Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Flucht in den Wald, auf eine Insel, in den Tod
Ab Freitag tagt die Deutsche Shakespearegesellschaft in Weimar – Mitglieder und Gäste debattieren über Flucht und Migration
WEIMAR. Ob „Der Sturm“, „Richard II.“„Romeo und Julia“oder „Ein Sommernachtstraum“: In seinen Werken hat der englische Dramatiker und Lyriker William Shakespeare (1565–1616) Flucht, Zuflucht, Befreiung und Migration auf vielfältige Art und Weise thematisiert. Auf der am Freitag beginnenden Frühjahrs-tagung in Weimar wollen sich mehr als 200 Wissenschaftler und Dichter-freunde aus dem In- und Ausland mit diesen hochaktuellen Aspekten auseinandersetzen. „Die literarische Gesellschaft ist sehr eng am Puls der Zeit und tut dies aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven“, sagte die Präsidentin der Deutschen Shakespeare-gesellschaft, Claudia Olk.
Für die Weimarer Klassiker Goethe, Schiller und Herder waren Shakespeares Werke Vorbild. Der vierte im Bunde, Christoph Martin Wieland, hatte den Dichter durch seine Übersetzungen erst in Deutschland bekannt gemacht. Zur Eröffnung der dreitägigen Tagung in Weimar werde deshalb die Germanistin Anne Fleig zum Thema Krieg und Migration in seiner Bedeutung für die Shakespeare-rezeption in der deutschen Klassik sprechen, sagte Olk. Im Mittelpunkt stehe Schillers „Wallenstein“über den Dreißigjährigen Krieg, der 1618 – vor 400 Jahren – begann.
2018 werde auch an das Ende des Ersten Weltkriegs vor einhundert Jahren erinnert, der bis in die Gegenwart hinein durch Exil, Flucht und Migration das Leben vieler Menschen bestimmte, sagte Olk. Auch daran wolle die Tagung erinnern. Im Festvortrag spreche Homi K. Bhabha von der Harvard University (USA) über Migration, Identität und Globalisierung. Der gebürtige Inder werde sicher auch jüngste gesellschaftspolitische Entwicklungen einbeziehen, heißt es. Die Podiumsdiskussion „Migration und Theater“will hinterfragen, wie Theater in Deutschland Migration und ihre Ursachen reflektieren und ob Migranten die Theater selbst verändern.
Shakespeare habe sich in seinen Historiendramen, Tragödien und Komödien mit Flucht und Asyl in einem großen Spektrum auseinandergesetzt, sagte Olk. In „Der Sturm“schickt er den einstigen Mailänder Herzog Prospero ins Exil auf eine einsame Insel. Für „Julia und Romeo“ist das „Exil“der Tod. Im „Sommernachtstraum“geht es um eine Flucht in einen märchenhaften Wald, in „Wie es Euch gefällt“um Geschlechterrollen, um Befreiung und die Suche nach sich selbst.
Shakespeares Werke könnten somit Menschen in unterschiedlichsten Situation Rat und Trost geben. Für die politischen Gefangenen des südafrikanischen Apartheid-regimes um Nelson Mandela sei „die Literatur Shakespeares zu einem Zufluchtsplatz, zu einem Schutzraum geworden“, sagte die Berliner Professorin. „Sie hat in den 25 Jahren als ,Robben Island Bible’ fast den Status einer heiligen Schrift.“Die Werke Shakespeares waren als einzige auf der Insel erlaubt.
Die Deutsche Shakespeare-gesellschaft wurde 1864 in Weimar gegründet. Sie ist nach eigenem Bekunden eine der ältesten Literaturgesellschaften mit derzeit rund 2000 Mitgliedern.