Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Ahmadiyya-gemeinde auf Pr-tour

Kamal Ahmad erzählt, was sich Gläubige davon erhoffen, wenn sie nun verstärkt in die Öffentlich­keit gehen

- VON SEBASTIAN HAAK

ERFURT/SUHL. Kamal Ahmad will mit seinen Glaubensbr­üden demnächst häufiger in Suhl sein. Der 27-Jährige spricht daher vorab über die Pflichten eines Muslims, über den mutmaßlich wahren Geist seiner Religion, über die Missverstä­ndnisse, die aus seiner Sicht dazu so weit verbreitet sind, über die guten und schlechten Erfahrunge­n, die er immer dann macht, wenn er Menschen über seinen Islam informiere­n will,

Er und seine Glaubensbr­üder wollen aufklären über das, was aus ihrer Sicht der „wahre“Islam ist; darüber, wie sehr all diejenigen ihre Religion und den Namen ihres Propheten entehren, die im Namen des Islam Gewalt und Terror rechtferti­gen oder andere Menschen mit Zwang missionier­en wollen. Die Gemeinscha­ft, die Ahmad vertritt, war in Thüringen bislang nur wenigen Menschen bekannt: die Ahmadiyya-muslimjaam­at. Seit aber deren Pläne bekannt geworden sind, in Erfurt die erste Moschee des Freistaats neu zu bauen, haben diese Muslime ganz plötzlich so viel Aufmerksam­keit erfahren wie kaum eine andere Religionsg­emeinschaf­t in der Nachwende-geschichte des Landes. Mit diesem Bauprojekt, sagt Ahmad, hätten seine Pläne für die nächsten Wochen eigentlich nichts zu tun; und eigentlich doch ganz viel.

Sieben Jahre lang ist Ahmad zu einem Imam – also zum Vorbeter und damit auch zu einem kleinen geistigen Führer – seiner Gemeinde ausgebilde­t worden,

in einer Imam-schule in der Nähe von Darmstadt. 2015, sagt er, habe er diese Ausbildung abgeschlos­sen. Begonnen habe er sie, bald nachdem er in Kassel sein Abitur abgelegt habe. Mit neun Jahren sei er von Pakistan nach Deutschlan­d gekommen. Die Imam-schule, sagt er, sei organisier­t wie andere Ausbildung­en auch. Untergebra­cht in einem Internat habe er tagsüber Unterricht gehabt, abends Zeit für Sport und die Wochenende­n frei.

Das, was er als Imam in Deutschlan­d gelernt habe, sei in theologisc­hen Fragen identisch mit dem, was seine Glaubensbü­rger an solchen Schulen zum Beispiel in Kanada, Großbritan­nien oder Indonesien lernten. Nur, dass die Unterricht­ssprache in Deutschlan­d Deutsch sei – und das an der deutschen Imam-schule deutsche Kulturgesc­hichte unterricht­et worden sei; damit die Geistliche­n hierzuland­e auch verstehen könnten, warum die deutsche Kultur so funktionie­rt, wie sie funktionie­rt, warum deutsche Ideen und Wertvorste­llungen so sind, wie sie sind. Das, was Ahmad in den nächsten Wochen in Suhl und auch anderen Landkreise­n Thüringens als Botschaft verbreiten will, formuliert er in großer Klarheit. Was aber nichts daran ändert, dass er weiß, wie schwierig es auch in Thüringen werden wird, sich trotz der großen Klarheit seiner Wort verständli­ch zu machen. Und, noch wichtiger: Dass seinen Worten Glauben geschenkt wird.

Die Kernbotsch­aft, die Ahmad vorträgt, hat viele Facetten und lässt sich doch in einem Satz zusammenfa­ssen: „Islam heißt Frieden“, sagt er. Was auch meine, dass sein Islam barmherzig und gnädig sei – und nichts mit Krieg und Gewalt zu tun habe. „Wir distanzier­en uns von gewalttäti­gen Aktionen im Namen des Islam“, sagt er. Er und die anderen Mitglieder seiner Gemeinde führten sich das jeden Tag immer und immer wieder vor Augen. Jedes Gebet, sagt Ahmad, beginne er mit einer Koransure, die von Gnade und Barmherzig­keit handele. Für jemanden, der sich das immer wieder sage, könne es doch überhaupt keine Rechtferti­gung geben, Gottes Schöpfung irgendwie gewalttäti­g oder extremisti­sch gegenüberz­utreten, sagt er. Wer anderes tue oder versuche, der missbrauch­e den Islam. „Dass Religionen immer schon missbrauch­t worden sind, um Menschen für politische Zwecke zu instrument­alisieren, das können wir in jeder Religion finden“, sagt er.

Was Ahmad von sich und seiner Gemeinde erzählt, ist die klassische Geschichte so vieler Religionsg­emeinschaf­ten, die behaupten, die „wahre“Lesart ihres Glaubens verstanden zu haben. Und die deswegen von anderen Anhängern ihrer Religion verfolgt werden. Auch das gilt für die Ahmadiyya-muslimjaam­at, die besonders in konservati­ven Teilen der islamische­n Welt als Sekte gilt. Auch in Pakistan.

