Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Lässt Erdogan den Flüchtling­s-deal mit der EU platzen?

Der türkische Präsident weist die Verschärfu­ng des Kurses durch die Bundesregi­erung zurück: „Deutschlan­d muss sich zusammenre­ißen“

- VON MICHAEL BACKFISCH

BERLIN. Nach der neuesten Eskalation in den deutsch-türkischen Beziehunge­n kursiert in europäisch­en Hauptstädt­en ein Albtraumsz­enario: Kündigt der für seine cholerisch­en Anfälle bekannte türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nun den Flüchtling­sdeal mit der EU? Besteht die Gefahr, dass ein Großteil der in der Türkei gestrandet­en rund drei Millionen Migranten nach Europa strömt?

Es wäre nicht das erste Mal, dass Erdogan die Drohung als politische Waffe einsetzt. „Hören Sie mir zu. Wenn Sie noch weiter gehen, werden die Grenzen geöffnet, merken Sie sich das“, giftete der Präsident noch im vergangene­n November Richtung Brüssel. Kurz zuvor hatte das Eu-parlament ein „vorläufige­s Einfrieren“der Gespräche über den Beitritt der Türkei in die Gemeinscha­ft gefordert. Im März 2016 war vereinbart worden, dass Griechenla­nd Flüchtling­e zurückschi­cken kann, die illegal aus der Türkei eingereist sind. Im Gegenzug können syrische Migranten legal in die EU einreisen.

Zuzutrauen wäre es also Erdogan, die Flüchtling­sfrage erneut als Druckmitte­l zu benutzen. Zur Kritik von Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel, der von Investitio­nen in der Türkei abgeraten hatte, sagte Erdogan: „Deutschlan­d muss sich zusammenre­ißen. Mit solchen Drohungen kann es uns niemals Angst machen.“Im Zusammenha­ng mit Forderunge­n der Bundesregi­erung nach einer Freilassun­g deutscher Gefangener wie Deniz Yücel, Mesale Tolu Corlu oder Peter Steudtner aus der Untersuchu­ngshaft sagte Erdogan: „Sie müssen wissen, dass unsere Justiz unabhängig­er ist als Ihre.“Der Präsident warf Deutschlan­d vor, Terroriste­n Unterschlu­pf zu gewähren.

Berichte, wonach im Zuge von Terrorvorw­ürfen gegen deutsche Unternehme­n ermittelt werde, wies Erdogan als „böse Propaganda“zurück. Dagegen hat die Türkei Insidern zufolge entgegen ihrer Beteuerung mehr deutsche Firmen auf ihrer schwarzen Liste als bekannt. Insgesamt führe die Türkei 681 Unternehme­n auf, die sie verdächtig­e, terroristi­sche Organisati­onen zu unterstütz­en, erfuhr die Nachrichte­nagentur Reuters. Bislang war in einem „Zeit“-bericht von 68 Unternehme­n und Personen die Rede.

Vor dem Hintergrun­d der deutsch-türkischen Konfrontat­ion stellt sich die Frage, ob Erdogan die Krise weiter anheizt und den Flüchtling­spakt mit der EU aufkündigt.

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Flüchtling­e am Zaun eines Lagers in Nizip im Südosten der Türkei. Foto: dpa pa/l. Pitarakis

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