisten in den vergangenen Jahren im Zuge einer Kampagne mit dem Titel „Lies!“Koran-bücher verteilt; immer mit dem Hinweis, dass ihre – in diesem Fall streng konservative und wenig liberale – Sicht auf das Buch und die Welt, die „wahre“Auslegung dieses heiligen Buchs sei.
Auseinandersetzen müssen wird sich Ahmad mit dieser Vielfalt des Islams, weil die Thüringer ihn ganz oft ansprechen werden, wenn sie in den nächsten Wochen mit ihm ins Gespräch kommen. Darauf, dass im Namen des Islam Krieg geführt wird und abscheuliche Gewalt legitimiert wird. Was täglich passiert; egal, wie oft täglich Ahmad und die seinen von Frieden, Barmherzigkeit und Gnade als islamischen Tugenden predigen.
Darüber, dass er zu allererst solche Diskussionen wird führen müssen, wenn er in Suhl und anderswo stehen und über seinen Glauben sprechen wird, darüber immerhin gibt sich Ahmad keinen Illusionen hin. Umso weniger, weil er schon in vielen deutschen Städten stand; großen wie kleinen; zuletzt in Bautzen und Hoyerswerda. Sogar angegriffen wurde er dabei schon, in Sachsen-anhalt war das. Ein Mann, erzählt Ahmad, habe den Informationsstand, den er mitaufgebaut hatte, mit Leberwurstpaketen beworfen. Rechtsextreme seien gleichzeitig um den Stand herum gelaufen. Mindestens einer haben einen Baseballschläger dabei gehabt. Als er versucht habe, mit dem Wurstwerfer zu sprechen – „Dafür bin ich ja angereist!“– sei er unmittelbar attackiert worden; wenn auch nicht mit dem Baseballschläger.
Trotz solcher Erlebnisse aber beteuert Ahmad, so etwas komme nur selten vor; vor allem mache er positive Erlebnisse in seinen Gesprächen mit den Menschen; selbst mit Pegida-anhängern und Afd-mitgliedern habe er schon lange und gute Gespräche geführt, nachdem er beleidigt oder angefeindet worden sei; und das zunächst ertragen habe. Weshalb Ahmad sich auch weigert, Angst zu haben, wenn er mit seinem Infomaterial und seiner traditionellen Kopfbedeckung in irgendeiner Stadt steht. Zwar wisse er, wie jeder Muslim, der sich an den Kampagnen der Ahmadiyya-muslim-jaamat beteilige, dass es zu Übergriffen kommen könne. „Wenn es so viele Missverständnisse gibt, muss es Menschen geben, die bereit sind, jedes Opfer zu bringen“, sagt er. Sie hoffen zwar, dass sie so auch Vorbehalte gegenüber ihren Gotteshäusern abbauen können, wollen aber ganz grundsätzlich und unabhängig von konkreten Bauvorhaben für einen anderen, mindestens aber zusätzlichen Blick auf ihre Religion werben. Dass das längst nicht mit jedem Gespräch und mit jedem Gesprächspartner gelingen kann, damit hat sich Ahmad abgefunden.
Kamal Ahmad setzt nicht nur auf Überzeugungskraft sondern auch auf das Gebet: „Beten dafür, dass Gott die Herzen dieser Menschen wandelt.“Nur der Gedanke, dass seine Familie angegriffen werden könnte, macht ihm wirklich Angst.
„Wenn es so viele Missverständnisse gibt, muss es Menschen geben, die bereit sind, jedes Opfer zu bringen.“Kamal Ahmad zu seiner Motivation, über seine Religion zu informieren.