Genau hier liegt das lebensprak­tische wie theologisc­he Problem des Islams, ja aller Religionen, mit dem Ahmad sich in den kommenden Wochen in Suhl ebenso wird auseinande­rsetzen müssen, wie den anderen Teilen des Freistaats, in denen er und seine Mitgläubig­en ihre Version des Islams vertreten und zur Diskussion stellen wollen: Den einen „wahren“Islam zu vertreten, das beanspruch­en viele Gruppen für sich. Und sind sich ganz uneinig dabei.

Nicht nur die Ahmadiyyam­uslim-jaamat veranstalt­et Informatio­nstouren. Vor allem in den alten Bundesländ­ern, aber auch an einigen zentralen Orten in Thüringen haben Salafisten in den vergangene­n Jahren im Zuge einer Kampagne mit dem Titel „Lies!“Koran-bücher verteilt; immer mit dem Hinweis, dass ihre – in diesem Fall streng konservati­ve und wenig liberale – Sicht auf das Buch und die Welt, die „wahre“Auslegung dieses heiligen Buchs sei.

Auseinande­rsetzen müssen wird sich Ahmad mit dieser Vielfalt des Islams, weil die Thüringer ihn ganz oft ansprechen werden, wenn sie in den nächsten Wochen mit ihm ins Gespräch kommen. Darauf, dass im Namen des Islam Krieg geführt wird und abscheulic­he Gewalt legitimier­t wird. Was täglich passiert; egal, wie oft täglich Ahmad und die seinen von Frieden, Barmherzig­keit und Gnade als islamische­n Tugenden predigen.

Darüber, dass er zu allererst solche Diskussion­en wird führen müssen, wenn er in Suhl und anderswo stehen und über seinen Glauben sprechen wird, darüber immerhin gibt sich Ahmad keinen Illusionen hin. Umso weniger, weil er schon in vielen deutschen Städten stand; großen wie kleinen; zuletzt in Bautzen und Hoyerswerd­a. Sogar angegriffe­n wurde er dabei schon, in Sachsen-anhalt war das. Ein Mann, erzählt Ahmad, habe den Informatio­nsstand, den er mitaufgeba­ut hatte, mit Leberwurst­paketen beworfen. Rechtsextr­eme seien gleichzeit­ig um den Stand herum gelaufen. Mindestens einer haben einen Baseballsc­hläger dabei gehabt. Als er versucht habe, mit dem Wurstwerfe­r zu sprechen – „Dafür bin ich ja angereist!“– sei er unmittelba­r attackiert worden; wenn auch nicht mit dem Baseballsc­hläger.

Trotz solcher Erlebnisse aber beteuert Ahmad, so etwas komme nur selten vor; vor allem mache er positive Erlebnisse in seinen Gesprächen mit den Menschen; selbst mit Pegida-anhängern und Afd-mitglieder­n habe er schon lange und gute Gespräche geführt, nachdem er beleidigt oder angefeinde­t worden sei; und das zunächst ertragen habe. Weshalb Ahmad sich auch weigert, Angst zu haben, wenn er mit seinem Infomateri­al und seiner traditione­llen Kopfbedeck­ung in irgendeine­r Stadt steht. Zwar wisse er, wie jeder Muslim, der sich an den Kampagnen der Ahmadiyya-muslim-jaamat beteilige, dass es zu Übergriffe­n kommen könne. „Wenn es so viele Missverstä­ndnisse gibt, muss es Menschen geben, die bereit sind, jedes Opfer zu bringen“, sagt er. Sie hoffen zwar, dass sie so auch Vorbehalte gegenüber ihren Gotteshäus­ern abbauen können, wollen aber ganz grundsätzl­ich und unabhängig von konkreten Bauvorhabe­n für einen anderen, mindestens aber zusätzlich­en Blick auf ihre Religion werben. Dass das längst nicht mit jedem Gespräch und mit jedem Gesprächsp­artner gelingen kann, damit hat sich Ahmad abgefunden.

Kamal Ahmad setzt nicht nur auf Überzeugun­gskraft sondern auch auf das Gebet: „Beten dafür, dass Gott die Herzen dieser Menschen wandelt.“Nur der Gedanke, dass seine Familie angegriffe­n werden könnte, macht ihm wirklich Angst.

„Wenn es so viele Missverstä­ndnisse gibt, muss es Menschen geben, die bereit sind, jedes Opfer zu bringen.“Kamal Ahmad zu seiner Motivation, über seine Religion zu informiere­n.

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Einblicke in ihren Glauben gewährten Ahmadiyya schon zu Beginn des Jahrzehnts, wie diese Archivfoto aus der Wohnung der Familie Malik in Erfurt beweist. Jetzt gehen Glaubensbr­üder verstärkt in die Öffentlich­keit, so in Gotha und Suhl. Foto: Alexander...
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